Kino

Gewalt ist die Lösung "Hooligans Around The World"

Das Spiel aus einer ganz eigenen Perspektive: Hooligans und ihre Sicht der Dinge

Das Spiel aus einer ganz eigenen Perspektive: Hooligans und ihre Sicht der Dinge

(Foto: Ascot Elite)

In den 1970ern erkrankt der Fußball an der "englischen Krankheit". Hooligans übernehmen in den Stadien die Kontrolle. Zuerst in England, dann auf dem restlichen Kontinent. Sie schlagen sich die Köpfe ein, töten sogar. 30 Jahre später gibt es de "englische Krankheit" noch immer. Die Szene lebt, in England, Italien, Deutschland - nahezu weltweit.

Wer oder was ist ein Hooligan? Eine Dokumentation gibt Aufschluss darüber.

Wer oder was ist ein Hooligan? Eine Dokumentation gibt Aufschluss darüber.

(Foto: Ascot Elite)

Was ist ein Hooligan? Wie sieht er aus? Wo tritt er auf? Was macht ihn zu dem, der er ist? Die TSG Hoffenheim muss 10.000 Euro Strafe zahlen, weil Fans Klopapierrollen aufs Spielfeld werfen. In Osnabrück trifft es den Verein mi t 5000 Euro, weil Schneebälle auf den Rasen fliegen. Sprechchöre und Banner mit Sätzen wie "Ihr seid so lächerlich" und "Fick dich DFB" sind die Reaktionen der Fans. Ist das schon Hooliganismus? Oder wenn Fans freudetrunken vom langersehnten Wiederaufstieg in die 1. Fußball-Bundesliga den Rasen bereits ein paar Minuten vor Spielende stürmen - ist das "Hooliganism"? Bengalos, Böller, Feuerwerkskörper? Das kommt dem Phänomen "Hooligan" schon näher.

Klar definieren lässt es sich nicht. Das sagt einer, der sich damit auskennt: Donal Macintyre. Englischer TV-Journalist. Er wagt es und dringt undercover in die Hooliganszene ein, ist mit dem harten Kern der Chelsea-Hooligans dabei, als bei einem Europapokalspiel gegen den FC Kopenhagen die Fäuste fliegen und die Stiefel trampeln. Man müsse sich direkt an die Fersen des Chefs heften, dann sei man recht schnell mitten drin, sagt er. Seinen Recherchen ist es zu verdanken, dass zwei englandweit bekannte Hooligans Gefängnisstrafen abbrummen müssen. Die Kehrseite der Medaille: Noch heute muss er sich vor der Wut der sogenannten Firmen in Acht nehmen. Er wurde bedroht, seine Frau verfolgt.

Die "Liebe" zum Verein: Ein Hooligan trägt damit nicht auf. Aber unter den Designerklamotten prangt sie dann.

Die "Liebe" zum Verein: Ein Hooligan trägt damit nicht auf. Aber unter den Designerklamotten prangt sie dann.

(Foto: Ascot Elite)

Macintyre gilt heute als einer Topkenner der englischen Hooligan-Szene. Und laut ihm ist diese nicht etwa tot. Auf diese Idee könnte der geneigte Fußballfan anhand der immergleichen TV-Bilder von brav in ihren Plastikschalen sitzenden und Beifall klatschenden friedlichen Anhänger kommen. Die Szene lebt, wie er sagt - und das nahezu weltweit, denn der "Hooliganism", einst als "englische Krankheit" verschrien, hat sich ausgebreitet. In den 1980er zunächst in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland, in den späten 1990ern ging es dann weiter nach Osteuropa.

Die Macht der Barra Bravas

Velez-Hurrican: Argentinischer Fußball fasziniert und stößt ab gleichermaßen.

Velez-Hurrican: Argentinischer Fußball fasziniert und stößt ab gleichermaßen.

(Foto: Reinaldo Coddou: "Buenos Aires"/Edition Panorama)

In Südamerika bildet sich das Phänomen "Gewalt im Fußball", mit denen der Begriff Hooligan immer noch gleich gesetz t wird, schon in den 1920ern heraus. Mitte der 1920er stirbt der erste Fußballfan am Rande eines Spiels. Seitdem kamen mehr als 250 Menschen dabei um.

Der "Fan" dort ist ein ganz anderer als etwa in Italien, Deutschland oder in England. Das weiß nicht nur Macintyre zu erzählen. In Argentinien regieren die Barra Bravas. Und regieren heißt: Sie haben alle Macht und nutzen diese auch. Ein Spieler spielt schlecht? Die Fans holen ihn eigenhändig vom Feld. Ein Schiedsrichter pfeift schlecht? Mit Eisenstangen wird er vom Platz gejagt. Von den Rängen der argentinischen Stadien fliegen keine Schneebälle aufs Spielfeld, Klopapier schon. Aber noch viel öfter sind es Flaschen, Steine oder gar ganze Imbissbuden. Die Gewalt dort mag ein Grund dafür sein, dass so viele argentinische Fußballer ihr Geld in Europa verdienen, wo es in den Stadien noch weitaus gesitteter zugeht - selbst in Italien, dem Mutterland der Bengalos.

