Musik

"Ich liebe neue Situationen" Rebekka Bakkens kleiner Tropfen Gift

Inzwischen Mutter und glücklich darüber: Rebekka Bakken.

Inzwischen Mutter und glücklich darüber: Rebekka Bakken.

Dass Rebekka Bakken in diesem Jahr ein Tom-Waits-Coveralbum veröffentlicht, ist für Kenner keine Überraschung. Schließlich spielte die Norwegerin, die vor allem im deutschsprachigen Raum viele Fans hat, schon im vergangenen Jahr zwei Waits-Konzerte.

Dass Rebekka Bakken in diesem Jahr ein Tom-Waits-Coveralbum veröffentlicht, ist für Kenner kein Überraschung. Schließlich spielte die 44-jährige Norwegerin, die vor allem im deutschsprachigen Raum viele Fans hat, schon im vergangenen Jahr zwei Waits-Konzerte gemeinsam mit der Bigband des Hessischen Rundfunks, deren Arrangeur und Dirigent Jörg Achim Keller die Gemeinschaftsarbeit initiiert hatte. Dass "Little Drop of Poison" nun aber so toll geworden ist, als hätte Bakken, die zuvor mit "Morning Hours" und "September" zwei US-Folk-beeinflusste Alben veröffentlichte, nie etwas anderes im Leben gemacht als Tom Waits zu singen, das freut einen dann doch. Wir treffen die zum Zeitpunkt des Interviews höchstschwangere und wie immer sehr herzliche und offene Bakken (mittlerweile ist der Junge auf der Welt, Eltern und Kind sind wohlauf) im Café des erhabenen Osloer "Grand Hotels".

n-tv.de: Frau Bakken, das mit dem Kind ist eine Überraschung.

Rebekka Bakken: Haha. Das war es für mich zunächst auch. Ich hatte ein Kind in meinem Leben weder gesehen noch geplant, ich rechnete mit einem Leben ohne Kinder, was für mich völlig in Ordnung war, ich bin ja auch schon ein Stücken über 40.

So kann es gehen.

Oh ja. Herrlich, oder? Das ganze Liebesding war eine Überraschung für mich. Ich zog vor drei Jahren von meinem Hof in Skane, wo ich ein Weile lebte, wieder nach New York, kaum dort angekommen, lernte ich meinen Partner kennen. Ich war vorher ewig lange Single gewesen, das ist so eine Art Tradition bei uns in der Familie, und ich dachte, dann bewahre ich die Tradition eben. Ich meine, ich hatte so viel Glück im Leben, dann muss es ja nicht auch noch mit der Liebe klappen. Als ich den Mann traf, wusste ich sofort: Er ist es. Kein Zweifel. Wenig später war ich schwanger.

Unverhofft kommt oft ...

Unverhofft kommt oft ...

Ist Ihr Partner aus New York?

Der Junge ist Norweger, stellen Sie sich das mal vor (lacht)! Ich traf ihn Ende 2012, schnell packte ich in New York meine Sachen. Wir leben jetzt hier in Oslo, nicht weit vom Frognerparken entfernt. Nicht schlecht, so bin ich mit dem Baby schnell im Grünen. Er ist auch Musiker, wir lernten uns bei der Arbeit kennen, spielen allerdings derzeit nicht zusammen.

Sie führten immer das Leben einer Nomadin: Norwegen, New York, Wien, Schweden. Sind Sie jetzt sesshaft geworden?

Es kann sein, dass ich jetzt angekommen bin. Wobei: Ich fühlte mich eigentlich immer angekommen, außer in Skane auf dem Bauernhof, dort wusste ich, diese Ruhe will ich mir nur auf Zeit gönnen. Andere sagen, ich habe ein Zigeunerleben, aber ich finde, ich bin immer meinen Impulsen und meiner Intuition gefolgt. Im Moment ist der Impuls, in Oslo zu bleiben. Es ist auch gerade ganz praktisch: Meine Mutter lebt eine halbe Stunde von der Innenstadt entfernt, sie kann sich um das Baby kümmern oder vielleicht sogar mit uns auf Tournee gehen.

Haben Sie eine Vorstellung, wie das wird: Touren mit Baby?

Das wird schon werden. Babys schlafen ja auch manchmal, habe ich mir sagen lassen. Am Anfang schlafen sie angeblich sogar richtig viel. Ich hoffe, mein Sohn kann meine Tagesroutine übernehmen, auch wenn ich fürchte, dass es eher umgekehrt sein wird (lacht).

Sie sagen, Sie lassen sich von Ihren Impulsen leiten. War "Little Drop of Poison" und die Zusammenarbeit mit der rund 30-köpfigen hr-Bigband auch so ein Impuls?

Nein, hier war mein erster Impuls, es nicht zu machen. Was wusste ich denn über Tom Waits? Ich kannte seine schönen Mainstreamsongs, seine Mädchenlieder wie "Waltzing Matilda" oder "Blue Valentine", den großen Rest musste ich mir erstmal anhören. Als Jörg Achim Keller mich also fragte, fand ich die Idee komisch. Mit einer Bigband hatte ich auch keinerlei Erfahrung. Doch er blieb an mir dran, und schließlich kam wieder mein alter Forscherdrang durch.

Was meinen Sie damit?

Ich stehe auf Situationen, von denen ich keine Ahnung habe. Ich bin generell neugierig und aufgeschlossen. Also sagte ich zu Jörg Achim Keller: "Ich habe da zwar nichts zu suchen, aber ich sage dir zu." Die Proben liefen direkt super. Ich konnte in die ganze Geschichte hineintauchen, da ich mich nicht allzu sicher fühlte und quasi aus dem blauen Himmel heraus auf dieses Projekt draufstürzte.

Sie fühlt sich frei!

Sie fühlt sich frei!

Andere Sängerinnen hätten in so einer Situation vielleicht Angst. Sie nicht?

Das mit mir und der Angst ist eine lange und wechselvolle Sache. Als ich mit 18 nach New York zog, um Sängerin zu werden, war ich zu jung und zu doof, um Angst zu haben. Später kam, verursacht durch ein paar Lebenserfahrungen, die Furcht. Ich merkte, ich kann die Angst nicht loswerden oder gar vermeiden, sie ist ein Teil von mir. Doch ich kann sie im Zaum halten. Auf der Bühne ist die Angst sogar positiv, denn sie sorgt dafür, dass ich mich konzentriere. Kurz und gut: Niemand sollte sich von seinen Ängsten das Leben diktieren lassen. Das Einhegen der Angst und das Feiern der Freiheit, das sind meine Pole, meine großen Werte im Leben.

Wie frei fühlen Sie sich?

Sehr frei. Ich habe keinen Bürojob, das kommt meinem Naturell schon mal entgegen. Und ich stehe selbstbewusst zu allem, was ich tue, auch wenn es manchmal Unsinn ist. Als Kind war es zum Beispiel schrecklich uncool, mit dem Violinenkasten herumzulaufen oder zu singen. Handball, das wäre es gewesen, die Handballerinnen standen in der Schulhierarchie bei uns ganz oben. Mein Ausdrucksmittel war jedoch immer schon die Musik. Ich sang also und lernte, die Geige zu spielen. Musik hat mich damals immer beruhigt, ich dachte immer: "Wenn ich dieses Lied singe oder jenes Album höre, dann kommen die Monster nicht." Bis heute nutze ich die Musik, um die wechselhaften Schwingungen in meinem Körper auszubalancieren. Wenn ich aufgekratzt bin, setze ich mich ans Piano, und nach zwei, drei Minuten geht es mir besser.

"Little Drop of Poison" ist ein zauberhaftes Album geworden. Nachdem Sie die Konzerte mit der Bigband absolviert hatten, war die Aufnahme der nächste logische Schritt, nicht wahr?

Ja, und dieses Mal wollte ich das sogar selbst. Mir war egal, ob mich meine Fans umbringen oder ob ich auf ganzer Linie scheitere. Ich denke, und darauf bin ich sogar etwas stolz, dass "Little Drop of Poison" für mich ein mutiges Album ist. Vom Kopf und von der Stimme musste ich mich dem Material gegenüber öffnen. Ich fraß mich also regelrecht rein in Tom Waits' Werk.

Was fasziniert Sie an seiner Musik?

Seine Lieder haben mich wirklich berührt. Ich wurde richtig intim mit diesen Songs, ich lebte in ihnen. Sein Schaffen hat neue Seiten an mir zum Vorschein treten lassen, die ich nicht kannte und die ich jetzt auch nicht nennen möchte. Bei vielen seiner Texte weiß ich bis heute nicht, was er ausdrücken will, aber sie bilden einen Resonanzboden ganz tief in mir selbst.

