Vom Trash zur Spaßbremse Total halbgar: "Total Recall" 2012
23.08.2012, 12:16 Uhr
Ein unangenehmer Trip: Colin Farrell als Douglas Quaid in "Totall Recall" 2012.
(Foto: Sony Pictures Releasing GmbH)
Viel Zeit hat sich Hollywood in diesem Fall nicht gelassen. "Nur" 22 Jahre nach Schwarzeneggers Einsatz in "Total Recall" kommt nun die Neuauflage der Geschichte in die Kinos. Bedenkt man, wie altbacken das Original bereits wirkt, keine schlechte Idee. Allerdings: Moderne Hochglanz-Optik allein macht auch noch keinen guten Film.
Ach, wie gut, dass man Kollegen hat. Und dann auch noch welche, die doch tatsächlich im Besitz einer "Steel Collection" von Arnold-Schwarzenegger-Filmen sind. Vom Grabbeltisch? Gestohlen? Ein Geschenk der Ex? Oder wirklich bei vollem Bewusstsein teuer gekauft? Am besten, man fragt gar nicht weiter nach, sondern schweigt und ist dankbar (Es war ein Gewinn, Anm. des Kollegen). So bleibt es einem schließlich erspart, die (Online-)Videotheken dieser Welt unsicher und sich womöglich gar der Beschaffungskriminalität schuldig zu machen.

Erinnern Sie sich noch? Arnold Schwarzenegger als Douglas Quaid in "Total Recall" 1990.
(Foto: YouTube)
Denn eins ist selbstredend klar: Man kann sich nicht ernsthaft mit der Neuauflage von "Totall Recall" auseinandersetzen, ohne auf das Original von 1990 Bezug zu nehmen. Ja, irgendwann hat man das einmal gesehen. Doch die schemenhafte Vorstellung von Arnie mit einem Handtuch auf dem Kopf, die davon übriggeblieben ist, reicht, seriös betrachtet, nicht aus. Also her mit der "Steel Collection" und die Erinnerung aufgefrischt. "Total Recall" - im wahrsten Sinne des Wortes.
Zugegeben, die nostalgische Verklärung des Schwarzenegger-Films hält sich - anders als zum Beispiel bei Barbapapa, Colt Seavers oder Bud Spencer und Terence Hill - bei dem Autor dieses Textes von vornherein in Grenzen. Bereits dafür gibt es vermutlich ordentlich Dresche von Filmfreaks. Schließlich galt "Total Recall" 1990 als herausragender Science-Fiction-Streifen, der für seine visuellen Effekte gar einen Oscar erhielt. Schließlich kommt das Werk von "RoboCop"-Regisseur Paul Verhoeven bei "Rotten Tomatoes" - eine Plattform, die Rezensionen statistisch auswertet - noch immer auf einen sensationell hohen Positivwert. Und schließlich ergehen sich gerade zahlreiche Kritiker der "Total Recall"-Neuauflage darin, das Schwarzenegger-Original in den siebten Himmel zu loben.
Nostalgie und Realität
Aber mal ehrlich, spätestens wenn man die zugehörige DVD aus der "Steel Collection" eingelegt hat, sollte eigentlich jeder erkennen, was wir schon leidvoll bei Barbapapa, diversen 80er-Jahre-Serien, "Plattfuß" oder "Vier Fäuste für ein Halleluja" erfahren mussten: Die Nostalgie hält der knallharten Konfrontation mit der Realität in der Gegenwart nur selten stand. Von daher gibt es eigentlich nur drei Varianten, dem Arnie-Original noch etwas abzugewinnen.
Variante 1: Man ist ein ausgewiesener Trash-Fan. Dann findet man die Aneinanderreihung von brachialen Logik-Lücken, Schwarzeneggers gewohnt hölzerne Bodybuilder-Spielweise und die nach gerade einmal 22 Jahren erschreckend altbackene Tricktechnik sicher ganz amüsant. Wenn man allerdings bedenkt, dass mehr als zehn Jahre zuvor bereits Streifen wie "Star Wars" und "Alien" gedreht wurden, kann man sich eigentlich nur noch wundern, weshalb "Total Recall" hier überhaupt jemals besondere Leistungen nachgesagt wurden.
