Ein wahres Märchen Rebecca Ferguson ist in "Heaven"
20.04.2012, 14:36 Uhr
Es war einmal ...
Sie ist "nur" Zweite geworden bei "X Factor". Kein Grund zum Trauern, wahrscheinlich war das sogar gut so. Denn die extrem schüchterne Sängerin aus Liverpool hatte dadurch die Gelegenheit, außerhalb der strengen Beobachtung ein Album aufzunehmen, das Kritiker und Musikliebhaber begeistert.
Liverpool, woran denken Sie da? An den wirtschaftlichen Untergang der 70er und 80er Jahre? Oder daran, dass Liverpool 2008 Europäische Kulturhauptstadt war? Sie denken an den FC Liverpool, oder? John Lennon, Ringo Starr, Paul McCartney, George Harrison? Schon besser, es geht in die richtige Richtung. Es geht um Musik, und wenn es demnächst um Musik aus Liverpool geht, werden Sie an Rebecca Ferguson denken, an eine junge Frau, die mit 17 und mit 19 schwanger wurde und mit so wenig Selbstbewusstsein und Perspektive ausgestattet war, dass sie sich quasi schon mit ihrem Leben am Rande der Gesellschaft abgefunden hatte. Bis sie - woher auch immer - eines Tages (und so fangen alle Märchen an) den Mut fasste, zu einem Casting zu gehen und die dort Anwesenden (u.a. Cheryl Cole und Simon Cowell, die sie für "a dream come true" hielten) mit einer Version von Sam Cookes "A Change Is Gonna Come" von den Stühlen riss.
Ab da ging es bergauf. Mit Rebecca passierte während der Show etwas, das ihr Leben so oder so, mit erstem, zweitem oder zehntem Platz, von Grund auf verändert hat: "Die Show veränderte mich als Person. Ich bin jetzt stark. Singen war immer mein Traum, jetzt gilt ihm meine gesamte Konzentration." Heraus kam nach der Show ein Album, das das Leben und die Seele der 25-Jährigen spiegelt und über das sie sagt: "Mit meinem ersten Album wollte ich einen Punkt erreichen, an dem meine Stimme und meine Songs so gut sind, wie sie nur sein können."
Der schönste Tag
Rebecca Ferguson, die sehr stolz auf ihre Liverpooler Working-Class-Herkunft ist, sagt, dass sie bereits fast die Hoffnung aufgegeben hatte. Sie hatte üble Momente, in denen sie sich fragte, ob es sich lohnt, dem Ideal einer Sängerin hinterherzurennen oder ob sie nicht versuchen sollte, auf andere Weise glücklich zu werden. Sie scheiterte bei einer Castingshow in New York und war am Tiefpunkt, denn ihre Familie hatte sich das Ticket in die USA quasi vom Munde abgespart. Zurück in England schnappte sie sich ihre Kinder und fuhr an den Strand. "Das war der schönste Tag meines Lebens", erzählte sie der "Sun". "Jetzt sehe ich zwar meine Kinder oft nicht, wenn ich für Aufnahmen oder Konzerte unterwegs bin, aber ich kann ihnen ein ganz neues Leben bieten." Zuerst habe sie gedacht, dass ihr Leben - so jung und mit zwei Kindern - quasi vorbei sei. "Aber man muss seine Träume nicht aufgeben, nur weil man Kinder hat. Sie haben mich zum Erfolg getrieben," so Ferguson.
Ihre Songs handeln überwiegend von Liebe, ihre erste Single-Auskopplung "Nothing's Real But Love" erzählt eindrucksvoll, und das sowohl in Text und Gesang, was wirklich wichtig ist im Leben: "Alle sagen immer: 'Geld macht dich nicht glücklich', aber ich dachte mir, dass das leicht gesagt ist, jedoch anders aussieht, wenn du nicht weißt, wovon du den Strom und die Miete zahlen sollst." Aber jetzt, wo es ihr materiell viel besser geht als jemals zuvor, hat sie eine weitere Erkenntnis gewonnen: "Es ist egal, was du besitzt, solange du Liebe in deinem Leben hast."
"Nothing's real but love, no money, no house no car, can beat love," heißt es auch in dem Song, und man möchte ihr das unbedingt abnehmen. Fergusons warme, kraftvolle Stimme schafft mühelos Balladen wie "Teach Me How To Be Loved" und hüpft weiter und höher in schnelleren Stücken wie "Fairytale". Man hat das Gefühl, sie könnte eine ganze Bigband in Grund und Boden singen.
Rebecca Ferguson hat ihr Album zum großen Teil selbst mitbestimmt. Dadurch, dass sie so entwaffnend ehrlich in ihren Texten ist, kann sich der Zuhörer mit ihr identifizieren. Es geht auf der einen Seite um verpasste Chancen, unglückliche Lieben und Hoffnungslosigkeit, auf der anderen Seite machen ihre Texte und die wunderschönen Melodien Mut. Ferguson ist eine Perfektionistin, und wenn sie einmal etwas anfängt, dann zieht sie es auch durch. Nur so ist es zu erklären, dass sie als 17-Jährige entschieden hat, ihr Kind zu behalten und auch zwei Jahre später nicht zögerte und Baby Nummer zwei bekam.
Nicht ohne das Team
Voller Disziplin ist sie während ihrer "X Factor"-Zeit darangegangen, Songs zu verfassen. Nachdem ihr musikalisches Umfeld bemerkt hat, wie ernst es ihr ist, gesellte sich ein hochkarätiges Team von Songwritern und Produzenten um die Liverpoolerin: der umtriebige Eg White, der für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Grammy-Gigantin Adele steht, Fraser T Smith, der auch Cee Lo Green ("I Want You") produzierte und Claude Kelly, der bereits mit keinen Geringeren als Britney Spears oder Whitney Houston zusammengearbeitet hat.
Man hat das Gefühl, dass sie weiß, wovon sie singt. Eine ernsthafte Künstlerin stand da auf der Bühne dieser Show, von denen viele inzwischen kaum noch zu ertragen sind. Aber ab und zu passiert es eben, dass zwischen dem ganzen Kohlestaub auch ein einzelner Diamant funkelt. Klingt kitschig, ist aber so. Selbst Adele, die gerade wenig Zeit hat, weil sie ihren eigenen Triumph lebt, bekam Wind von der talentierten jungen Mutter. Stolz erzählt Rebecca: "Adele hat gesagt, dass sie 80 Mal für mich gestimmt hat bei "X Factor" - und das, wo sie doch mein großes Vorbild ist!"
Quelle: ntv.de, soe