Eros Ramazotti zieht Bilanz "Das perfekte Leben gibt es nicht"
26.04.2015, 10:59 Uhr
Eros beherrscht die Showtreppe.
(Foto: imago stock&people)
Der Maestro hat eine halb so alte Ehefrau, zwei kleine Kinder und mit der Erstgeborenen Aurora eine Tochter, die in Italien selbst ein Star ist. Und auch bei seiner Musik zeigt die Formkurve sanft nach oben. Das süffige "Un alta Estate", das angerockte "Alla Fine del Mondo" oder das verträumte "Tra Vent'anni" präsentieren einen motivierten, von spielfreudiger Band begleiteten Eros, dem es gut tut, wieder mit dem langjährigen Kreativpartner Claudio Guidetti zusammengearbeitet zu haben. Zwar ohne richtige Hits, aber auch ohne Leerlauf, ist "Perfetto" eine gelungene Rückbesinnung auf musikalisch vergleichsweise Gehaltvolles. Wir unterhielten uns mit Eros Ramazzotti, der Jeans, T-Shirt und Sneakers trägt in seinem Studio "L'Isola", das im Süden von Mailand versteckt in einem Hinterhof liegt.
n-tv.de: Eros, ist "Perfetto" das perfekte Album?
Eros Ramazzotti: Nein, sicher nicht. "Perfetto" ist ein sehr gutes und ein sehr positives Album. Die Texte sind sehr detailliert, und nach längerer Pause habe ich wieder mit meinem Stammpartner Claudio Guidetti zusammengearbeitet. Wir haben uns mit den Liedern sehr viel Mühe gemacht, und ich denke, es steckt sehr viel Qualität in dieser Platte.
Ihr habt ein eher traditionelles Album aufgenommen, ohne elektronischen Schnickschnack vom Computer.
Ja! Danke, dass Sie das erwähnen. Das war mir sehr wichtig. Auch, wenn das allgemein üblich ist jetzt, gibt es auf "Perfetto" sehr wenig Elektronik. Dafür echte Instrumente, schöne Lieder und starke Melodien.
Haben Sie dieses Mal absichtlich auf Duette verzichtet?
Ja, das war eine bewusste Entscheidung. Alle machen Duette, auch ich habe ein paar veröffentlicht, das ist nichts Besonderes mehr. Au f "Perfetto" müssen Sie mit Eros Vorlieb nehmen (lacht).
Heißt Ihr Album auch deshalb "Perfetto" weil Sie ein perfektes Leben haben?
Ich bin glücklich, doch ich glaube, dass es das perfekte Leben nicht gibt. "Perfetto" ist einfach ein geflügeltes Wort, ich sage das zigmal am Tag, und außerdem ist das ein schöner kurzer Albumtitel, den alle Menschen auf der Welt verstehen und der die Lebensfreude zum Ausdruck bringt, die ich in mir spüre.
Ihnen geht es also sehr gut?
Ja, ich kann mich nicht beklagen.
Wir haben uns vor sechs Jahren hier schon einmal unterhalten. Damals wirkten Sie ziemlich unglücklich.
Ja, wirklich? Was habe ich denn gesagt?
Sie sagten, dass Sie sich einsam fühlten und seit Jahren vergeblich versuchten, nach der Trennung von Michelle Hunziker eine neue Beziehung aufzubauen.
Vielleicht habe ich auch ein wenig übertrieben (lacht). Richtig einsam war ich ja nie, ich hatte meine Tochter, meine Freunde, meine Musik. Ich denke, dass letztlich beides zum Leben dazugehört: die Enttäuschungen und das Glück.
Sind Sie dennoch froh, nicht mehr Single zu sein?
Ich staune, wie wunderbar sich alles gefügt hat. Man kann sagen, dass ich das nicht unbedingt erwartet hätte. Ich war nie ein Mann, der sich schnell bindet, ich brauche Vertrauen.
Sie sind nun seit einem Jahr mit Ihrer zweiten Frau, dem Model Marica Pellegrinelli verheiratet. Wie läuft es?
