"Yo, Bitches!" "The Bling Ring" geht auf Diebestour
15.08.2013, 22:11 Uhr
Die neueste Handtasche, das provozierendste Kleid, die teuersten Schuhe: Wer möchte nicht aussehen wie ein It-Girl? Kein Wunder, dass ein paar Jugendliche auf die Idee kommen, sich das Zeug direkt an der Quelle abzuholen - sie gehen auf Diebestour in Hollywood. Nun kommt der wahre Fall ins Kino.

Marc (Israel Broussard), Chloe (Claire Julien, M.) und Rebecca (Katie Chang) hängen ab.
(Foto: Tobis Film)
Vielleicht sind es die wählerischsten Diebe der Filmgeschichte. Denn sie lassen nicht irgendwas mitgehen. Nein, da werden Louboutins - die hochhackigen Schuhe mit den roten Sohlen - in Louis-Vuitton-Taschen gestopft, dazu Sonnenbrillen von Alexander McQueen und Kleider von Gucci. Ein paar Diamanten, Perlenketten, Bargeld und Medikamente kommen hinzu und wenn es sein muss, auch noch ein Bild aus dem Flur.
Diese Diebe wissen, was sie wollen und sie wissen, von wem sie es wollen. Denn die Opfer ihrer Raubzüge heißen Paris Hilton, Megan Fox, Orlando Bloom und Lindsay Lohan. Und die Täter? Die sind Teenager, Schüler, die nicht weit entfernt von jenen Prominenten wohnen, die sie um die Luxusartikel erleichtern. "The Bling Ring" nannten die Medien die Truppe, die vor einigen Jahren in Hollywood für Aufsehen sorgte, weil sie die Häuser von Filmstars und Celebritys ausraubte. Regisseurin und Autorin Sofia Coppola hat ihre Geschichte nun unter dem gleichen Titel verfilmt.
Vermutlich gibt es auch keine passendere Filmemacherin als Coppola für diese Story zwischen jugendlichem Übermut und luxuriösem Überdruss. Denn sie ist als Tochter von Regie-Legende Francis Ford Coppola (der co-produzierte) nicht nur selbst in dieser Glamour-Welt aufgewachsen, sondern hat auch hinreichend eigene Erfahrungen in der Welt der Mode gemacht. Stil und Design, Stimmung und Atmosphäre - das sind wichtige Elemente in Coppolas Filmen. Sie kann seelische Zustände in betörend schöne Bilder umsetzen. Das war schon bei ihrem Durchbruch "Lost in Translation" so, für den sie den Drehbuch-Oscar bekam, aber zuletzt auch in ihrem preisgekrönten Hollywood-Stück "Somewhere".
Leicht, lustig, dynamisch
Mit "The Bling Ring" bleibt sie ihren Themen treu. Wieder steht Hollywood im Mittelpunkt, das Leben der Reichen und Schönen, der Luxus und der an Irrsinn grenzende Personenkult. Doch der Ton ist diesmal leichter, lustiger, dynamischer, was an der mitreißenden Musik, aber vor allem an dem jungen Ensemble liegt.

Fans ihrer Schauspielkunst werden enttäuscht sein: Paris Hilton (l., mit Emma Watson) hat in dem Film nur Miniauftritte.
(Foto: Tobis Film)
Aus Langeweile und der Lust auf einen Kick verfallen die Teenager Rebecca, Marc, Nicki, Sam und Chloe auf die Idee, in die Villen von Hollywood-Stars einzusteigen. Bei nicht abgeschlossenen Autos, die am Straßenrand stehen, hat die Masche schließlich auch geklappt. Und außerdem findet man ziemlich leicht heraus, wann die Celebritys außer Haus sind und wo sie wohnen.
Marc (Israel Broussard), der gerade die Schule wechseln musste, findet durch die erstaunlich leicht durchzuführenden Aktionen endlich Anschluss bei der In-Clique. Rebecca (Katie Chang), Nicki ("Harry Potter"-Star Emma Watson) und die anderen haben eher andere Motive: Sie wollen so aussehen wie die It-Girls, sie wollen die Stars nachahmen, sie wollen selber im Rampenlicht stehen. Und sie wollen feiern, Spaß haben - "Yo, Bitches!", wie man so sagt.
Aus einem ersten zaghaften Versuch entwickelt sich schnell eine Diebesserie, die es in sich hat. Mehrmals steigt die Gruppe bei Paris Hilton ein, die übrigens ihr echtes Haus für die Dreharbeiten zur Verfügung stellte, die Häuser weiterer Stars folgen. Für die Jugendlichen sind es "Shoppingtouren", denn sie nehmen mit, was ihnen gefällt. Damit prahlen sie nicht nur auf Facebook, sie tragen das Diebesgut auch auf den Glamour-Partys oder verticken es an einen Hehler. Mit dem Geld finanzieren sie sich den Traum von Luxus, Party und Drogen.
Der Schlüssel unter der Fußmatte
Dem Zuschauer bleibt dabei vor allem eine Erkenntnis: In Paris Hiltons Haus sind die Kissen mit ihrem eigenen Konterfei bedruckt, im Flur hängen Magazin-Cover mit ihrem Gesicht und ihr Hausschlüssel liegt unter der Fußmatte. Ansonsten ist man hin- und hergerissen zwischen dem Staunen über den übertriebenen Luxus, in dem die Stars schwelgen, und der Chuzpe, mit der die verwöhnten Teenager zu Werke gehen.
Ihre Luxus- und Ruhmsucht beherrscht sie so sehr, dass sie die Realität vollkommen ausblenden: Schule interessiert sie nicht, lieber kiffen sie am Strand. Aber eine eigene Parfummarke wollen sie herausbringen und eine eigene Fernsehshow moderieren. Und später wollen sie eine große Hilfsorganisation leiten - oder gleich eine Nation.
Coppola verzichtet dabei darauf, den moralischen Zeigefinger zu heben. Nur ansatzweise werden Zweifel an den Aktionen angedeutet. Stattdessen lässt sie die jugendlichen Diebe und ihre Taten für sich sprechen, fast ganz ohne satirische Zuspitzung. Die Taten sind ja auch so schon unglaublich genug. Immer wieder werden die Einbrüche gezeigt, die immer wieder nach dem gleichen Schema ablaufen. Das ist am Ende dann doch etwas zu viel des Guten. Erst als die Teenager geschnappt werden, nimmt der Film noch einmal Fahrt auf. Denn wenn sie während der Verhaftung nach ihrer Mutter rufen, werden sie als das entlarvt, was sie sind: verwöhnte Kinder, die in einer Luxusblase leben.
"The Bling Ring" hat nicht die Melancholie von Coppolas Meisterwerk "Lost in Translation", aber auch nicht dessen Tiefe. Dafür setzt der Film zu sehr auf den Schein der Luxuswelt und zu wenig auf die Entwicklung seiner Figuren. Dass der Film trotzdem Spaß macht, liegt an der Geschichte, vor allem aber am Ensemble, aus dem wiederum mit Emma Watson die Schauspielerin mit der meisten Erfahrung herausragt. Das immerhin kann man sagen: Der umjubelte Star aus der "Harry Potter"-Reihe kann den Personenkult, der heutzutage betrieben wird, ordentlich auf die Schippe nehmen.
"The Bling Ring" startet am 15. August in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de