Variante 2: Man guckt den Film zur sinnlosen Berieselung im Halb-Delirium. Hat man im Moment keine "Steel Collection" zur Hand, dann läuft er ja vielleicht gerade zufällig nachts bei RTL2. Je nachdem, wie Biorhythmus und /oder Alkoholpegel in dieser Situation anschlagen, kann er sich dann als Einschlafhilfe oder Muntermacher entpuppen.
Variante 3: Man pfeift auf jeden Realitätsbezug und lässt sich willfährig von seinen Gefühlen mitreißen. Vielleicht hatte man ja gerade seine erste Freundin, seinen ersten Kuss oder ersten Sex, als der Schwarzenegger-Streifen herauskam?! Unter diesen Voraussetzungen ließe sich jedoch so ziemlich alles ertragen - vermutlich auch sämtliche fünf Staffeln von "Ein Colt für alle Fälle" am Stück.
Realität und Fiktion
So gesehen, war es an sich gar keine allzu schlechte Idee in Hollywood, nach lediglich etwas mehr als zwei Jahrzehnten bereits ein Remake von "Total Recall" anzugehen. Die Geschichte, die auf einer Erzählung von Science-Fiction-Autor Philip K. Dick basiert, auf dessen Werke auch Filme wie "Blade Runner" und "Minority Report" zurückgehen, ist an sich ja nicht schlecht. Zumal, wenn man sie, wie in der Neuauflage geschehen, von einigem überflüssigen Ballast der Original-Verfilmung befreit, der in der literarischen Vorlage ohnehin gar nicht vorkommt - zum Beispiel die Verlegung von Teilen der Handlung auf den Mars.

Ehefrau oder nicht Ehefrau - das ist hier die Frage: Kate Beckinsale als Lori Quaid.
(Foto: Sony Pictures Releasing GmbH)
Da ist also dieser Typ namens Daniel Quaid, einst von Schwarzenegger und nun von Colin Farrell verkörpert. Er ist zwar nur ein einfacher Fabrikarbeiter, der in einer Ranzbude haust, hat aber mit Lori wenigstens so ziemlich die heißeste Flamme auf dem ins Endzeit-Chaos gestürzten Planeten an seiner Seite (im Original von Sharon Stone und nun von Kate Beckinsale gespielt). Soweit, so gut. Jedenfalls denkt Quaid dies - so lange, bis er auf die verwegene Idee kommt, einmal das Angebot der obskuren Firma "Rekall" auszuprobieren. Sie verspricht ihren Kunden einen Gehirn-Trip der anderen Art, indem sie ihnen Erinnerungen implementiert, die von echten Erfahrungen nicht zu unterscheiden sein sollen. Quaid entscheidet sich für eine Vergangenheit als Superspion, doch als die Programmierung seines Gehirns läuft, kommt es zum GAU. Weil irgendjemand scheinbar schon zuvor einmal an seiner Gedankenwelt herumgepfuscht hat, gerät die Prozedur außer Kontrolle. Und auf einmal ist nichts mehr, wie es gerade eben noch war.
Quaid ist plötzlich wirklich in ein Netz aus Intrigen, Geheimbünden und dem gnadenlosen Kampf zwischen der diktatorischen Erd-Regierung und aufständischen Rebellen verstrickt. Und er wird gejagt, sogar - um nicht zu sagen: vor allem - von seiner eigenen Frau. Oder ist sie womöglich gar nicht seine Frau? Schließlich eröffnet ihm Rebellin Melina (im Original von Rachel Ticotin und nun von Jessica Biel gespielt), dass er eigentlich ein ganz anderer ist, als seine Fabrikarbeiter-Erinnerungen ihm weiß machen wollen. Ist in Wahrheit sie seine Verflossene? Oder ist alles doch nur der "Rekall"-Trip? Was ist Realität und was Fiktion?
Blond und brünette
"Die Tonalität des Films ist eine ganz andere", sagt Kate Beckinsale, auf den Schwarzenegger-Vorläufer angesprochen. Das Gleiche antworten unisono nicht nur ihre Hauptdarsteller-Kollegen Colin Farrell und Jessica Biel auf die Frage, sondern auch Remake-Regisseur Len Wiseman, der ganz nebenbei auch Beckinsales Ehemann ist und mit ihr bereits bei den vier "Underworld"-Vampir-Streifen zusammengearbeitet hat. "Ich wollte eine andere Version von Quaid erschaffen - nicht eine andere Version von Arnold Schwarzenegger", ergänzt Wiseman. Um sich vom Original deutlich abzugrenzen, habe man auch auf jede Einbindung - und sei es nur in Form eines Kurzauftritts - des Österreichers in den Film verzichtet. Das wäre ihm zu viel Klamauk gewesen, sagt Wiseman.

