Musik

Kasabian über das Überleben im Rock "Viele Tote säumen unseren Weg!"

Wenn kein anderer sie lieb haben würden - sie haben sich lieb!

Wenn kein anderer sie lieb haben würden - sie haben sich lieb!

Sergio Pizzorno, der Mann mit der guten Frisur, ist ein sehr ruhiger Geselle, Tom Meighan ein hibbeliger Energieball. Die beiden Köpfe von Kasabian kennen sich, seitdem sie 17 sind, und ergänzen sich bestens. Seit zehn Jahren veröffentlicht das Quartett aus dem englischen Leicester schon tolle Alben. Mit "48:13" erscheint nun ihr bereits fünftes Werk, das sie endgültig in die Topliga der Rockbands katapultieren dürfte. n-tv.de hat mit den beiden in Berlin über das Leben im Allgemeinen und im Besonderen gesprochen.

n-tv.de: Serge, du trägst den Titel eures Album auf deinem T-Shirt. Warum habt ihr so ein Geheimnis um "48:13" gemacht?

Serge: Weil es heutzutage keine Geheimnisse mehr gibt! Wir leben in einer Welt, wo jeder alles wissen will. Das entmystifiziert den Rock’n’Roll!

Ihr habt den Albumtitel stattdessen auf eine pink angemalte Häuserfassade im Osten von London gepinselt.

Serge: Glaub es oder nicht: Das Haus ist mittlerweile eine Sehenswürdigkeit wie die Londoner Abbey Road Studios! Ständig bleiben Leute auf der Straße davor stehen und machen Fotos.

Und deshalb ist euer Albumcover nun auch pink?

Serge: Das ist doch eine wundervolle, mächtige Farbe! Pink ist eine Pose des Punk. Sie ist sexy, sie wird auch gerne mit der Schwulenszene in Verbindung gebracht - deshalb ist sie überhaupt von der Punkszene adaptiert worden. Kasabian werden als sehr maskuline Band gesehen. Also benutzen wir diese schöne Farbe, um das Bild ein bisschen umzudrehen.

Tom (stürmt in das Hotelzimmer): Wisst ihr was? Dieses Hotel macht mich wahnsinnig! Ich musste erst mal eine halbe Stunde draußen spazierengehen. Im Regen. Ich liebe das. Möchte noch jemand ein Bier?

Wir sprachen gerade über das Pink!

Tom: Ja, das Pink. Es wird so himmlisch aussehen, eine pinke Vinyl-Scheibe unseres Albums in den Händen zu halten. Auf den Moment freue ich mich. Meine Güte, ist das warm hier. Ich muss jetzt mal das Fenster aufmachen.

Serge: Du musst Tom entschuldigen. Er ist immer so. Er hat zu viel Energie. Wenn er in den Raum kommt, ist nichts mehr wie es war.

Tom: (lacht) Noch habe ich nichts angefasst, und das ist mein erster Drink heute! Aber es stimmt schon. Serge ist oft derjenige, der mich runterholen muss. Serge ist sowieso unglaublich. Er ist ein Teil von mir. Er ist wie ich - nur in länger! Ich bin mit ihm aufgewachsen, seit ich 17 bin. Heute sind wir 33, das ist eine verdammt lange Zeit. Wir kennen uns in- und auswendig.

Wie bleibt man befreundet, wenn man zusammen in einer Band ist?

Tom: Wir haben den Schlüssel zum Herzen des anderen. Haha, ich mach' nur Spaß, und du bist drauf reingefallen! So kitschig reden wir doch nicht! Ich wollte unsere Beziehung nur ein bisschen befeuern. Serge kann nur eine gewisse Dosis von mir vertragen, aber wir kommen gut klar. Ich kann Serge auch außerhalb der Band immer anrufen. Er hilft mir ...

Serge: ... aufzustehen zum Beispiel, wenn du angetrunken hingefallen bist. Aber mal im Ernst: Es traut Tom vielleicht kaum einer zu, aber wir führen tiefsinnige Gespräche - natürlich auch viele lustige. Die Basis unserer Freundschaft ist Humor. Wir haben es uns immer erhalten, die witzige Seite in den absurden Dingen einer Band zu sehen.

Tom: Leute unterstellen gerne, dass Popstars etwas vorgeben, was sie nicht sind. Nicht so bei uns. Wir sind was wir sind: authentisch und unverfälscht.

Ich habe mir natürlich euer neues Album angehört.

Tom: Was sagst du? Liebst du es? Du liebst es, oder?

Ja, ja, schon.

Tom: Ist Serge nicht ein Genie? Ja, er ist ein Genie! Er hat das alles zusammengebastelt. Die Musik, die verschiedenen Elemente. Er hat das alles gemacht. Es war so viel Arbeit. Serge, du bist ein verdammtes Genie! Ein richtig kluger Typ! Ja, das bist du.

