Musik

Für immer Punk statt Prince Charming Adam Ant, der Popstar-Prototyp

32370386.jpg

Der Pirat sticht wieder in See: Adam Ant.

(Foto: picture alliance / dpa)

Für die einen ist er eine Posse der 80er, für die anderen Popikone der ersten Stunde. Doch eins ist sicher: In einer gewissen Altersgruppe kennt Adam Ant so gut wie jeder. Die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Prince Charming ist dabei nicht ohne tragische Züge. Nun kehrt er unprätentiös zurück.

Aber natürlich: Die Geschichte der Popmusik fing viel früher an. Mit dem Rock'n'Roll, den Beatles, Hendrix und den Stones. Aber erst Anfang der 80er Jahre war die Genese abgeschlossen. Nun war Popmusik endgültig kein Nischenprodukt mehr, kein auf Jugend- und Protestkultur eingeengtes Phänomen. Sie war angekommen in der Mitte der Gesellschaft und der Alltagswelt breiter Bevölkerungsschichten. Und sie war eine gigantische Industrie. Charts, Clips und nicht zuletzt der 1981 gestartete Sender MTV dienten selbstredend nicht der kulturellen Wohlfahrt. Sie waren Schmiermittel und Brennpaste, um das Geschäft mit der Musik zu ölen und zu befeuern.

AP8104010114.jpg

Den Durchbruch schaffte der Sänger noch mit der Gruppe Adam And The Ants 1980.

(Foto: AP)

Deswegen brauchen Beatles-Fans nicht Sturm zu laufen, wenn man Adam Ant als Popstar der ersten Stunde bezeichnet. Legt man das perfektionierte Pop-System zu Grunde, dann war er es. Und was für einer. In seiner britischen Heimat landete er zwischen 1980 und 1983 - zunächst mit seiner Gruppe Adam And The Ants und anschließend als Solokünstler - zehn Top-Ten-Hits. Auch in Übersee feierte er Erfolge, seien es die USA oder Australien. So ziemlich jeder, der Anfang der 80er zumindest schon lesen, schreiben und Musik aus dem Radio auf Cassetten aufnehmen konnte, wird sich wenigstens vage an Songs wie "Stand And Deliver", "Prince Charming" oder "Goody Two Shoes" erinnern. Und an deren schrillen Interpreten.

Vom Punk zum Star

Der Sänger wurde 1954 als Stuart Leslie Goddard in London geboren. Auf dem Höhepunkt seines Erfolges ging er also bereits auf die 30 zu. Seine Wurzeln hatte er im Punk. Als Kunststudent hing er in der "SEX Boutique" von Designerin Vivienne Westwood und Sex-Pistols-Manager Malcolm McLaren auf der Londoner King's Road ab. Nach ersten musikalischen Gehversuchen mit zwei anderen Bands gründete er 1977 mit drei Mitstreitern Adam And The Ants. Zwei Jahre später erschien ihr düsteres, noch deutlich vom Punk beeinflusstes Debütalbum "Dirk Wears White Socks". Von einem kommerziellen Massenerfolg war der Sänger da noch meilenweit entfernt.

AP100422121085.jpg

Trauer um Malcolm McLaren: Adam Ant (l.) 2010 bei der Beerdigung des Musik-Managers.

(Foto: AP)

Dann kam McLaren ins Spiel. Angeblich drückte Adam Ant ihm 1000 Pfund in die Hand, damit er seine Gruppe managte. Doch die Zusammenarbeit währte nicht lange. Im Gegenteil: McLaren soll den Sänger nicht zuletzt als zu alt für den Musikzirkus empfunden haben. Kurzerhand warb er ihm sämtliche Bandmitglieder ab, um mit ihnen die Gruppe "Bow Wow Wow" zu gründen. Aber er hinterließ auch etwas: Viele der Ideen, mit denen die mit neuen Musikern reformierten Adam And The Ants wenig später den großen Durchbruch schafften, sollen ursprünglich seine gewesen sein - von den treibenden Rhythmen zweier Schlagzeuger bis hin zum Piraten-Outfit. Dennoch hegten die beiden im Nachhinein keinen anhaltenden Groll gegeneinander. Als der Musik-Manager 2010 starb, gehörte auch sein einstiges Kurzzeit-Ziehkind wie selbstverständlich zu den Trauergästen.

Das Album, mit dem Adam Ant und seine neue Truppe schlagartig berühmt wurden, war "Kings Of The Wild Frontier". Es enterte nicht nur Platz 1 der britischen Charts (was damals noch wirklich etwas bedeutete), es mauserte sich in Großbritannien auch zur meistverkauften Scheibe des Jahres 1981, die zudem drei Hit-Singles hervorbrachte. Der eindringliche und als "Burundi Beat" charakterisierte Trommelsound, der weiße Balken über Adam Ants Gesicht und ein Styling, das wirkte, als hätte er sich beim Fasching nicht zwischen Indianer und Freibeuter entscheiden können, sollte zum unverwechselbaren Markenzeichen werden. Oder etwa nicht?

