"Ich könnte mich selbst nicht leiden" Von wegen Zicke: Sarah Engels
24.05.2011, 13:15 Uhr
Spitzname Engel: Sarah Engels.
(Foto: dapd)
Sie hat das Finale von "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) verloren - und doch gewonnen: Ein gerüttelt Maß an Selbsterkenntnis, die Liebe von Sieger Pietro Lombardi und schließlich auch die Herzen des Publikums. Zunächst schien das unmöglich, galt Sarah Engels doch als überhebliche Zicke der Show. Mit Folgen: Die TV-Zuschauer wählten sie trotz ihrer überragenden Stimme aus der Sendung. Erst als sie durch das Ausscheiden einer anderen Kandidatin eine zweite Chance bekam, blühte die 18-Jährige auf. Und siehe da: Als wir sie zum n.tv.de Interview treffen, kann von einer Zicke nicht die Rede sein. Stattdessen begegnen wir einer zierlichen, hübschen und freundlichen jungen Frau, die bei DSDS viel Lehrgeld gezahlt zu haben scheint. Doch am Ende zahlt sich das wieder aus: Nun erobert Sarah Engels sogar die Charts - etwas, das bis dahin keinem Zweitplatzierten der Casting-Show gelungen ist.
n-tv.de: Du bist mit Deiner Version von "Call My Name" direkt in die Charts eingestiegen. Glückwunsch!
Sarah Engels: Dankeschön.
Allerdings reichte es "nur" für Platz 2 - weil Platz 1 ja schon von Pietro belegt ist. Ärgert Dich das?
Nein! Ich bin froh, dass ich überhaupt in den Charts vertreten bin. Das hätte ich nie gedacht. Es ist ja das erste Mal überhaupt, dass von der Zweitplatzierten bei DSDS das Lied veröffentlicht wurde, wenn auch nur als Download. Damit dann auf Platz 2 in die Charts zu kommen, ist echt geil.
Es bleibt also dabei: Es gibt keine Konkurrenzgedanken zwischen Dir und Pietro …
Nein, gar nicht.
Der Ausgang des DSDS-Finales war ja auch unglaublich knapp. Am Ende hat Pietro mit nicht einmal zwei Prozent Vorsprung gewonnen. Wie erklärst Du Dir, dass er "Superstar" geworden ist und nicht Du?
Ich weiß es nicht. Ich habe ja die Voting-Ergebnisse später gesehen. Da konnte man sehen, dass es zwischen Pietro und mir immer geschwankt ist - einmal war er vorne, dann wieder ich. Es war auf jeden Fall wirklich sehr knapp.
Eine Zeitung titelte nach dem Finale "Herz siegt über Stimme" ...
Moment, da muss ich erst mal drüber nachdenken. Herz siegt über Stimme? Ach so, das zielt auf Pietros Persönlichkeit ab. Ich kann nur sagen: Ich gönne ihm das total. Er hat es auch verdient, weil er einfach so ist, wie er ist. Und ich gehe ja jetzt trotzdem meinen Weg. Insofern: Ich habe zwar nicht gewonnen, aber ich habe auch nicht verloren.
Daran, dass Du die beste Stimme in dieser DSDS-Staffel hattest, gibt es eigentlich keine Zweifel. Trotzdem hattest Du es schwer. Von Dir entstand zunächst das Bild einer überheblichen Zicke. Hast Du aus dieser Zeit Lehren gezogen?
Oh ja, sehr viele. Das glaubt mir wahrscheinlich keiner, wieviel ich in dieser Zeit gelernt habe - über mich selbst und so viele andere Dinge im Leben. Ich habe mich selbst so gut kennengelernt, ich habe mich geändert und bin erwachsener geworden. So gesehen war das die beste Zeit meines Lebens.
