Wenn Briten reisen "Bunny And The Bull" - no risk, no fun
21.11.2011, 08:38 Uhr
Stephen (Ed Hogg) und Bunny (Simon Farnaby) on tour.
(Foto: Wild Bunch Germany / Senator)
Es gibt Filme, die zaubern ein wohliges Gefühl ins Herz und in die Magengegend. "Die fabelhafte Welt der Amelie" ist so ein Werk: Poesie zum Träumen. Die schräge britische Komödie "Bunny And The Bull" ist es auch - irgendwie. Wetten?
Stephen Turnbulls (Edward Hogg) Tagesablauf sieht seit Monaten wie folgt aus: Punkt 7.00 Uhr klingelt sein Wecker. Er steht auf, duscht genau 27 Minuten, putzt 4 Minuten die Zähne, gurgelt 8 Minuten und benutzt 7 Minuten die Zahnseide. Anschließend archiviert er die Zahnseide, lagert seinen Urin und notiert dessen pH-Wert. Danach wäscht er alles, was seinen Körper bis dahin berührt hat, löst ein 200-seitiges Kreuzworträtselbuch und zieht sich auf Video acht Folgen von "Überleben extrem" rein. Danach wird pünktlich Mittag gegessen. Stephen isst jeden Tag dasselbe: eine gefriergetrocknete vegetarische Lasagne, luftdicht eingeschweißt für maximale Haltbarkeitsdauer.
Aber heute ist etwas anders: Seine Mittagsvorräte sind vernichtet. Mäuse müssen sich über Nacht darüber hergemacht haben. Und nun, seiner Alltagsroutine beraubt, bleibt dem in sich gekehrten, schüchternen Einzelgänger, der jedwedes Risiko scheut, nach Ausschluss aller Eventualitäten nur eines übrig: Er muss erstmals seit Monaten wieder Kontakt zur Außenwelt aufnehmen. Todesmutig bis an die Wohnungstür vorgedrungen, eingepackt in eine dicke Jacke samt Schal und wollener Mütze, lässt die unmittelbar bevorstehende Konfrontation mit der Welt längst verdrängte und vergessen geglaubte Erinnerungen in ihm hochkommen: eine Reise durch Europa, die er vor langer Zeit mit seinem einzigen Freund Bunny (Simon Farnaby) unternommen hat.
Bunny ist das genaue Gegenteil von Stephen: Bunny ist ein Lebemann. Extrovertiert. Er mag die Dinge im Leben, die Spaß machen, und hasst Langeweile. Er trinkt gern, isst viel und wettet - auf jeden und auf alles. Seine Risikobereitschaft kennt keine Grenzen: Er setzt beim Pferderennen sein und Stephens letztes Geld auf den Außenseiter "Atlantis Rising" - Quote 50:1. Zu aller Überraschung gewinnt der Gaul und mit dem plötzlichen Geldsegen beschließen die beiden Buddies, auf Reisen zu gehen, denn Bunny will Stephen etwas Gutes tun, um seinen Freund von einer unglücklichen und unerwiderten Liebe abzulenken.
Zwei Freunde auf großer Tour
Gesagt, getan, ab zum Bahnhof und los geht’s: Doch während sich Bunny in den Zug setzt mit einer Plastiktüte voller Bierdosen und genüsslich eine nach der anderen zischt, sitzt Stephen ihm gegenüber und referiert über die "30 Dinge, die ein Mann immer dabei haben sollte", darunter etwa Bindfäden in verschiedener Dicke, Fieberzäpfchen oder eine Leuchtfackel. Angekommen in Frankreich, schreit Bunny: "Fick dich, England" und schläft bis Belgien durch. Dort überlegen die beiden ihre weiteren Reiseziele und Stephen zieht ein 500-seitiges Buch aus seinem Rucksack. Es geht los: ins nationale Brillen-Museum der Niederlande, ins deutsche Kochbuch-Museum, ins Röntgen-Museum und ins Besteck-Museum. In Warschau, im nationalen Schuh-Museum Polens ("Von der frühen Sandale bis zum Hightech-Sportschuh"), platzt Bunny der Kragen und so beschließen sie, "gepflegt einen draufzumachen" - also erst einmal essen zu gehen.