Sie haben die Songs gemeinsam mit Jörg Achim Keller ausgesucht und singen sich praktisch einmal durch sein gesamtes Schaffen. Mit "Bad as me" interpretieren Sie zum Beispiel das Titelstück seiner jüngsten Platte, dazu gibt es Pianoballade wie "Wish I was in New Orleans" oder "Christmas Card from a Hooker", weltbekannte Songs wie "Time" und das rockige "Downtown", aber genauso auch eher obskure Lieder wie "I can’t wait to get off Work".

Ja, wir wollten ein weites Spektrum abdecken. Jeder seiner Songs hat eine eigene Persönlichkeit, eine spezielle Atmosphäre. Die Bilder, die er anfertigt, die kann man richtig sehen, greifen und sogar riechen. Alles in allem haben wir 40 bis 50 Songs auf der Liste gehabt. Wer weiß, vielleicht gibt es noch einen zweiten oder dritten Teil.

Wie immer zauberhaft.

Wie immer zauberhaft.

Was haben Sie über Tom Waits erfahren?

Kaum etwas. Witzigerweise habe ich mich so gut wie gar nicht mit dem Menschen Tom Waits beschäftigt. Ich werde jetzt oft gefragt, was ich von ihm halte, und ich kann dazu überhaupt nichts sagen. Kennengelernt habe ich ihn natürlich auch noch nicht. Die Verbindung, die ich zu ihm aufgebaut habe, die habe ich ausschließlich über seine Arbeit aufgebaut.

In "What’s he building" rezitieren Sie mit kehlig-tiefer Stimme einen Text, der von einem Mann handelt, welcher von seinen Nachbarn argwöhnisch beäugt wird. Ein faszinierendes Stück.

Danke. Im Studio dachte ich anfangs: "Was mache ich hier, ich bin doch keine Schauspielerin". Aber dieses misstrauische: "Was treibt die denn da?" kenne ich auch persönlich. Wir sind vor Kurzem umgezogen, aber in unserer ersten Wohnung lebten sehr spießige Menschen im Haus, die richtig hinter mir herschlichen. Und als wir unsere Namen einfach an Briefkasten und Klingel geschrieben hatten, anstatt ordentlich bedruckte Namensschilder anzubringen, da haben die sich sogar beim Vermieter beschwert. Irre, oder?

Absolut. Solche Verrückten gibt es in Deutschland allerdings auch, haufenweise. Abschließend nur noch eines: Sie haben immer betont, dass Sie sich nicht als Jazzsängerin sehen, sondern nur als eine vom Jazz inspirierte Sängerin. Nun ist das ganze Konzept mit Bigband aber eine Idee, die aus der Jazzwelt stammt. Nähern Sie sich dem Jazz etwa doch noch an?

Darüber habe ich auch bereits nachgedacht. Ich bin mir nicht sicher. Ich liebe den Jazz, und ich liebe es, mit exzellenten Musikern zu spielen. Und mit einem großen Orchester zu arbeiten ist für mich natürlich auch wundervoll. Aber das heißt jetzt nicht, dass ich eine Jazzsängerin bin. Ich spiele einfach für mein Leben gerne – am liebsten auf spannenden Spielwiesen, die ich noch nicht kenne.

Das Album "Little Drop of Poison" ist seit dem 23. Mai im Handel.

Tourneedaten 2014:

09.07. Dreieich, Burggarten Dreieichenhain
20.07. Nürnberg, Maritim Hotel
25.07. Rottenburg/Neckar, Marktplatz
20.10. Graz, Orpheum
21.10. Wien, Konzerthaus
22.10. Linz, Posthof
23.10. St. Veit/Glan, Blumenhalle
05.11. Lübeck, Musik- und Kongresshalle
07.11. Heidelberg, Stadthalle
08.11. Freiburg, Theater
09.11. Biberach an der Riß, Stadthalle
12.11. Stuttgart, Theaterhaus
13.11. Kaiserslautern, Kammgarn
14.11. Kreuztal, Stadthalle
22.11. Leipzig, Haus Auensee
23.11. Essen, Philharmonie

Quelle: ntv.de

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