Kino

Gut und Böse gibt es nicht The Raid 2 – Knochenbrecher im Blutrausch

Auch in The Raid 2 lassen die Kampfkünstler des Pencak Silat nichts aus, um es richtig krachen zu lassen.

Auch in The Raid 2 lassen die Kampfkünstler des Pencak Silat nichts aus, um es richtig krachen zu lassen.

"The Raid" war ein Kracher unter den Martial-Arts-Filmen und für Regisseur Gareth Evans der Ritterschlag. Schneller und härter hat man Kampfkunst noch nicht in Szene gesetzt. Jetzt kommt Teil zwei in die Kinos. Kann der Teil eins toppen?

Angst in den Augen eines Mannes, der am Boden kniet, Blut spritzt, der Körper sinkt zusammen: So eröffnet der wohl zurzeit angesagteste Martial-Arts-Regisseur, Gareth Evans, den zweiten Teil von "The Raid". Aber das ist nur der unspektakuläre Auftakt für eine nicht enden wollende Folge brechender Knochen, in lebendiges Fleisch fahrende Hämmer, einen durchgeknallten Buben mit Baseballschläger und sich durch einfahrende Gewehrkugeln in Brei auflösende Köpfe. Evans bietet mit "The Raid 2" einen Blutrausch unter dem Deckmantel des Pencak Silat, eben jener indonesischen Kampfkunst, die erst durch den Waliser zu einer weltweiten Bekanntheit gelangt sein dürfte. Dabei hat der Engländer, der wie schon für "The Raid" das Drehbuch schrieb, hohe Ansprüche an sich und den Film gestellt. Charaktere wollte er zeichnen, ihre Zerrissenheit deutlich machen und natürlich dem Pencak Silat im Rahmen europäischer Action erneut eine Plattform geben. Aber der Reihe nach:

Uco (Arifin Putra) ist für Rama die Eintrittskarte in die Unterwelt.

Uco (Arifin Putra) ist für Rama die Eintrittskarte in die Unterwelt.

Die Geschichte zu "The Raid 2" knüpft nahtlos an den ersten Teil an, obwohl die Idee für das Drehbuch eigentlich viel älter ist. Nach seinem ersten Einsatz bei einer Spezialeinheit, die einem der größten Gangsterbosse in Jakarta das Handwerk legen soll, muss der junge Polizist Rama feststellen, dass das Böse nicht nur in Form der Verbrecher existiert, sondern auch sein Einsatzleiter tief in die Geschäfte der Mafia verstrickt ist. Unter Einsatz seines Lebens und mit Hilfe seines auf die schiefe Bahn geratenen Bruders gelingt es ihm, dem Verbrechen für einen Augenblick einen Riegel vorzuschieben.

Genau an dieser Stelle setzt der zweite Teil von "The Raid" an. Aber anders als im ersten Teil werden parallel Gangster und Polizisten eingeführt, die ihr Geschäft blutig erledigen. Wer nicht nach ihrer Pfeife tanzt, wird aus dem Weg geräumt. So auch Ramas Bruder. In diesem Kanon, lässt sich Rama zu einem erneuten Sondereinsatz überreden, der ihn diesmal ins Gefängnis führt, wo er sich mit dem Sohn von Gangsterboss Bangun anfreunden soll. Skrupellos schlägt er sich durch die konkurrierenden Gangs und rettet Uco, dem Sohn von Bangun, das Leben. Das ist die Eintrittskarte für Rama in die Unterwelt.

Weniger wäre mehr gewesen

Eine der spektakulärsten Massenkampfszenen gibt es auf dem Gefängnishof.

Eine der spektakulärsten Massenkampfszenen gibt es auf dem Gefängnishof.

Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass Evans zu viel will. Er will Charaktere zeichnen, deren Entscheidungsfindung erklären und dann auch noch ungebremste Action liefern. Aber für all das ist die Zeit zu kurz, obwohl der Film schon die stattliche Länge von 148 Minuten hat. Evans führt anders als in "The Raid" eine Unmenge an Figuren ein, die nicht die Zeit haben, sich zu entwickeln. Man erwartet in einem Martial-Arts-Film von Haus aus nicht, dass sich Charaktere im shakespeareschen Sinne aufbauen, aber man freut sich doch, wenn man einen Bogen schlagen kann. Zumal gerade das Herausarbeiten der Figuren ein angesagtes Ziel von Evans gewesen ist. Natürlich will der Regisseur die Zerrissenheit seines Hauptdarstellers zeigen, der zwischen dem Kampf für die gute Sache auch erkennen muss, dass böse nicht immer gleich böse ist.