Sie landen bei "Captain Crab", einer Fast-Food-Kette, die sie bereits aus England kennen und die aus der "Spongebob"-Serie entsprungen scheint. Während Bunny sich nur den Magen vollstopfen will, erwärmt sich Stephen für die Bedienung Eloisa (Verónica Echegui): "Willkommen bei Captain Crab. Er segelt für euch auf den sieben Weltmeeren. Wir hoffen, euch schmeckt unser Essen, welches Spuren von Nüssen, Erde und Knochen enthalten kann." Bunny bekommt Stephens Geschmachte mit und versucht, die beiden zu verkuppeln und ehe sich die drei versehen, sitzen sie gemeinsam in einem bei einer Wette gewonnenen Wagen mit einer "Captain Crab"-Figur auf dem Dach auf dem Weg nach Spanien, Eloisas Heimat.
Wundersame Begegnungen
Und damit beginnt die Reise der beiden Freunde, zu einem Trio-Roadtrip zu werden. Unterwegs lernen sie jede Menge schräger Figuren kennen, wie etwa einen polnischen Hunde-Farmer, der auf die Milch seiner Tiere schwört. Sie gabeln einen lebensgroßen ausgestopften Bären unterwegs auf. Und als sie endlich in Spanien ankommen, lernen sie auch noch Eloisas Bruder kennen, einen alkoholkranken Ex-Matador, der Bunny mit einem Einkaufswagen auf einem Parkplatz die Geheimnisse des Stierkampfes beibringen will.
Alles könnte perfekt sein, wenn sich nicht mittlerweile beide Freunde in Eloisa verguckt hätten. Als Bunny bei einer Wette das sagenumwobene Matador-Kostüm von Juan Belmonte, dem "größten Torero aller Zeiten", an einen kartenspielenden Zigeuner verliert und splitterfasernackt mitten in der Nacht Stephen verkündet, dass er zurück nach England fährt, wird die Freundschaft zwischen Bunny und Stephen und die Liebe zwischen Stephen und Eloisa auf eine harte Probe gestellt. Von da an nimmt der Film eine tragikomische Wendung - mit einer allerletzten Wette, nach der Stephen sich in seiner Wohnung verschanzt.
Visuelle Poesie und derber Humor

"Bunny And The Bull" ist bei Wild Bunch Germany / Senator erschienen.
(Foto: Wild Bunch Germany / Senator)
"Bunny And The Bull" ist wie ein modernes Märchen. Einerseits wegen des Plots, bei dem sich der Zuschauer unweigerlich an "Die zauberhafte Welt der Amelie" erinnert fühlt. Andererseits aber auch wegen der Ausstattung und des Bühnenbilds, das Tim Burton in die Hände gefallen zu sein scheint. Anders sind die vielen kurios-beängstigenden Landschaften auf der Reise und der Wechsel von Real-Darstellungen und Trickfilm-Sequenzen nicht zu erklären.
Regisseur Paul King, auf dessen Konto auch das Drehbuch geht, ist mit "Bunny And The Bull" ein lebensbejahender und schräg-komischer Film gelungen, mit einem wunderschönen, klavierlastigen Soundtrack und hervorragenden Schauspielern, aus deren Riege Verónica Echegui herausragt - nicht nur, weil sie als eine Mischung aus Audrey Tautou und Penelope Cruz daherkommt. Kings Debüt ist ein poesievolles Meisterwerk - basierend auf einer Interrail-Reise, die er einst selbst unternommen hat. Bahnfahren lohnt sich also doch!
Quelle: ntv.de