Über Glück, Gunst, Gelassenheit Yvonne Catterfeld macht's "Lieber so"
22.11.2013, 19:12 Uhr
Von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt: Das alles ist Yvonne Catterfeld. Aber nur zeitweise.
Sie schnieft und hustet und krächzt ein bisschen, aber sie sieht trotzdem entzückend aus. Ja, das ist das richtige Wort. Man kann sich nicht vorstellen, dass Yvonne Catterfeld auch nur einen Bad-Hair-Day haben könnte, trotz Erkältung. Dabei ist sie alles andere als lieblich.
n-tv.de trifft die Künstlerin, die alle immer noch auf einer Schaukel wähnen, während sie die Wolken weiter schiebt, in einer wunderbaren Bar, dem "Lebensstern" im Café Einstein. Der Name passt perfekt zur Künstlerin, denn bei ihr ist man versucht, die Augen mit Sternen zu vergleichen. Wir wollen aber über ihr neues Album sprechen, das ihr Freund, Schauspieler Oliver Wnuk, folgendermaßen beschrieben hat: "... wohl lieber kratzig als schnörkelig, lieber lächelnde Melancholie als knietiefes Tränental. Lieber Stier als Bambi. Kein Image, kein Anbiedern. Hier wird unverblümt gearbeitet. Ungeschminkt und ehrlich. (...) Ihr Erkenntnisstand über das Leben, ihre Erfahrungen, aber vor allem ihre "neue" Stimme verheiraten die Texte mit der Musik auf erfrischende, direkte und kluge Art und Weise." Da is' aber einer verliebt.
n-tv.de: Jetzt drucke ich mir die Fragen schon immer in extra großer Schrift aus und brauch' trotzdem noch 'ne Brille ...
Yvonnne Catterfeld: (kichert) Ist aber eine schöööne Brille!
Danke, ist vom Optiker meines Vertrauens, der zwar nie macht, was ich will, aber am Ende kommt immer was Gutes dabei raus.
Sieht man!
Sie wollen kein Leben, das perfekt ist, singen Sie zumindest auf Ihrem neuen Album. Warum denn nicht?
(lacht) Schwer zu sagen. Es gibt sowieso kein Leben, das perfekt ist, aber wir haben lange im Studio darüber diskutiert, das ist wohl wahr. Generell ist die Suche nach Perfektion wohl überall. Ich suche im Beruf auch nach Perfektion. Das ist so in der Musik und auch in der Schauspielerei - ob das Ergebnis dann perfekt ist, ist wieder was ganz anderes. Aber die Herangehensweise ist da und damit kann man sich ja auch sehr verrückt machen. Im Leben lasse ich die Dinge eher auf mich zukommen. Ich bin sehr dankbar für all die traurigen, blöden, nicht perfekten oder unvollendeten Geschichten in meinem Leben. Das sind die Dinge, aus denen man etwas machen kann.
Der Stoff, aus dem die Texte sind?
Ja, manchmal schon. Da bin ich sehr dankbar für. Dieser Schmerz, den man da erlebt hat, der gehört doch auch zu einem, die Melancholie gehört zu mir. Es wäre ja gar nicht möglich, dass alles nur positiv ist. Und wenn man keine Tiefen erlebt, kann man auch die Höhen nicht erkennen, denke ich. Das wäre doch auch langweilig, oder? Will man es echt nur positiv?
Ach, meinetwegen gerne. Aber das geht tatsächlich nicht. Man kann ja aber aus den nicht so positiven Erlebnissen etwas Gutes machen, indem man daraus lernt.
Ja, genau. In meinem Song "Pendel" geht es eigentlich genau darum. Wenn man so blues-mäßig drauf ist, dann sollte man sich dem auch ruhig mal hingeben, aber man sollte es natürlich schaffen, bewusst daran zu arbeiten, dass alles wieder gut wird. Es wird auch wieder eine andere Phase kommen, sage ich mir dann immer. Mich entlastet das und es erfüllt mich auch wieder mit Hoffnung - zu wissen, dass es wieder besser werden wird. Ich kenne Menschen, die können das Glück gar nicht genießen. Sie können es nicht annehmen, das ist doch traurig.
Ich vergleiche das immer mit einem Berg: Man steigt hoch, es ist anstrengend, dann ist man oben angelangt, sehr glücklich, aber dann weiß man auch, dass das nicht ewig so bleiben kann, da oben. Man sieht ja auch ins Tal. Die Frage ist halt immer, wie man es schafft, nicht ganz runter zu müssen. Ich stehe sehr auf Höhenwanderwege.
(lacht) Ich hab's echt gut, ich kann genießen.
Wie haben Sie es denn geschafft, diese doch recht perfekte Mischung - so wirkt es jedenfalls - zwischen Job und Privatleben hinzukriegen? Sind Sie ein Glückskind?