Perfekt. Meine Frau hat mich gerettet, vor allem vor mir selbst.
Wie meinen Sie das denn?
Ich kenne Menschen, einige sind als Künstler tätig, andere haben komplett andere Berufe, die haben keine Partnerin oder keinen Partner. Und sie nehmen dann schon mal schneller falsche Ausfahrten. Ich habe beobachtet, dass ungebundene Menschen eher vom Weg abkommen als liierte, so schnell kann ja so vieles kaputtgehen. Gerade hier bei uns in Italien haben wir in wirtschaftlicher Hinsicht schwere Jahre hinter uns, und noch immer ist es schwierig.
Sie spüren die ökonomische Krise persönlich?
Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Aber das meine ich ja: Meine Frau ist bei mir, und das ist sehr wichtig. Auch in der Krise ist sie für mich da, sie stützt mich. Bevor Marica und ich uns kennenlernten, gab es für mich neben meiner Tochter Aurora nur die Musik. Nun habe ich einen Ausgleich, kann besser abschalten.
Das klingt jetzt etwas, nun ja, unleidenschaftlich. Und nicht besonders Italienisch.
Nein, so ist es nicht gemeint. Mein Leben hat sich, seit ich mit Marica zusammen bin, um 180 Grad gedreht. Jetzt bin ich ein überglücklicher Ehemann und Vater zweier kleiner Kinder. Das Leben hält immer wieder Überraschungen bereit, und für mich waren diese Überraschungen in den letzten Jahren sehr, sehr schön.
Sie besingen in ihrem neuen Lied "Un'alta Estate" wie Sie erst am Strand und dann im Meer Liebe machen. Kennen Sie sich damit aus?
Das ist eine häufig wiederkehrende Vision, die ich habe.
Eine Sexphantasie?
Herrje (lacht). Wenn Sie das so nennen wollen, dann ist das wohl so. Tatsächlich habe ich keine Erfahrung mit Sex im Meer. Ich hatte mir bei dem Text überlegt, auf welche Weise ich einen besonders schönen Tag für einen Mann beschreiben könnte.
Schnappen Sie sich doch mal Ihre Frau und fahren Sie ans Meer.
Es wäre schon ein Traum von mir, ja. Sehr oft, wenn ich mir vorstelle, wie sich zwei Menschen lieben, lande ich mit meinen Gedanken am Strand und im Wasser. In Deutschland ist die Inspiration vielleicht eine andere. Ich kann mir vorstellen, dass der Starnberger See oder die Nordsee für die Liebe oft zu kalt sind. (lacht)
In einem anderen Songtext, dem von "Rosa nata ieri", stellen Sie sich vor, wie sich Ihre aktuell dreijährige Tochter Raffaela um Sie kümmert, wenn Sie alt sind.
So wird es vermutlich kommen, dafür brauchte ich vergleichsweise wenig Phantasie. Ich bin 51 Jahre alt und finde den Gedanken sehr schön, dass mich die Kinder umhegen, wenn ich keine Kraft mehr habe. Ich hoffe, ich werde die Kinder noch sehr lange im Leben begleiten und auch mit ihnen Fußball spielen können, denn sie sind das wichtigste für mich im Leben. Und dieses Lied kommt wirklich direkt aus meinem Herzen. Als Künstler ist man gezwungen, sehr im Außen zu leben, aber meine Inspiration bekomme ich definitiv eher aus meinem Inneren, aus dem Privaten.
Sie sind gerade zum dritten Mal Vater geworden. Werden Sie mit jedem Kind gelassener?
Nein, entspannt bin ich nie, was die Kinder angeht. Man muss immer aufmerksam sein. Wir müssen unseren Kindern die wichtigsten Punkte und Werte des Lebens beibringen, das ist bei allen Kindern gleichermaßen wichtig. Vor allem muss man die Kinder durchs Leben begleiten und für sie da sein.
