"Das Klassentreffen war ein Schock" Lionel Richie sagt mal wieder "Hello"
06.02.2015, 17:20 Uhr
Lionel Richie hat keine Lust auf ein Album mit schon oft gehörten Jazz-Standards.
(Foto: AP)
"All Hits All Night Long" – der Titel seiner bevorstehenden Tournee ist Programm. Lionel Richie kommt nicht mit einem neuen Album auf Tour, sondern mit seinen alten und etwas jüngeren Hits. Die sind mehr als genug für ein abendfüllendes Unterhaltungsprogramm. n-tv.de traf den 65-jährigen Weltstar in London.
n-tv.de: Mr Richie, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an Ihre bevorstehende Deutschland-Tournee denken?
Lionel Richie: So spontan? Wie toll die Leute es finden, wenn ich ihre lustigen Ortsnamen ausspreche. Badden-Badden zum Beispiel, oder Obbahausen. Die halten sich jedes Mal den Bauch vor Lachen.
Ihre Tournee steht unter dem Motto "All The Hits All Night Long". Wie lange halten Sie denn durch?
Lange! (lacht) 2 Stunden und 30 Minuten werde ich Vollgas geben. Die Besucher bekommen das komplette Programm. Über die Jahrzehnte hat sich doch eine Menge Musik angesammelt.
Ist das Programm dasselbe wie in den USA, wo Sie diese Tournee bereits im letzten Jahr gespielt haben?
Es ist sogar länger. In Europa habe ich zwei Alben mehr herausgebracht als in Nordamerika. Songs wie "Angel" oder "Don't stop the Music" sind drüben nie erschienen. Ihr bekommt also sogar noch mehr Hits als meine eigenen Landsleute. In den USA war ich ja zwischendurch, so vor fünf bis zehn Jahren, ein wenig abgemeldet. Nicht so bei euch.
In den USA haben Sie mit Ihrem 2012 erschienenen und nach Ihrem Heimatdorf in Alabama benannten Country-Album "Tuskegee" einen frischen Schub bekommen. Die Platte war sogar auf Platz eins der Charts.
Unglaublich, oder? Bei "Tuskegee" passte einfach alles. Das Konzept "Lionel singt Country" ist einfach cool. Und deshalb machen wir das nochmal.
Sie arbeiten also an "Tuskegee 2"?
So sieht's aus. Ich mache gerade zwei Alben parallel. Neben der Fortsetzung von "Tuskegee" plane ich ein sehr junges und modernes Album. Ich will mit coolen Leuten wie Pharrell Williams, Max Martin oder Bruno Mars zusammenarbeiten. Ich habe kein Interesse daran, meine Karriere langsam ausplätschern zu lassen oder so etwas Lahmes wie ein Album mit Jazz-Standards aufzunehmen. Nö. Ich mache lieber Dampf.
Halten Sie sich für den jüngsten 65-Jährigen der Welt?
Kann gut sein. Ich sehe und höre die Zahl "65", aber sie kommt überhaupt nicht in meinem Kopf an, ich stelle keine Verbindung zu ihr her. Ich weiß auch nicht, was mit mir nicht stimmt. Eigentlich bin ich in einem Alter, in dem ich mir allmählich einen Stock besorgen müsste.
Ganz so alt sind Sie jetzt ja auch nicht.
Okay, sagen wir, ich bin definitiv alt genug für diese Nordic-Walking-Stöcke, die ihr Europäer so liebt. Im Ernst, ich sage Ihnen jetzt mal was über das Alter: Im vergangenen Sommer hatten wir Klassentreffen von unserem alten High-School-Jahrgang in Tuskegee, ich bin auch mal hingegangen und war ziemlich geschockt und erschrocken. Wie alt alle geworden sind! Das hat mich wirklich deprimiert, diese alten Gesichter und darbenden Körper zu sehen. Nee, das mache ich nicht mehr bin. Zum 70. schicke ich eine kleine Spende und fertig.
Hoffen wir, dass Ihre Klassenkameraden dieses Interview nicht lesen werden. Was ist denn Ihr Rezept für die ewige Jugend?
Ich habe zwei Rezepte. Erstens: Sport. Zwei Stunden am Tag halte ich mich fit. Ich habe einen persönlichen Trainer, der mich ordentlich schindet, ich laufe, hebe Gewichte, mache Gymnastik, das volle Programm. Das ist richtig heftig. Der Trainer kennt eigentlich nur ein Wort: "Weiter". (lacht)
Und das andere Rezept?
Nicht zu sehr in der Vergangenheit zu leben. Was vorbei ist, ist vorbei und kommt nicht wieder. Je älter du wirst, desto mehr Gepäck sammelst du an, du bereust Dinge und Entscheidungen, du wirst schnell wehmütig. Ich lasse dieses Seelengepäck auf dem Dachboden und versuche jeden Tag so zu leben, als sei es mein erster Tag. Meine größten Vorbilder in dieser Hinsicht sind Harlow und Sparrow, meine beiden Enkelkinder.
Die beiden sind sechs und fünf Jahre alt. Singen Sie mit ihnen?
