Anarchie an der Eliteschule Machtspiele in "Wasted on the Young"
06.01.2012, 07:05 Uhr
Adelaide Clemens, die die Xandrie spielt, erinnert in ihrem Aussehen an Michelle Williams.
(Foto: Senator)
Chat-Rooms, Video-Streaming und Social Networks versprechen Mobbing auf höchstem virtuellen Niveau. Aus dem Opfer einer Massen-Vergewaltigung wird so ganz perfide die Schlampe der Schule. Xandrie passiert genau das - und sie kennt nur einen Ausweg.
Wer über den Menschen steht, ist keinem mehr Rechenschaft schuldig. Für gar nichts. Zack (Alex Russell) ist so jemand. Er geht auf die "beste und teuerste" Eliteschule Australiens, von Papa bezahlt. Aber er ist dort nicht nur einfach Schüler. Der gutaussehende Sunnyboy ist der Boss, der Star des Schwimmteams. Er fürchtet niemanden, weil er niemanden fürchten muss. Zack ist der Mittelpunkt, die Sonne, um die sich alles dreht. Jeder Schüler will sich in seiner Nähe sonnen, will von ihm wahrgenommen werden. Wenn Zack eine Party gibt, sind alle da, die hip und cool und angesagt sind. Wenn er dagegen jemanden uncool findet, dann ist er es auch - und wenn Zack sagt, dass jemand eine Schlampe ist, ist das in Stein gemeißeltes Gesetz. Und wehe, es zweifelt jemand an seinem heiligen Wort.
Darren (Oliver Ackland) tut das. Irgendwann. Er ist Zacks Stiefbruder. Darrens Mutter und Zacks Vater haben geheiratet, und weil sie auf Flitterwochen sind, wohnt Darren gemeinsam mit Zack in der Riesen-Strandvilla seines neuen Vaters. Als Darren Zack das erste Mal trifft und ihn fragt, wie "unsere Schule" so sei, ist Zacks lapidare Antwort nur: "Toll. Du wirst sie kennenlernen. Ich würde sie nur nicht unsere Schule nennen."
Partybesuch mit Nachwirkungen
Darren ist das genaue Gegenteil von Zack. Ihm ist egal, was andere über ihn denken. Er schwimmt nur, weil es ihm Spaß macht und auf Zacks Party verkrümelt er sich auf sein Zimmer um online mit einem Kumpel zu zocken. Sein Verhalten wird von den anderen Schülern und vor allem von Zacks Clique toleriert, einzig, weil er Zacks Bruder ist.
Alles ändert sich, als sich die hübsche Blondine Xandrie (Adelaide Clemens, "X-Men Origins: Wolverine") in Darren verguckt. Zack bekommt das mit und es gefällt ihm nicht. Wie kann jemand seinen Stiefbruder mehr mögen als ihn? Er beschließt ihr eine Lektion zu erteilen. Auf einer seiner legendären Parties - Alkohol, Koks und Drum & Bass inklusive - bekommt sie K.o.-Tropfen. Statt auf Darren trifft sie dann völlig neben sich auf Zacks Clique.
Am Tag darauf ist sie verschwunden. Darren findet lediglich ihr Handy - und macht sich Sorgen. Er überprüft die Überwachungskameras des Hauses, um herauszufinden, wann sie gegangen ist, aber die Festplatten sind gelöscht. Er sucht Xandries Freundin Ella (Geraldine Hakewill) auf, aber auch die hat keinen blassen Schimmer wo Xandrie steckt. Darren versucht mit den Mitgliedern von Zacks Clique zu sprechen, aber die blocken ab. Ein schrecklicher Verdacht reift in ihm heran: Ist Xandrie etwas zugestoßen?
Mobbing und Gruppenzwang
Als sie einige Tage später wieder an der Eliteschule auftaucht, wird sie von den anderen Schülern gemieden. Zack hat das Gerücht verbreiten lassen, sie habe sich auf der Party an ihn herangemacht, er habe sie abblitzen lassen worauf sie sich dem Rest der Clique an den Hals geworfen habe: "Sie hat fast alle von uns gefickt!" Und so geht es wie ein Lauffeuer durch sämtliche Social Networks: Xandrie ist eine Schlampe. Selbst Schuld an dem, was auch immer passiert ist.
Was passiert ist, weiß Xandrie selbst nicht, wie sie irgendwann Darren eingesteht. Sie hat einen Filmriss, ist irgendwann am Morgen nach der Party allein am Strand aufgewacht. Aber Xandrie hat eine Vermutung - und Darren auch. Das Problem dabei: Sie können nichts beweisen. Zack und seine Kumpane werden mit ihrer "Nummer" durchkommen, denn sie sind unantastbar, Beweise hin oder her.
Zeuge oder Komplize?
Xandrie hält die Situation nicht mehr aus. Sie erscheint eines Tages mit einer Waffe in der Schule, richtet sie auf den am Boden liegenden Zack. Dessen lapidaren Worte: "Nichts wird sich ändern. Alles bleibt so. Du wirst immer noch die verrückte Schlampe sein und ich der arme Junge, von dem sich jeder wünscht, du hättest ihn in Ruhe gelassen." Xandrie richtet sich selbst.
Doch jetzt ist Darren alles egal. Er schmiedet einen ausgeklügelten Racheplan gegen seinen Stiefbruder und dessen Allmacht. Auf einer weiteren von Zacks angesagten Parties setzt er ihn in die Tat um - mit Hilfe aller anderen Schüler, denn er appelliert an ihre Moral, und spielt Zacks Waffe des Gruppenzwangs ("Bist du nicht für mich, bist du gegen mich.") gegen ihn aus. Darren stellt die Schüler vor die Wahl. Sein Motto: Wenn du etwas siehst und nichts tust, dann bist du kein Zeuge, sondern ein Komplize. Das hat ihn Xandrie gelehrt.
Überzeugendes Regiedebüt
Drehbuchautor Ben C. Lucas ist mit seinem Regiedebüt "Wasted on the Young" ein sehr eindrucksvoller Film gelungen, der unserer Jugendgesellschaft schonungslos direkt den Spiegel vors Gesicht hält. Gespickt mit philosophischem Tiefgang, jeder Menge Drum & Bass und Social Networking bis zum Abwinken trifft "Wasted on the Young" den Nerv der Zeit und versprüht optisch höchst innovativ seinen Charme.
Der Film kratzt dabei nicht nur an der Oberfläche und endet auch nicht mit einem Amoklauf voller Gewaltexzesse. "Wasted on the Young" geht tiefer. Er berührt und hinterlässt ein flaues Gefühl in der Magengegend.
Das liegt vor allem am bemerkenswerten Schauspiel der Jungdarsteller-Riege. Aus dieser sticht Adelaide Clemens hervor, die von ihrem Äußeren an eine jüngere Version der mehrfach für einen Oscar und Golden Globe nominierten Michelle Williams ("Blue Valentine", "Dawson‘s Creek") erinnert. Absolut sehenswert!
Quelle: ntv.de