Obwohl Ihr Sohn Gabrio vor zwei Monaten auf die Welt kam, sind Sie schlank und gut trainiert. Ungewöhnlich für einen frischgebackenen Vater.
Bei Aurora damals vor 18 Jahren habe ich tatsächlich einen kleinen Bauch bekommen. Ich war etwas dicklich. Bei Raffaela war es schon besser, und jetzt bei Gabrio habe ich überhaupt nicht zugenommen. Ganz im Gegenteil: Ich habe in kurzer Zeit fasst zehn Kilo verloren.
Wie haben Sie das denn geschafft?
Erstens passe ich besser auf, und zweitens habe ich meine Ernährung verändert. Der Ernährungsberater von Juventus Turin, meinem Lieblingsteam, kümmert sich seit zwei Jahren darum, dass ich viel Sport mache und gut esse. Meine Mahlzeiten sind jetzt sehr grün. Ständig gibt es nun Gemüse.
Und das halten Sie aus?
Der Trick ist, dass ich an einem Tag pro Woche essen darf, was immer ich will. Eis, Pizza, Pasta und Wein. Aber an den anderen Tagen muss man strikt der Diät folgen. Früher habe ich ständig irgendwas gegessen, Kleinigkeiten neben den Mahlzeiten, und ich habe mehr Wein getrunken. Ist alles nicht gut: Man schläft schlechter, wird fett und schneller alt. Ich bin aber kein Asket geworden, keine Sorge. Ein Bierchen hin und wieder beim Fußballgucken ist auch erlaubt.
Kochen Sie selbst?
Nein, das überlasse ich meiner Frau Marica. Sie kann das viel besser als ich. Was natürlich auch wieder eine Gefahr ist.
Ihre Tochter Aurora aus der ersten Ehe mit Michelle Hunziker macht jetzt selbst Karriere. Wie finden Sie das?
Aurora macht das toll, sie ist eine junge Frau, die keine Angst hat. Wenn sie eine Kamera sieht, dann haut sie nicht ab, so wie ich, sondern sie geht offen und direkt darauf zu. Ich bin sehr stolz auf sie, sie wird ihren Weg finden.
Als was?
Ich kann Vorschläge machen, ein kleines bisschen hört sie auch noch auf ihren Vater, aber sie wird das selbst entscheiden. Aurora hat zwei berühmte Elternteile, was immer sie machen möchte, muss sie aus vollster Überzeugung tun. Sie sollte zu hundert Prozent darauf vorbereitet und konzentriert sein. Das ist eine schwierigere Situation als bei Kindern, die keine prominenten Eltern haben.
Findet Aurora Sie cool?
Sie ist stolz auf mich. Ich bin ein Mann, der sich seinen Erfolg selbst gebildet hat, der sich alles erarbeitet hat. Das findet sie stark.
In der schönen Pianoballade "Tra Vent'anni" blicken Sie auf den Eros Ramazzotti in 20 Jahren. Sie werden dann 71 sein. Ist alt werden doof oder okay?
Alt zu werden ist nicht gut, aber auch ich werde es nicht verhindern können. Ich habe jetzt eine junge Frau und fühle mich jünger als früher und ganz sicher jünger als 51. Das Leben wird weitergehen, die Zeit lässt sich nicht aufhalten oder zurückdrehen. Ich halte es für wichtig, immer etwas zu tun zu haben, engagiert zu sein, dann bleibt man eher gesund, als wenn man nur faul ist.
Worüber singen Sie in "Il Tempo Non Sente Ragione"?
Der Song handelt davon, die wichtigen Dinge in guten Zeiten zu regeln und alle Möglichkeiten zu ergreifen, die das Leben bereithält. Damit man später nichts bereut.
Was bereuen Sie?
Eigentlich nichts. Vielleicht, dass ich kein Fußball mehr spiele mit den Jungs. Dafür bin ich leider zu alt.
Mit Eros Ramazzotti sprach Steffen Rüth
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Eros Ramazotti ist vom 2. Oktober bis 5. November auf Tour in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Quelle: ntv.de