Kreativ. Aber geächtet? Untergründiger Rock aus UK
14.07.2009, 10:57 UhrThe Animals, Yardbirds, Small Faces: Die Musik der Sechzigerjahre war rebellisch, unkonventionell und schräg. Sie wird heute nicht selten glorifiziert.
In dem Maße, in dem der zeitliche Abstand zu den Sechzigerjahren zunimmt, wächst fast zwanghaft der Trend, diese – in vielerlei Hinsicht zweifellos unvergleichliche Zeit – zu glorifizieren. Das gilt auch und gerade für die Populärmusik. "Outlaw" steht für "gesetzlos" und "geächtet". Nun waren Bands wie die Small Faces, Eric Burdon mit seinen Animals oder die Yardbirds keineswegs hinter der Straßenecke lauernde Gangster. Wenn sie Geld verlangten, dann nicht mit vorgehaltener Pistole, sondern mit elektrisch verstärkter Gitarre in der Hand. Doch gern umgaben sich die Jungs ... und manchmal auch Mädchen ... mit dem Nimbus des Rebellischen, Unkonventionellen, Schrägen. Das kam an, störte irgendwann auch die gute, alte BBC nicht mehr, wie die "BBC Sessions" nicht zuletzt der Small Faces und der Yardbirds belegen. Andererseits war es wohl auch der ächtende Strahl des Establishments, der damals beachtliche Teile der Jugend auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs traf, der diese Art Musik außerhalb des Mainstreams stellte. Mit dem Unterschied, dass die einen ein Geschäft daraus machten und die anderen zu borniert waren, die Gefahrlosigkeit dieser Musik – und ihrer Sprachrohre - zu begreifen. Eine "International Times" wäre von Berlin bis Ulan Bator als System gefährdend empfunden worden; im Vereinigten Königreich verschwand das Blatt nach einem Relaunch in den 80ern sang- und klanglos. Eine Maggie Thatcher hat es nicht verhindert. Mick Farren, Sänger der Deviants, die auf der vorliegenden CD mit dem klangkollagigen Stück "Nothing Man" vertreten sind, war eine Zeitlang Mitherausgeber des Blattes.
Wenn nicht außerhalb des Gesetztes stehend, waren die Bands über die Maßen kreativ. Aufbauend auf US-amerikanischem Blues wie die Animals mit "Winds Of Change" respektive die Yardbirds mit "Little Games" oder englischen Volksliedern wie Fairport Convention mit der sehr britischen Interpretation des bis dato unveröffentlichten Dylan-Stücks "Percy’s Song" beschritten die Musiker Wege, die vor ihnen noch keiner gegangen war. The Nice lassen mit "The Thoughts Of Emerlist Davjack" ahnen, wo die Nachfolgeband "Emerson, Lake & Palmer" mit ihrem konzertanten Rock enden: besser aufbrechen wird. Absolut schräg ist Lol Coxhills Version der Beatles-Nummer "I Am The Walrus", bei der eine Schulklasse singt, dass es einem die Löcher in den Socken zusammenzieht. Da sage noch einer, Pink Floyd hätten mit "Another Brick In The Wall" auf ihrem Album "The Wall" das Fahrrad neu erfunden. Zu Wort kommt mit "Nightmare" auch ein gewisser Arthur Brown, der mit "Fire" einen der eckigsten Hits in den Charts beiderseits des Atlantiks landete. Wer wissen will, was "psychedelisch" meint, der ist mit "Forty Thousand Headmen" von Traffic gut beraten.
Summa summarum: 21 gesetzlose Tracks, die das wohlige Gefühl hinterlassen, wie schön es hätte werden können. Oder wie schön es war.
Eric Burdon + The Animals u.a.: "Creative Outlaws - UK Underground 1965-1971”, CD, TRIKONT
Quelle: ntv.de