Nun ja, Dir ist aber zu dieser Zeit doch auch viel Häme entgegengeschlagen. Du wurdest sogar erst einmal von den Zuschauern aus der Show gewählt …
Ja, am Anfang war ich auch einfach viel zu verbissen. Dabei war es gar nicht so, dass ich etwas Böses wollte oder eingebildet war. Ich war nur total unsicher und wusste nicht, wie man sich vor der Kamera gut präsentiert. Da habe ich dann irgendeinen Driss (rheinländisch für "Unsinn", Anm. d. Red.) gelabert, weil ich nicht wusste, was richtig oder falsch ist. Ich hatte ja schon im Jahr zuvor an DSDS teilgenommen. Da bin ich rausgeflogen, weil ich nervlich total am Boden war und keinen Ton mehr singen konnte. Dieses Jahr hatte ich mir deshalb gedacht: Wie zeigst Du, dass Du auch Kraft hast? Aber das ging alles nach hinten los, weil ich übertrieben habe. Als ich das im Fernsehen gesehen habe, dachte ich mir auch: Ich könnte mich selbst nicht leiden.
Selbstbewusstsein ist ja an sich nichts Schlechtes. Das Problem war wohl nur, dass Du es so offensiv vor Dir her getragen hast …
Ja, aber das Schlimme war ja, dass ich das genau deshalb gemacht habe, weil ich eben nicht so selbstbewusst war, sondern eher unsicher und ängstlich. Ich wollte dadurch verhindern, dass die Leute vielleicht denken, dass ich gar nicht an mich selbst glaube. Letztlich habe ich aus Unsicherheit so geredet, als ob ich mir bei allem total sicher wäre. Das war natürlich total falsch.
Wann ist Dir das aufgegangen?
Als ich rausgeflogen bin, war ich wirklich sehr traurig. Ich dachte mir: Du hattest jetzt diese Chance, bist aber rausgeflogen, ohne dass jemand weiß, wie du wirklich bist. Als ich dann wieder in die Show zurück durfte, war mir klar: So, Sarah, jetzt musst du etwas ändern. Sei einfach so, wie du fühlst. Da habe ich losgelassen und nicht mehr darüber nachgedacht, wie ich den Leuten zeigen kann, wie stark ich doch bin oder wie wenig Angst ich doch habe. Stattdessen habe ich meine Fehler zugegeben und nicht mehr nur ans Gewinnen gedacht, sondern daran, dass jede Show die letzte sein könnte. Von da an hatte ich einfach nur noch Riesenspaß.
Immer zu Dir gehalten hat ja auch die Jury. Wie wichtig war deren Unterstützung für Dich?
Das war für mich sehr wichtig - gerade die Unterstützung von Dieter Bohlen, der ja schon seit Anfang an bei DSDS ist und viel Ahnung von Musik hat. Er war es ja auch, der gesagt hat, dass er weiß, wie ich bin, und es schade findet, dass ich am Anfang so als Zicke rübergekommen bin. Das hat mir schon total gut getan.
Gibt es irgendetwas, was Du über die Jury aus dem Nähkästchen plaudern könntest?
Nee, …
Schade …
Also, das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass der Dieter echt ein lieber Mensch ist. Das können sich die meisten wahrscheinlich nicht wirklich vorstellen. Viele haben ja Angst vor ihm und sagen: Ahh, der kritisiert immer so hart und kann so böse und kalt sein. Natürlich ist der Dieter so, dass er, wenn ihm etwas nicht passt, das auch sagt. Das ist aber auch wichtig, gerade wenn man in so einer Jury sitzt. Aber wenn er etwas toll findet und merkt, dass jemand wirklich den Willen hat, dann ist er unglaublich lieb und warmherzig.
Du arbeitest ja nun auch musikalisch mit ihm zusammen. Wie ist er denn als Produzent?
Genauso - er ist halt ehrlich. Wenn ich doof singe, dann sagt er: Nee, Sarah, das ist Schwachsinn, was Du da machst. Mach das mal schöner, versuch es mit ein bisschen mehr Gefühl. Aber wenn es ihm gefällt, sagt er auch: Boah, das ist richtig gut. Genau das ist das Gute an ihm. Es wäre Unsinn, wenn er im Studio sitzen und sagen würde, dass alles super ist, die Platte sich dann aber nicht verkauft, weil es sich scheiße anhört.
Angeblich ist ja bereits eine Duett-Single mit Pietro geplant. Was ist da der Stand?
Also, das ist auf jeden Fall geplant. Der Rest ist aber noch eine Überraschung. Es wird auf jeden Fall sehr schön.
Und wie sieht es bei Dir mit einem Album aus? Pietros Album kommt ja schon in diesen Tagen auf den Markt …
Ja, ein Album von mir wird es auch geben. Aber wann es rauskommt, weiß ich noch nicht genau.
Vor Kurzem hat sich die bislang einzige weibliche Gewinnerin von DSDS, Elli Erl, zu Wort gemeldet. Sie glaubt, dass Du nur wenig Chancen im Musikbusiness haben wirst, weil Dir angeblich das "Besondere" fehlt. Was entgegnest Du ihr?
Ach, nichts. Jeder hat halt seine Meinung. Natürlich nimmt das einen ein bisschen mit, und im ersten Moment denkt man sich: Hmm, doof. Aber das belastet mich jetzt nicht groß.
Eine Frau, die es ja mit einem anderen Format zu Erfolg geschafft hat, ist Lena Meyer-Landrut. Was denkst Du über sie?
Für mich kam sie bisher immer sehr sympathisch rüber. Sie ist sehr natürlich und ein echt hübsches Mädchen, finde ich. Sie ist auch einfach so, wie sie ist. Es gibt Leute, die sie gerade deshalb mögen, und andere, die sie genau deshalb nicht mögen.
Wäre der Eurovision Song Contest etwas, das Du Dir vorstellen könntest?
Hmm.
Ja?
Ja. (Sarah Engels grinst)
Heißt das, Du setzt jetzt voll auf die Musik? Bevor Du bei DSDS eingestiegen bist, warst Du ja noch in der Schule und hast in einer Pizzeria gearbeitet ...
Also, ich würde nie sagen, dass ich jetzt nie wieder arbeiten gehe. Das mit der Musik ist total schön, und wenn das alles klappt, ist das natürlich super. Aber darauf kann man sich nicht verlassen. Man muss immer damit rechnen, dass es vorbei sein kann. Das hofft man nicht und man arbeitet dafür, dass es nicht so kommt. Ich wünsche mir natürlich, dass ich für immer Musik machen und damit mein Geld verdienen kann. Ich glaube, es gibt nichts Schöneres als das, was man liebt, zu seinem Beruf zu machen.
Aber die Pizzabäckerei muss doch jetzt erst einmal ohne Dich auskommen - oder?
Ja, erst mal natürlich schon. Aber ich werde versuchen, die Schule nebenbei fertig zu machen. Ich muss dann halt ab August, wenn das neue Schuljahr anfängt, die zwölfte Klasse wiederholen.
Es heißt, Du hättest auch ein Angebot bekommen, für eine Kosmetikfirma Werbung zu machen. Was ist da der Stand?
Ja, es gibt wohl ein Angebot von einer Kosmetiklinie, aber was das genau ist, weiß ich noch gar nicht. Auf jeden Fall bin ich sehr interessiert, weil das schon immer auch ein Interesse von mir war.
Zum Schluss muss ich Dich natürlich noch mal nach Pietro fragen. Nachdem Du seinen Heiratsantrag zunächst abgelehnt hast …
Was? Er hat mir doch noch gar keinen Heiratsantrag gemacht.
Nein?
Nein! Wann denn?
Ich habe etwas von einem Antrag in einer Disco oder so gelesen (es war die DSDS-Aftershow-Party nach dem Finale, Anm. d. Red.) …
In einer Disco? Also wenn, dann war das eher ein Scherz-Antrag. Aber einen richtigen Heiratsantrag hat es nicht gegeben. Also, es ist natürlich nicht auszuschließen, dass man heiratet. Aber wir sind ja auch erst 18. Das darf man ja mal nicht vergessen! Aber ich könnte mir eine Zukunft mit Pietro auf jeden Fall vorstellen. Das wünsche ich mir auch. Doch bis dahin ist ja noch Zeit, und das ergibt sich von alleine. Aber da müsste er mir dann wirklich erst einmal einen Antrag machen …
Mit Sarah Engels sprach Volker Probst
Quelle: ntv.de