Der Capo der Curva

"All Cops Are Bastards": Nicht nur in Italien unter Ultras ein gern getragenes Tattoo.

"All Cops Are Bastards": Nicht nur in Italien unter Ultras ein gern getragenes Tattoo.

(Foto: Universal Pictures)

Rote Feuer, fest in der Hand gehalten und gen Himmel gestreckt: Das verbinden viele Fußballfans mit dem Calcio. Doch für die f eierlich anmutenden Erleuchtungen auf den Rängen sorgen zumeist die Ultras, wie der harte Fankern eines Vereins in Italien genannt wird. Sie unterscheiden sich von den englischen Hooligans. Ultras haben direkten Einfluss bei ihren Vereinen, wie Macintyre sagt. Mit Ticket- und Trikotverkäufen verdienen sie eine Menge Geld. Geld, das bei dem einen oder anderen Verein auch schon einmal in dunklen Kanälen verschwindet. Die Mafia hat ihre Finger schließlich überall.

Die Ultras unterscheiden sich auch von den Barra Bravas. Die machen zwar auch ihr eigenes Ding und verdienen so ihr Geld, aber im Gegensatz zu den italienischen Ultras sind sie nicht organisiert. Jeder kann und darf alles. In italiens Fankurven gibt es immer einen "Capo", einen Führer. Ohne den läuft nichts, über ihn dagegen alles. Selbst Vereinspräsidenten müssen vor ihnen kuschen.

"Hooligans Around The World" ist bei HotDoks/Ascot Elite erschienen.

"Hooligans Around The World" ist bei HotDoks/Ascot Elite erschienen.

(Foto: Ascot Elite)

In deutschen Stadien finden sich laut Macintyre beide Phänomene: Es gibt Ultras, die man aber nicht mit den italienischen Fans in eine n Topf werfen sollte, und es gibt die an England angelehnte Hooligan-Kultur. Und wenn jeder deutsche Fußballfan in sich geht, weiß er, dass das stimmt. Ohne die Ultras geht stimmungsmäßig in den Stadien gar nichts. Auch wenn ihre farbenprächtigen Choreos im Fernsehen kaum gezeigt werden: Wer einmal so ein Spektakel gesehen hat, wird es sein Leben lang nicht vergessen. Der DFB und die DFL vergessen dagegen keinen einzigen im Stadion gezündeten Bengalo.

Infos aus erster Hand

Aber zurück: Was ist nun eigentlich ein Hooligan? Dieser Frage geht Macintyre in seiner Dokumentation "Hooligans Around The World" nach. Er spricht mit Vertretern, deren Namen so klingen wie die Personen aussehen und wirken: "Brian, der Löwe" aus Millwall etwa oder "Vier-Zehen-Tony" aus Sheffield. Er spricht mit Journalisten, Fußballfans, einem bekannten englischen Actionschauspieler und Nachtclub-Besitzer, ein eingefleischter Millwall-Fan. Experten, Aktive und Aussteiger aus der Szene kommen bei Macintyre zu Wort.

Und am Ende wird klar: Ein Hooligan ist ein Schläger. Er liebt Gewalt, ist zwischen 16 und 60 Jahren alt, trägt Designerklamotten und niemals die Farben seines Vereins sichtbar am Körper. Manche sind einfach nur Psychopathen, wie Brian, der Löwe, sagt. Andere sind Arbeiter, Büroangestellte, Geschäftsführer. "Sie machen Urlaub" - als Hooligan wohlgemerkt. Kehren ihre dunkle Seite nach außen, lassen Druck ab.

Ein Hooligan ist nicht zwangsläufig ein Skin, wie Brian versichert. Zwar werde seinem Klub Millwall von außen immer ein rechtes Image verpasst, das stimme aber mit der Wirklichkeit nicht überein. So richtig glauben mag man ihm das nicht. Den einen oder anderen rechten Fan wird es in Millwall ebenso geben wie etwa bei Borussia Dortmund.

Macintyres Dokumentation bietet jede Menge Informationen rund ums Thema "Hooliganism", Hooliganismus. Er geht auf dessen Anfänge ein, schildert die einschneidensten Ereignisse und die Reaktionen darauf. Was aber hängen bleibt von dieser mehr als sehenswerten Dokumentation, sind die Sätze der Hooligans und die Tatsache, dass für sie nicht der Fußball im Vordergrund steht, sondern dass er nur Mittel zum Zweck ist und der heißt Gewalt. Da können die Bilder, die man wohl nie in einer "Sportschau" sehen würde, noch so sehr faszinieren.

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Quelle: ntv.de

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