Serge: Danke, Kollege!

Die Platte klingt ziemlich abgefahren. Da gibt es von psychedelischen Klangorgasmen über Spaghetti-Western bis hin zu Beach-Boys-ähnlichen Harmonien so viel zu entdecken. Gibt es Tricks, Songs interessant zu machen?

Serge: Klar! Da bediene ich mich sogar sehr bewusst. Ich denke immer an die Leute, die die Platte später über Kopfhörer zum ersten Mal hören. Sie sollen sagen: "Was ist denn das? Was geht da vor sich?" Nur wenn du es schaffst, deine Musik spannend zu halten, garantiert es deiner Band Langlebigkeit. Ich denke, wir haben mittlerweile eine eigene musikalische Sprache erschaffen, die Kasabian heißt.

Tom: Es ist ein bisschen wie bei Pink Floyd und "The Wall". Die Songs sind abstrakt und obskur, aber gleichzeitig auch wunderschön. Es ist clever gemachte Musik. Hinter der Durchgeknalltheit sind diese großartigen Rock’n’Roll-Songs und Melodien. Die Leute vergessen das oft. Das macht mich dann immer richtig wütend! Denn jeder kann für 30 Minuten ein paar stampfende Beats aneinanderreihen – das könnte sogar ich! Aber richtige seelenvolle Songs daraus machen, das kann nur Serge.

"Explode" erinnert mich etwas an Kraftwerk.

Serge: Das ist eine nette, unglaubliche Feststellung. Ich danke dir vielmals. Ich habe bei dem Song an Kraftwerk gedacht.

Tom: Aber wir sehen nicht aus wie Kraftwerk!

Habt ihr noch was zu beweisen?

Tom: Nein! Wir sind nun ein reifer Käse. Ach, vergiss das bitte mit dem Käse. Was ich meinte ist: Kasabian sind rumgekommen, haben sich ausprobiert und sind nach zehn Jahren nun auf dem Zenith.

Kasabian sind zumindest eine der wenigen Rockbands, die überlebt haben!

Serge: Ja, da säumen viele Leichen unseren Weg (lacht). Wenn man sich heute Musikmagazine von vor fünf Jahren anguckt, kann man sich an die meisten Bands nicht mal erinnern! Meine Hoffnung ist, dass diese Platte die Wahrnehmung von Rockmusik der Leute verändern wird. Dass, wenn ein 15-Jähriger unsere Songs hört, er völlig anders über Gitarrenmusik denkt. Es müssen nicht immer dieselben Akkorde runtergedudelt werden. Da ist eine ganze Welt, die soundtechnisch noch erforscht werden kann. Ich glaube wirklich daran. So was wie unser Album habe ich jedenfalls schon lange nicht mehr gehört.

Ich liebe es, dass ihr so große Fans von euch seid!

Tom: Ich bin wirklich Serges größter Fan. Das erzähle ich auch jedem!

Serge: Das hat bei uns aber nichts mit Arroganz zu tun. Warum sollten wir die Höllenqualen einer Albumproduktion auf uns nehmen, wenn wir am Ende nicht stolz darauf sein dürfen?

Es sind sehr hedonistische Songs. Da sind auch viele Trinklieder auf der Platte!

Serge: Ja, es sind Songs für Leute, die die Woche über hart arbeiten und ihres Lebens überdrüssig sind. Alltagsflucht war immer schon ein gutes Motiv für Rock'n'Roll. Wir machen den Soundtrack, die den Leuten diese Flucht ermöglicht.

Tom: Das brauchen die Menschen. Deshalb kommen so viele Leute zu unseren Shows, sehen in uns Freunde. Sie glauben an uns, wir glauben an sie. Unsere Fanbase ist so loyal. Sie sind mit uns gewachsen. Sogar ihre Kinder tragen mittlerweile Kasabian-T-Shirts. Die sind vielleicht gerade mal sieben Jahre alt!

Serge: Unsere Kinder haben ja auch Kasabian-T-Shirts an. Mein Sohn Ennio hat jedenfalls eins. Man kann die mittlerweile sogar im Supermarkt kaufen.

Tom: Ja, bei "Next". Dort hängen die gleich neben den Beatles und Rolling Stones. Meine Mum hat mir ein Foto geschickt. Da war selbst sie stolz. Ich habe meiner Tochter Mimi auch eins besorgt.

Serge: Ich finde das verdammt noch mal wundervoll. Denn so kann man auch das System infiltrieren.

Mit Kasabian sprach Katja Schwemmers

Pünktlich zur VÖ gibt es die Band bei Rock am Ring und Rock im Park zu sehen.

6. Juni Nürburgring, Rock am Ring
7. Juni Nürnberg, Rock im Park

Das Album "48:13" ist ab 6. Juni erhältlich - hier bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen