Musik

Sternstunden der Musik Mit Tori und Dummy ins Nirvana

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Als Kurt Cobain dem Grunge seinen letzten Stempel aufdrückte, Tori Amos sich vom lieblichen Liedermacher-Image löste und The Prodigy technoide Beats in die Clubs zerrten, tanzten Sound-Liebhaber nahezu aller Genres vor Freude im Dreieck. Ein Blick zurück.

Nirvana - MTV Unplugged

Nirvanas "MTV Unplugged" ist für viele Akustik-Fetischisten der Inbegriff des Unplugged-Konzerts. Ein halbes Jahr vor Kurt Cobains tragischem Freitod beweist die Band, dass sie nicht nur umnebelt von verzerrter Übersteuerung Großes leisten kann. Des Weiteren nehmen die Grunge-Ikonen erneut eine Großveranstaltung zum Anlass, um den geleckten Verantwortlichen im Hintergrund den geschwollenen Mittelfinger zu zeigen; denn bis auf den "Nevermind"-Hit "Come As You Are" verzichten die Mannen aus Seattle  komplett auf das Einb inden gängiger Hits à la "Smells Like Teen Spirit" und Co.

Stattdessen schaufeln sie sich herrlich unbekümmert durch ein famos interpretiertes Potpourri aus eher unbekannten eigenen Songs und Coverversionen. Der vielleicht letzte authentische Aufschrei einer Szene, die ein halbes Jahr später ihren König zu Grabe trägt, schält sich zwar verhältnismäßig leise durch die heimischen Boxen, klingt aber umso länger nach.

Oasis - Definitely Maybe

Die Briten sind nach Kurt Cobains Suizid mit die ersten, die keinen Bock mehr auf Grunge haben. Großspurig wie eh und je feiern die Insulaner im Spätsommer 1994 lieber den eigenen Nachwuchs, und der hat in Gestalt der Gebrüder Gallagher auch so einiges zu bieten.

Mit einer fast schon überreizten Breitwand-Melange aus harmoniegeschwängertem 60s-Pop und kratzigem Garage-Rock stolzieren Oasis hochnäsig durch die Straßen von Manchester.

Dürfen die das? Oh ja, und wie die das dürfen, schließlich pumpt hinter der arroganten und aufgeplusterten Fassade das wohl energiegeladenste britische Rock’n’Roll-Herz seit The Clash. Die Geburtsstunde des Britpop. Vielen Dank.

Portishead - Dummy

Mit ihrem Debütalbum "Dummy" markieren Portishead im Herbst 1994 den Gipfel des sogenannten "Bristol Sound". Abseits des hibbeligeren Schaffens der Trip-Hop-Kollegen Massive Attack und Tricky bedienen sich Beth Gibbons, Adrian Utley und Geoff Barrow tiefenentspannterer Klang-Elemente.

Das führt letztlich dazu, dass am Ende des Jahres in vielen Schlafzimmern von Melbourne bis Los Angeles Songs wie das säuselnde "It Could Be Sweet", der 007-meets-Dita von Teese-Vierminüter "Sour Times" oder das subtile Blechtrommel-Drama "Numb" den Ton angeben.

Mit atmosphärischen Soundscapes, mystischen Dynamik-Spielen und einer Stimme im Vordergrund, bei der selbst der dickste Toblerone-Block dahinschmilzt, schreiben Portishead Elektro-Geschichte.

Soundgarden - Superunknown

Weg vom Punk, hinein ins düstere Grunge-Reich: Mit "Superunknown" verabschieden sich die Mannen um Ausnahmesänger Chris Cornell endgültig von ihren rotzigen Wurzeln und beweisen stattdessen, dass man voluminösem Alternativ-Rock auch mit hochkomplexen Breitwand-Strukturen zu Leibe rücken kann.

Dabei legen die US-Amerikaner die Messlatte in puncto Vielseitigkeit und Durchschlagskraft dermaßen hoch an, dass jeden Frickel-Grunger bereits nach dem ersten Durchlauf die Höhenangst packt. Wer Anfang März 1994 noch der Meinung war, dass in Seattle nur depressiver Hype-Krach das Licht der Welt erblickt, der wird mit diesem Album definitiv eines Besseren belehrt.

The Prodigy - Music For The Jilted Generation

Als Liam Howlett im Jahr 2000 auf das Erfolgsrezept des zweiten The Prodigy-Albums angesprochen wird, sagt der Sound-Nerd aus Essex: "Die Mischung aus Rock, Rap und Funk war bereits salonfähig. Wir schmissen noch eine Ladung Rave hinzu. Wir wollten dem ganzen Crossover-Hype noch einen draufsetzen."

Das Ergebnis: wild umherhüpfende Leiber, die in versifften Hinterhof-Clubs sämtliche Genre-Barrieren ad acta legen. Die Kids sind außer Rand und Band; die Presse verneigt sich. Zwei Jahre später macht die Band mit "Firestarter" den Deckel drauf. Zwei Daumen hoch für einen Beitrag zur musikalischen Völkerverständigung der besonderen Art.

Green Day - Dookie

Nur wenige Alben bleiben in ihrer Gesamtheit auch nach zwanzig Jahren noch so vehement in den Gehörgängen kleben wie das Major-Debüt der Herren Armstrong, Dirnt und Cool.

Ganze drei Wochen benötigten die drei Bubblegu m-Punks aus Kalifornien, um ein knapp vierzigminütiges Drei-Akkorde-Feuerwerk aus dem Boden zu stampfen, welches von vorne bis hinten zum Mitfeiern animiert.

Zwischen breitbeinigem Powerpop und schnodderigem Punkrock finden Green Day die perfekte Nische, vor der letztlich über 15 Millionen Käufer in einer nicht enden wollenden Schlange um Einlass bitten. Klingt ziemlich eng? Ist es auch. Aber wer tanzt schon gerne Pogo ohne Nebenmann? Green Day jedenfalls nicht.

TLC - CrazySexyCool

Während sich die Rock- und Alternativ-Branche über ein Album-Highlight nach dem anderen freut, verschränken die Verantwortlichen poppigerer Sparten zum Ende des Jahres 1994 hin frustriert die Arme. Ein ganzes Jahr für die Katz? Denkste!

Die drei Mädels von TLC haben was dagegen und sorgen kurz vor dem Weihnachtsfeste mit der Veröffentlichung ihres zweiten Albums für den lang ersehnten Genre-Befreiungsschlag.

Hier greifen Pop-, R'N'B- und Hip Hop-Rädchen so perfekt ineinander, dass unterm Tannenbaum selbst hartgesottenste Charaktere zu den Klängen von "Waterfalls", "Creep" oder "Red Light Special" mitwippen.

Tori Amos - Under The Pink

Tori Amos geht auf ihrem zweiten Album einen Schritt weiter. Erstmals vereint mit dem Bösendörfer Flügel und umgarnt von echten Streichern, erweitert die elfenhafte Songwriterin mit dem betörenden Organ ihr liebliches Fundament um pointierte Ecken und Kanten.

Auch wenn die Sängerin bereits zwei Jahre zuvor mit ihrem Debütalbum Singer/Songwriter-Geschichte schrieb, so markiert "Under The Pink" doch den eigentlichen Beginn einer musikalischen Karriere, die zwischen liebreizenden Lasziv-Momenten und psychedelischen Avantgarde-Einschüben gekonnt Nadelstiche setzt. Tori Amos liefert hier Emotionen pur, die jedem Freund mystisch angehauchter Loveletter-Klänge mehr als einmal einen wohligen Gänsehautschauer über den Rücken jagt.

Quelle: ntv.de

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