Da haben die total keinen Bock drauf. Ich stand vor Kurzem mit Joel (Madden, Sänger von Good Charlotte und Mann von Lionels Tochter Nicole Richie) zusammen auf der Bühne. Und zwar in Australien, Joel sitzt dort in der Jury zu "The Voice". Wir sangen gemeinsam "Easy", Nicole und die Kinder guckten zu, und da haben die zum ersten Mal mitbekommen, was ich mache. "Wieso singt Papap?" fragten sie Nicole. Die beiden waren wirklich sehr verblüfft.
Jetzt, da sie nach und nach herausfinden, womit Sie Ihr Geld verdienen, fordern die Enkel bestimmt Schlaflieder ein, oder?
Von wegen. Ich würde ja gerne. Ab und zu probiere ich es und stimme "Penny Lover" an. Finden die langweilig. "Nö, Papap", kommt dann. Sie wollen lieber mit mir ringen und sich von mir kitzeln lassen.
Was sagt Nicole dazu?
Sie schimpft und ist sauer auf mich. Ist ja klar, mit dem Kitzeln mache ich die beiden wieder richtig wach. Nicole findet, ich versage bei meinen Opa-Qualitäten, aber ich selbst finde mich super.
Ihr Sohn ist 20, Ihre jüngere Tochter 16. Wie schlagen Sie sich als Vater?
Ganz okay, denke ich. Mein Sohn ist jetzt erwachsen und wird von mir auch so behandelt. Er kommt mit auf Tournee, er macht so eine Art Praktikum bei mir. Ich zeige ihm die Welt, und er findet dabei heraus, wo er hinwill in seinem Leben. Dem Jungen steht das Leben offen, er hat alle Möglichkeiten und kann in Ruhe entscheiden. Bei mir war es damals ganz anders: Ich komme aus einer kleinen Welt, meine Mutter war Lehrerin, mein Vater Arbeiter. Ich habe mir meine eigene Welt selbst erschließen müssen.
Würden Sie alles genauso machen, wenn Sie selbst noch mal 20 wären?
Mit 20 hatte ich natürlich noch keinen Schimmer, was mit meinem Leben passieren würde. Wir hatten da diese Band namens The Commodores, aber es war noch nicht sicher, was daraus werden würde. Meine Zukunft klar gesehen habe ich erst mit etwa 23 oder 24.
Sie sind speziell in den arabischen Ländern sensationell erfolgreich. Kommt man dort mit "Liebe" noch weiter?
Ich kenne mich weder mit Politik noch mit Religion besonders gut aus, und vieles, was dort passiert, ist schockierend und zum Verzweifeln. Aber ich weiß, dass Songs Menschen verbinden. Sunniten und Schiiten, Palästinenser und Israelis – sie kommen nicht miteinander aus, doch in einer Sache sind sie sich einig: Sie singen mit zu "Three Times a Lady", "Hello" oder "Truly".
Sie sind der Meister der Romantik …
Meister der Romantik? Großartig. Das muss ich mir merken.
Kommt es vor, dass Freunde Sie in Liebesdingen um Rat bitten?
Ich bin nicht gut, wenn es kompliziert wird. Jungs, die in meinem Konzert auf die Bühne kommen und ihrer Freundin einen Heiratsantrag machen – das passiert immer wieder und da helfe ich gern. Aber meinen Freunden gebe ich keine Beziehungstipps. Wenn es nachher schiefgeht, bin ich schuld und die Verantwortung möchte ich nicht übernehmen. Ein Freund hat mich tatsächlich einmal in einer sehr persönlichen Angelegenheit um meine Meinung gebeten und mich den "König der Herzen" genannt. Ich sagte ihm: Wenn ich wirklich der König der Herzen wäre, warum bin ich dann zwei Mal geschieden? (lacht)
Sie sind seit gut zwei Jahren mit der Schauspielerin Lisa Parigi zusammen. Ist eine dritte Hochzeit drin?
Ach, das gehe ich sehr langsam an. Im Englischen sagt man "falling in love", wenn man sich verliebt. Meine Devise lautet "crawling in love", ich taste mich ganz vorsichtig voran und möchte auf keinen Fall irgendwas überstürzen.
Wie viele Jahre wollen Sie noch weitersingen?
Ich setze mir keine Altersgrenze. So ein bisschen orientiere ich mich an Mick Jagger. Mick ist einige Jahre älter als ich und so lange der noch so über die Bühne spurtet, kann ich das auch. Es läuft auch gerade wirklich super. Ich hoffe nur, dass ich gesund bleibe. Ich wäre außerdem ein miserabler Rentner.
Warum?
Faulenzen bekommt mir nicht gut. Ich muss immer was zu tun haben, fleißig sein. Ich stehe nicht gerne still.
Wäre so ein Juroren-Job bei "The Voice" oder einer ähnlichen Show nichts für Sie?
Ach, nein. Die Kandidaten singen ja immer nur bekannte Lieder nach. Die machen nichts Eigenes. Die Aufgabe, das zu bewerten, würde mich schnell anöden. Können Sie sich denn einen Mick Jagger oder einen Bob Dylan in dieser Rolle vorstellen? Ich nicht.
Mit Lionel Richie sprach Steffen Rüth
Die Tour beginnt am 7. Februar in Oberhausen und endet am 27. März in Luxemburg
Quelle: ntv.de