Stilbruch als Programm

Schon das nachfolgende Album stellte einen kompletten Stilbruch dar. Nun präsentierte sich Adam Ant als "Prince Charming". Doch der Umschwung zu dem, was Musikjournalisten später als "New Romantic" charakterisieren sollten, gelang. Abermals stürmten Adam und seine Ants die Charts. Mit "Stand And Deliver" befand sich auf dem Album zudem der Song der Gruppe, der vielen bis heute vielleicht am besten im Gedächtnis haften geblieben ist.

antstand.jpg

Adam Ant im Video zu "Stand And Deliver" - so erinnern sich viele an ihn.

(Foto: CBS / Sony Music)

Prompt folgte die nächste Zäsur. Der Sänger trennte sich von nahezu seiner gesamten Band. Nur sein Gitarrist und Songwriting-Partner Marco Pirroni blieb im Hintergrund mit an Bord. Aus Adam And The Ants wurde der Solist Adam Ant. Kriegsbemalung und Kostümierung waren passé. Und auch der Sound änderte sich wieder einmal gravierend. Auf dem nicht einmal ein Jahr nach "Prince Charming" veröffentlichten Album "Friend Or Foe" waren ebenso Bläser-Klänge wie Rockabilly- und Musical-Anleihen zu hören. Und mit "Goody Two Shoes" beinhaltete es noch einmal einen großen weltweiten Hit für den Sänger - ehe sein Stern am Pop-Himmel allmählich zu verblassen begann.

Daran änderte auch nichts, dass sich Adam Ant für den Titelsong seines nächsten Albums "Strip" die Klamotten vom Leib riss. Man ahnt es bereits: Das Image wandelte sich - unter Mithilfe von Phil Collins als Produzent der beiden Single-Auskopplungen - erneut. Statt Bläser setzte es synthetische Streicher, statt Power-Pop eher Schmuse-Sound. Und auch bei seinem letzten Album vor einer ersten mehrjährigen Auszeit wusste der Sänger noch einmal zu überraschen: "Vive Le Rock" machte seinem Namen alle Ehre. Nun hatte sich Adam Ant zum Rocker gemausert - inklusive Lederjacke und schwarz gefärbter Haartolle. Beim Publikum fiel diese abermalige Kehrtwende endgültig durch. Das war 1985.

Im Sog der Maschine

Nicht nur der Zeitpunkt seines Aufstiegs und sein anfänglicher Riesenerfolg machten Adam Ant zum Prototyp des Popstars. Der Verlauf seiner Karriere ist geradezu ein Paradebeispiel für den Sog der Musikmaschine, die in diesen Tagen entstand. Der Druck zu stetiger Veränderung wuchs, erst recht mit dem Aufkommen der Videos. Allein Sänger, Sängerin oder Band zu sein, reichte nicht mehr. Wer ein Star sein wollte, musste dem auch visuell gerecht werden. Doch was gestern hip war, ist jetzt schon wieder out. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil - Lady Gaga braucht ihr Fleischkleid ganz sicher kein zweites Mal aufzutragen.

adamantpince.jpg

Mit und ohne seine Ants verkaufte der Sänger mehr als 15 Millionen Platten - eine davon war "Prince Charming".

(Foto: CBS / Sony Music)

Adam Ant war zugleich Opfer und Förderer dieser Entwicklung. "Ich will Millionen Platten verkaufen", offenbarte er nach eigener Erinnerung einst Malcolm McLaren. Dass ihm das tatsächlich gelingen sollte, verdankte er nicht zuletzt seinem Spiel auf der Klaviatur der neuen Pop-Prinzipien. Doch Adam Ant überdrehte - bewusst oder unbewusst, gewollt oder von den Plattenbossen dazu gedrängt. Am Ende war unklar, wofür er steht. Statt als schillernden Star von einst nahmen ihn am Ende viele als allzu schrägen Vogel der ohnehin schon schrägen 80er wahr. Auch wenn es nur das vorläufige Ende war.

Nach "Vive Le Rock" wandte sich der Sänger erst einmal vom Musikgeschäft ab. Frustriert und deprimiert, wie es hieß. Er widmete sich der Schauspielerei - mit durchwachsenem Erfolg. 1990 meldete er sich musikalisch zurück - mit dem an damals aktuellen House-Klängen orientierten Album "Manners & Physique" und der Single "Room At The Top", die ihrer Textzeile "There's always room at the top" nur bedingt gerecht wurde. Immerhin schaffte es der Song bis auf Platz 13 der britischen Charts. Es folgte ein Album namens "Persuasion", das auf Grund von Streitigkeiten mit der Plattenfirma nie offiziell veröffentlicht wurde, und 1995 schließlich Adam Ants bis dato letztes Studioalbum "Wonderful". Darauf zelebrierte der nun bereits 40-jährige Sänger entspannt-erwachsenen Pop mit vielen akustischen Elementen. An einen größeren Charts-Erfolg war dabei nicht zu denken.

