Wieder vereint: Angus & Julia Stone Eigene Songs sind jetzt tabu
01.07.2014, 10:05 Uhr
Ist man zu zweit nicht doch kreativer?
Jeder pro Platte nur maximal sechs Songs - das war für das australische Geschwisterpaar Angus & Julia Stone vor rund zwei Jahren nicht mehr denkbar. Im Jahr 2010 war noch ihr zweites Album "Down The Way" erschienen, 2012 dann wurde die Arbeit an einer neuen Platte auf unbestimmte Zeit verschoben. Stattdessen veröffentlichten beide ein Soloalbum und gingen allein auf Tour - bis plötzlich Starproduzent Rick Rubin auftauchte, der von Johnny Cash und Neil Diamond über Red Hot Chili Peppers und Rage Against The Machine bis zu Jay-Z und Eminem alles produziert, was Rang und Namen hat. Wie es nach monatelangem Zögern doch zu Album Nummer drei kam, das den Titel "Angus & Julia Stone" trägt und am 1. August 2014 veröffentlicht wird, darüber sprachen die beiden mit n-tv.de in Berlin.
n-tv.de: Eigentlich wolltet ihr nicht mehr zusammenarbeiten, weil jeder mehr kreativen Raum für sich selbst brauchte ...
Julia Stone: Wir hatten sieben Jahre lang zusammengearbeitet und waren gemeinsam auf Tour. Danach war klar, dass es Zeit für unterschiedliche Wege war. Doch dann kam Rick Rubin zu meinem und zu Angus' Solokonzert in Los Angeles. Am nächsten Tag lud er mich zu sich ein und plauderte mit mir über mein Leben, meine Musik. Das Gleiche machte er mit Angus. Dann begann er darüber zu sprechen, er glaube, wir wären dazu bestimmt, gemeinsam kreativ zu sein. Und wenn jemand wie Rick so etwas sagt, denkt man irgendwann selbst auch: Vielleicht ist da tatsächlich etwas dran. Wir brauchten aber sechs Monate, uns damit anzufreunden, wieder viel Zeit miteinander zu verbringen und eine neue Platte zu machen.
Was hat euch am meisten zögern lassen?
Angus Stone: Wir hatten gerade erst die Entscheidung getroffen, jeder für uns zu sein. Du kommst nach so vielen gemeinsamen Jahren an diesen Punkt, dass du unabhängig sein und dein eigenes Ding machen willst. Es war für mich erst ein Schock, dass ich mein Leben schon wieder umorganisieren sollte. Es brauchte Zeit, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen.
Julia Stone: Wir sind beide Menschen, die sich sehr langsam bewegen. Von außen sieht man nur, dass wir ein hektisches Leben führen, von Stadt zu Stadt reisen. Aber Entscheidungen treffen wir immer sehr langsam. Auch für die Entscheidung, dass wir unsere eigenen künstlerischen Wege gehen wollten, brauchten wir ungefähr ein Jahr. Wir lassen Dinge lange sacken, bis sie sich richtig anfühlen, wir überstürzen nie etwas.
Tut ihr euch mit allen Entscheidungen so schwer?
Julia Stone: Nein, nicht mit allen. Es kommt mir in den Sinn, dass ich nach Indien fliegen will, und ich buche sofort einen Flug und kümmere mich um ein Visum. Da denke ich kein zweites Mal drüber nach. Aber das mit Angus ist eine Lebensentscheidung. Du bist so vertraut miteinander, du bist daran gewöhnt, den anderen um dich zu haben. Dann gewöhnt man sich daran, allein zu sein. Und dann sollst du dich wieder an das Gegenteil gewöhnen.
Habt ihr musikalische Veränderungen nach den Soloausflügen an euch festgestellt?
Julia Stone: Wir hatten vorher nie zusammen wie eine Band gejammed - im Studio einfach drauflos gespielt und Spaß dabei gehabt. Wir hatten davor überhaupt noch nie probiert, wirklich zusammenzuspielen, außer bei den Soundchecks vor Konzerten. Es war eine neue Offenheit zwischen uns. Als ich jünger war, wollte ich Angus' Vorschläge nicht hören. Wenn er mir heute was sagt, denke ich: Ja, gute Idee, das probiere ich morgen aus. Die Zeit auseinander hat mir geholfen, unabhängiger und selbstbewusster zu werden.