Gerade für Rama soll es ein Wechselbad der Gefühle werden, bei dem die Grenzen immer wieder verschwimmen. Aber auch davon ist nichts zu sehen. Zumal das ja auch eine Erfahrung ist, die Rama schon im ersten Teil machte. Dort allerdings wesentlich stringenter und in einen klareren Rahmen verpackt: den der Kampfkunst und dem Glauben an die Gerechtigkeit. Wie im ersten Teil ist es auch in "The Raid 2" so, dass er am Ende auf sich allein gestellt ist und bald jeden einzelnen Gangster Jakartas gegen sich hat.

Atemberaubende Choreografie

Julie Estelle gibt in "The Raid 2" das durchgenallte Hammer-Girl.

Julie Estelle gibt in "The Raid 2" das durchgenallte Hammer-Girl.

Man könnte jetzt noch Stunden über die fehlenden Feinheiten des Films klagen. Fakt ist, dass Evans im Augenblick einer der ambitioniertesten Martial-Arts-Filmer überhaupt ist. Auch sollte immer im Hinterkopf bleiben, dass es sich hier um eine indonesische Produktion und nicht um einen durch riesige Hollywood-Budgets befeuerten Dreh handelt. Und dafür hat Evans alles aus den Möglichkeiten, die ihm gegeben waren, herausgeholt. Mehr noch: Evans findet dadurch zu den handgemachten Kampfszenen zurück. Eben jenen, die für Choreografie, Schauspieler und Kamera die größte Herausforderung sind. Allein Arifin Putra, der den Uco spielt, musste ein monatelanges Training absolvieren, bis er bereit war, die Gefängniskampfszenen zu drehen. Auch bildtechnisch schafft der Regisseur eine neue Sprache. Er stellt seine Kameraleute in der Massenkampfszene zwischen die Prügelbarden, vermittelt damit den Eindruck der verwackelten Handkamera. Das hat den Charme der Authentizität, beraubt aber die unglaublich gut choreografierten Kampfszenen für den Kinozuschauer ihrer Dynamik. Die Härte des Pencak Silat wird nur noch über die explizite Darstellung brechender Knochen vermittelt.

Höhepunkte der Kampfchoreografien sind zweifellos der Endkampf Ramas in einer Hotelküche und Julie Estelle, die sich als durchgeknalltes Hammer-Girl gemeinsam mit ihrem Bruder, dem Baseball-Batman, meuchelnd durch den Film schlägt. Dabei hatte die Schauspielerin zuvor noch nie etwas mit Kampfkunst zu tun. Im Film stimmt aber gerade bei ihr alles: Gestik, Mimik und Bewegung. Und das nach nur drei Monaten Training. Und noch etwas bringt Evans erstmals in einen indonesischen Film: eine Verfolgungsjagd mit Autos. Auch hier ist nichts mit Green Screens oder Computern gemacht. "Wir haben alles live gedreht", betont Evans. "Das bedeutet, dass die Kamera von einem zum anderen gegeben wurde, wobei sich die Kameramänner auf den fahrenden Autos befanden. Das war ziemlich riskant." Inspiriert wurde Evans bei der Verfolgungsjagd von Filmen wie "Bullit" oder "Ronin".

Tarantino lässt grüßen

Auch das sich durch den gesamten Film durchziehende Schlachtfest mit expliziter Blutbad-Attitüde muss seine Inspiration haben. Hier darf aber nur gemutmaßt werden, wo der Regisseur seine Anleihen nimmt. Man fühlt sich aber gerade beim Hammer Girl stark an Quentin Tarantinos "Kill Bill" erinnert. Wobei der mit seiner Überzeichnung immer noch den gedanklichen Raum zum Comic und Splatter lässt. Evans scheint hingegen darauf versessen, der Realität Vorschub zu leisten. Wobei die brechenden Gliedmaßen und durchtrennte Kehlen hier noch reiner Kinderkram sind. Richtig hart wird es, wenn Kopfhälften weggeschossen werden oder Hämmer tief ins Fleisch eindringen, um dann über lange Strecken wieder herausgerissen zu werden. Das sind auch die Sequenzen, in denen selbst der Abgebrühteste dem Prädikat FSK 18 zustimmen dürfte. Den anderen, die auf schnelles Action-Kino, exklusive Kampfszenen und Verfolgungsjagden stehen, das Ganze gepaart mit der Musik von "Linkin Park"-Sänger Mike Shinoda und Joe Trapanese, müssen unbedingt in "The Raid2" gehen und sich selber ein Bild machen.

Quelle: ntv.de

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