Ja, ich glaube, im Großen und Ganzen schon. Es ist nicht alles nur Sonnenschein bei mir, und ich bin auch nicht immer sonnig, auch wenn viele das glauben wollen. Aber die Menschen, die mich kennen, die wissen, dass ich auch eine andere Seite habe. Die gehört auch dazu, sonst könnte ich das Leben nicht so empfinden, wie ich es tue. Ich bin jemand, der Up and Downs sehr stark empfindet und auch lebt. Ich bin schon himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Ich denke, ich habe diese beiden Extreme. Und trotzdem krieg' ich die Balance hin, denke ich. Es ist mir so extrem wichtig, meinen Job zu haben und ich denke, ich wäre ohne ihn sehr unglücklich. Ich bin schon ehrgeizig, aber nicht mehr so wie früher, auf keinen Fall verbissen. Ich habe immer eine gewisse Gelassenheit gehabt und eine Vision, schon als Kind.
Singen, schauspielern und Erfolg haben?
Naja, eher: Ich möchte gehört werden. Ich war sehr introvertiert als Kind und ich habe mich sehr zurückgenommen. Die Sehnsucht ist bei mir sehr stark geworden, mich zu äußern, nach außen zu drängen. Als die Schauspielerei dazu gekommen ist, hatte ich endlich das Gefühl, dass das der Ausgleich für alles ist, was ich bisher zurückhalten musste. Dafür, wie ich gewesen bin, ist mein Leben jetzt ein echt großer Gegensatz zu allem, was früher war.
Wie eine Therapie?
Es ist eine große Auseinandersetzung mit sich selbst, das stimmt. Aber das war mein Ventil, um zu mir zu finden. Vor der Kamera darf man alles, man darf sich in verschiedenen Rollen wiederfinden.
Sie sind sehr früh sehr erfolgreich gewesen. Muss man da das alte Image irgendwann abstreifen, unter Umständen so drastisch wie es bei Miley Cyrus gerade zu beobachten ist?
Sie ist sehr provozierend. Aber das finde ich nicht so glaubwürdig. Das ist nicht meins. Bei mir geht das Schritt für Schritt und dieser Prozess ist auch nicht abgeschlossen. Von meiner Seite schon (lacht), aber die Leute sehen immer noch etwas anderes in mir. Ich bin schon viel weiter, aber das ist noch nicht überall angekommen. Dieses Hautabstreifen kenne ich aber aus verschiedensten Phasen. Dieses Album ist jetzt nochmal ein weiterer Schritt. Ich bin immer überrascht, wie viele bei mir vor zehn Jahren stehen geblieben sind. Das ist erschreckend.
Das sind Bilder im Kopf …
Ja, und die bleiben viel länger als alles andere.
Ihr Freund hat den Pressetext für das neue Album geschrieben. Darin beschreibt er unter anderem, dass er das Album nie vorher gehört hat, nicht einen einzigen Song, bis zu dem Tag, an dem Sie es ihm präsentiert haben.
Ja, so war das. Er hat nix gehört vorher, das sollte auch so sein! Ich habe ihm einmal ein Stück vorgespielt, das fand er dann sehr rockig. Die Sängerin könne das ja ganz gut, aber für mich wäre das ja wohl eher nichts, sagte er. Stimmlich würde das nicht passen. Als er dann erfahren hat, dass ich das bin, war er ziemlich platt.
Warum sollte er vorher nichts hören?
Das lag auch daran, dass ich nicht gleich hundertprozentig überzeugt war von dem Konzept und ich musste mich erst mal sortieren. Auf meiner Suche nach dem richtigen Ton für mich und dem richtigen Text habe ich auch oft verzweifelte Momente gehabt, und das Thema deutsche Sprache ist immer wieder heikel. Wir haben zweieinhalb Jahre an dem Album gearbeitet und viele Freunde haben mich gefragt, was ich da eigentlich so mache. Aber ich wollte nicht drüber reden, denn das habe ich allein in mir ausgebrütet.
Schwierig einzuordnen, Ihre Musik, oder?
Ja, ich bin eigentlich auch mit englischsprachiger Musik aufgewachsen und hätte nicht gedacht, dass ich einmal deutsch singen werde. Musik bedeutet für mich vordergründig "englisch", und dann ist eben alles anders gekommen. Aber ich könnte mir das durchaus vorstellen. Das öffnet völlig neue Möglichkeiten. Auf Englisch können Sachen ganz anders oder auch besser funktionieren als auf Deutsch. Auf meinem Album jetzt hab ich auch drei Songs, die so ein bisschen Motown sind - das funktioniert. Das macht Spaß.
Haben Sie ein Lieblingslied auf dem Album?
Ja! Es heißt "So viel mehr als Liebe", das ist ganz großes Kino. Das habe ich selbst geschrieben. Der Text trifft für mich einfach am besten, was ich fühle. Das ist eine Hymne und ich kann den gospelig singen, soulig, rockig ... ich freue mich so darauf, wenn ich den auf einer Bühne singen werde.
Mit Yvonne Catterfeld sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de