Das klingt wahnsinnig harmonisch: Gab es nie Unstimmigkeiten im Studio?
Angus Stone: Nein, es war ziemlich gemütlich. Es ist immer noch gemütlich.
Gibt es mit Blick auf die Musik etwas, was ihr am anderen bewundert?
Julia Stone: Mich hat es schon immer verblüfft, wie Angus unglaublich komplexe Gefühle poetisch und doch verständlich ausdrücken kann. Immer wenn ich ihn einen neuen Song singen höre, denke ich: Wie bist du nur auf diese Worte gekommen? Ich bin da ganz anders. So wie ich jetzt in diesem Interview die ganze Zeit rede und zehn Minuten brauche für das, was ich sagen will. Das ist auch in meinen Songs so. Manchmal wäre ich gern präziser.
Ihr habt für euer neues Album das erste Mal die Songtexte gemeinsam geschrieben. Hattet ihr dazu die gleichen Themen und Ideen im Kopf?
Julia Stone: Bei "Heart Beats Slow" singe ich einen Teil des Songs und Angus einen anderen. Wir haben nie darüber gesprochen, wovon der Song handelt. Es ist lustig, wir sprechen niemals über die Dinge, die wir vertonen. Nur in Interviews. Das ist immer sehr interessant. Man erfährt etwas über einen Song des anderen und denkt: Oh, das habe ich nie gewusst. Es ist immer eine Überraschung für mich, wenn ich dann höre, worüber Angus singt. Es ist nicht unser Ding, über unsere Songs zu sprechen. Wir hängen ab, spielen Tennis, schauen Filme.
"Heart Beats Slow" klingt wie ein Abschiedssong für eine verflossene Liebe. Kann man ein solches Lied gemeinsam texten?
Julia Stone: Wir führen beide Leben, in denen man ständig Goodbye sagen muss, weil man von einem Ort zum anderen reist. Insofern haben wir ähnliche Erfahrungen damit, uns von Liebhabern zu verabschieden. Ich schrieb den Song darüber, missverstanden zu werden. Ich sprach mit einem Freund darüber, was wir wären, wenn wir Tiere wären. Ich sagte, ich wäre ein Kolibri - ich mag ihr Brummen. Und er antwortete, die Flügel eines Kolibris schlügen so schnell, dass man es kaum sehen könne. Ich war traurig, als ich merkte: Er denkt, ich bewege mich so schnell, dass niemand sehen kann, wer ich bin. Daraufhin schrieb ich meinen Teil für "Heart Beats Slow": "You said I move so fast that you can hardly see. You said I move so fast, how could you be with me." Es ist dieser Gedanke, dass mich niemand will, wegen des Tempos, in dem ich mein Leben lebe. Dabei bewege ich mich in meinem Herzen so langsam.
Angus Stone: Und ich ging zum Arzt und er sagte, mein Herz schlage langsam.
Das mit dem Jammen und in der Band spielen, war das Rick Rubins Idee?
Julia Stone: Als wir uns die ersten Male trafen, fragte er mich: Entstehen eure Songs gemeinsam? Ich sagte: Nein, nie, wir arbeiten streng getrennt. Er sagte: Interessant. Mehr nicht. Aber ich dachte danach: Das ist tatsächlich interessant. Wir haben sieben Jahre lang gemeinsam Musik gemacht und nie wirklich zusammengearbeitet. So arbeitet Rick: Er pflanzt dir einen kleinen Gedanken ein. Und dann fängst du an zu grübeln.
Brachte er noch etwas anderes in eure Musik ein, das ohne ihn nicht da gewesen wäre?
Julia Stone: Er gab unserem Sound definitiv mehr Groove und Drum and Bass. Wenn wir die Platte selbst gemixt hätten, hätte sie sicher sehr anders geklungen. Er mag auch sehr lauten Gesang, das waren wir erst nicht gewöhnt, uns so laut aus dem Song rauszuhören.
Angus Stone: Wir hatten vorher noch nie mit einem Produzenten gearbeitet. Erst haben wir überlegt, ob es so wird wie im Film, wo der Produzent plötzlich alles über den Haufen wirft und sagt: Los, schreib mal einen anderen Text. Aber Rick wollte nur, dass wir Teil seiner Energie wurden. So arbeitet er: Er hat so viel Energie und trägt dich mit.
Mit Angus & Julia Stone sprach Nadine Emmerich
Quelle: ntv.de