Wollten sich zusammen vom Original abgrenzen: Colin Farrell, Jessica Biel, Kate Beckinsale und Len Wiseman (v.l.n.r.).
(Foto: Sony Pictures Releasing GmbH)
Auch Farrell wollte sich offenbar nichts bei Arnie abschauen. "Nein, ich denke er hat vielleicht besseres zu tun", antwortet der Ire lachend auf die Frage, ob er denn mit Schwarzenegger einmal über seine Rolle gesprochen habe. Dabei hat der Ex-Gouvernator derzeit bekanntlich ziemlich wenig zu tun. So wenig, dass er eigentlich wohl am liebsten selbst noch einmal Daniel Quaid verkörpert hätte. Doch auch an anderer Stelle wird die Distanz der Remake-Verantwortlichen zum Vorgänger deutlich, etwa bei den beiden Hauptdarstellerinnen. Standen sich mit Sharon Stone und Rachel Ticotin im Original noch eine blonde und eine brünette Amazone gegenüber, erscheinen Beckinsale und Biel vom Typ her nahezu identisch. "Bei der düsteren Tonalität des Films hätte eine blonde Frau zu sehr herausgestochen", erklärt Biel. Das hätten Versuche mit ihr als Blondine ergeben. "Also haben wir es verworfen." Mal ganz abgesehen davon, dass eine Ähnlichkeit der beiden Frauen der Logik der Geschichte entgegenkäme.
Keine Frage: Die Abgrenzung von der 1990er Verfilmung ist Wiseman und Co weitgehend geglückt. Auch wenn man sich hier und da dann eben doch bestimmte Reminiszenzen an den Vorgänger nicht verkneifen konnte - etwa die Wiederbelebung einer Frau mit drei Brüsten. Doch macht das "Total Recall" 2012 auch zu einem besseren Film? Die Antwort ist Jein.
Spaß und Ernst
Zu bestechen weiß das Remake vor allem durch seine Bilderflut. Dass einen die opulenten, computergenerierten Sets schon sehr stark an die bekannten Welten aus "Blade Runner" oder "Minority Report" erinnern, ist dabei allerdings Fluch und Segen zugleich. Beeindruckend ja, aber irgendwie auch alles nur geklaut. Und zieht man die zeitgemäße Hochglanz-Optik ab, dann bleibt leider auch von der Wiseman-Variante der Geschichte nicht allzu viel Positives im Gedächtnis.
Die Handlung hetzt nur so von Geballer zu Geballer, ohne sich auch nur mal einen Augenblick Zeit für ihre Charaktere zu nehmen. Zweifellos ist Farrell ein besserer Schauspieler als Schwarzenegger, doch in der Bilder-Orgie mit Computerspiel-Ästhetik bleibt er erschreckend farblos. Vor allem jedoch erscheint seine Antwort auf die Frage, welcher seiner beiden Gegenspielerinnen im Film er denn in der Realität den Vorzug geben würde, geradezu symptomatisch. "Machst du Witze?", entfährt es ihm da. "Kein Kommentar." Offenbar ist er seit der gescheiterten Beziehung mit seiner Ex-Filmpartnerin Alicja Bachleda-Curus aus "Ondine" in Frauen-Fragen etwas dünnhäutig geworden. Und humorlos. So wie das Remake von "Total Recall".
Denn ganz sicher kein Witz ist es, wenn man dem Streifen geradezu Spaß-Feindlichkeit attestiert. So bierernst wie hier die Handlung vorgetragen wird, könnte man fast vermuten, die gesamte Crew hat sich zum Lachen ausschließlich im Keller verabredet. Dass es durchaus geht, auch düstere und harte Science-Fiction-Action mit einer gewissen Selbstironie vorzutragen, ohne dabei gleich in Albernheit abzugleiten, haben nun in der Tat schon zahlreiche Genre-Verwandte bewiesen. Ja, man muss es sagen: In dieser Hinsicht ist wahrlich auch das Schwarzenegger-Original der Neuauflage von "Total Recall" haushoch überlegen. Das war zumindest - noch häufiger freiwillig als unfreiwillig - komisch.
"Total Recall" 2012 läuft ab sofort in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de