Vom Vater zum Gespött

Dann wurde es endgültig still um Adam Ant, wenngleich nur musikalisch. 1998 wurde er Vater. Vier Jahre später wurde er zum Gespött. Nachdem ihn die Besucher eines Pubs wegen seines Cowboy-Aufzugs veräppelt hatten, rastete der Sänger aus. Er zertrümmerte die Scheibe der Kneipe und bedrohte die Gäste mit einer Pistolenattrappe. Nach seiner Verhaftung kam er jedoch nicht in den Knast, sondern in psychiatrische Behandlung. Denn Adam Ant ist krank. Bereits nach einem Selbstmordversuch mit 21 wurde bei ihm eine bipolare Störung attestiert. Mit anderen Worten: Er ist manisch-depressiv.

RTXLJRP.jpg

Am Tiefpunkt: Adam Ant nach seiner Verhaftung 2002 auf dem Weg zum Gericht.

(Foto: REUTERS)

Aus seinem Handicap macht der Sänger keinen Hehl. Im Gegenteil. In vielen Interviews hat er dazu Stellung genommen und um Verständnis für Menschen mit psychischen Erkrankungen geworben. Jahrelang nahm er Psychopharmaka mit den entsprechenden Nebenwirkungen: Apathie, Schlaflosigkeit, Trieblosigkeit, Gewichtszunahme, Haarausfall. Eine Zeit, in der er sich aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückzog. Die Geschichte vom einstigen Prince Charming, Frauenschwarm und Lover von Jamie Lee Curtis und Heather Graham hat in Wahrheit tragische Züge.

Erst 2007 wagte er wieder einen Auftritt - den ersten nach elf Jahren. In einem kleinen Theater in London präsentierte er einige Songs und las aus seiner wenig zuvor veröffentlichten Autobiografie. Allmählich reifte in ihm der Gedanke und Mut, noch einmal ins Rampenlicht zurückzukehren. Seit rund zweieinhalb Jahren steht Adam Ant wieder regelmäßig auf der Bühne. Nicht nur die britischen Inseln hat er inzwischen mehrfach landauf, landab mit seiner neuen Band bereist, auch in Australien und den USA gab er Konzerte - mehr oder minder erfolgreich. Doch zumindest seine Landsleute haben ihn nicht komplett vergessen. Bereits am 21. Januar 2013 erschien in Großbritannien Adam Ants erstes Studioalbum seit 17 Jahren, das nun am 1. März auch in Deutschland veröffentlicht wird. "Adam Ant Is The Blueblack Hussar In Marrying The Gunner's Daughter" lautet sein Bandwurm-Titel. In den britischen Charts erreichte es Platz 25.

Der ausgestreckte Mittelfinger

Immerhin. Denn der Sänger hat das Album komplett in Eigenregie realisiert. An Angeboten großer Plattenfirmen, seine Rückkehr als fulminantes Comeback zu vermarkten, dürfte es nicht gemangelt haben. Doch Adam Ant verspürte offenbar nicht den Drang, wieder in die Rolle des Prince Charming der Pop-Maschinerie zu schlüpfen. "Marrying The Gunner's Daughter" ist ein alter Seemannsslogan. Er steht für die Bestrafung eines Matrosen, indem man ihn auf eine Kanone bindet und auspeitscht. Der Albumtitel, so der Sänger, sei eine Metapher für seine Behandlung durch die Musikindustrie.

32370373.jpg

Die Popikone von einst will er offenbar nicht mehr sein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Auch musikalisch verweigert sich Adam Ant der Reinkarnation der Popikone. Er habe sich ganz bewusst für einen analogen Sound entschieden, erklärt er, weshalb viele Songs auf dem Album schon fast nach Demoversionen und Garagenaufnahmen klingen. Statt geschliffener Popsongs erwartet den Hörer Punk-Attitüde. Nostalgiker werden sich selig in das Schallplatten-Zeitalter und die Selfmade-Ära der Musik zurückgebeamt fühlen. Wer indes nur noch durch arrangierte und glatt digitalisierte Produktionen gewöhnt ist und erwartet, wird über das Album den Kopf schütteln.

Zu all dem passt das zugehörige Erscheinungsbild. In "Goody Two Shoes" äffte Adam Ant einst die Fragen der Reporter nach: "You don't drink, don't smoke - what do you do?" Jetzt zeigt er sich ebenso mit Kippe im Mund, wie er dazu steht, sich nach langer Abstinenz ab und an mal wieder einen Drink zu genehmigen.

Seine alte Piratenjacke hat der mittlerweile 58-Jährige dabei so übergeworfen, als wäre er eine Parodie seiner selbst. Wie man mit fast 60 denn noch dazu komme, wollte der "Telegraph" von ihm wissen. "Kein Quatsch: Mit Blick auf die Symptome der bipolaren Störung entsprechen die akuten Alarmzeichen praktisch meiner Jobbeschreibung: Promiskuität, Geldverschwendung, abgedrehte Klamotten", erklärte Adam Ant daraufhin. Keine Frage, dieser Mann ist ein klein wenig verrückt. Wie der Popstar-Prototyp sich jedoch ebenso unprätentiös wie mit ausgestrecktem Mittelfinger im Musikzirkus zurückmeldet, verdient dennoch - oder gerade deswegen - Respekt.

Das Album "Adam Ant Is The Blueblack Hussar In Marrying The Gunner's Daughter" bestellen

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen