"You’ll never walk alone" "Liverpool Goalie": Die Pubertät ist hart
15.03.2012, 17:21 Uhr
Nur wer fest zupacken kann, braucht keine Angst zu haben.
(Foto: Drei Freunde)
Das Leben von Jo ist eine einzige Problemzone: Er ist ein Mathegenie und eine Niete als Fußballtorwart. Er wird in der Klasse schikaniert und zu Hause von seiner übervorsichtigen Mutter betüddelt. Seine große Liebe ist das Sammeln von Fußballkarten - bis Mari in sein Leben tritt.
"Welcome to the fields of Anfield Road! Welcome to Liverpool FC!" Es gibt wohl keinen Fußballverein der Welt, der so viele Sympathien genießt wie der FC Liverpool. Wenn im Stadion das Lied "You’ll never walk alone" aus Zehntausenden Kehlen sich zu einer Hymne aufschwingt, geraten Fußballfans weltweit in schiere Ekstase. Die Härchen im Nacken stehen stramm, ein wohliger Schauer gleitet langsam den Rücken entlang, löst Gänsehaut auf den Armen aus und ein Grummeln in der Magengegend. Man spürt etwas, das nicht beschreibbar ist. Man verändert sich, wird zum Teil von etwas Großem, von etwas, das mehr ist als nur die Summe der einzelnen banalen kleinen Teile. "Es" ergreift Besitz von dir, hält dich fest, lässt dich nicht wieder los. Du fühlst dich lebendig, frei, riesig. Du bist nun ein Teil der "Reds", so wie Arild Andresen. Er muss einfach ein Liverpool-Fan sein - anders ist sein Film "Liverpool Goalie" nicht zu erklären.
Eins gleich vorweg: "Liverpool Goalie" ist kein Film über Fußball per se. Schon gar kein Film über Hooligankultur. Und auch kein Film über den FC Liverpool. Er ist damit auch kein neuer "Fever Pitch", "66/67" oder "The Firm". "Liverpool Goalie" ist ein Kinderfilm, ein Jugendfilm, ein Familienfilm. Und er ist preisgekrönt, mehrfach sogar: Er wurde etwa mit dem Gläsernen Bären der Berlinale 2011, mit dem Don-Quijote-Preis des Kinderfilmfestivals Lucas in Frankfurt und dem Hauptpreis beim Kinder- und Jugendfilmfestival Final Cut ausgezeichnet. Kurzum: "Liverpool Goalie" ist ein außergewöhnlicher Streifen, und - ganz typisch norwegisch - eine Komödie mit jeder Menge schwarzem Humor, Herz und Tiefgang!
Wie hart kann das Leben eigentlich sein?
Der Film dreht sich um Jo Idstad (Ask von der Hagen). 13 Jahre alt. Fußballfan? Ja. Fußballspieler? Nein, nicht unbedingt, denn das ist viel zu gefährlich: "Fußball ist nicht gerade die sicherste Sportart. Es sterben Menschen auf norwegischen Fußballfeldern. Jahr für Jahr. Es kratzt nur keinen." Jo ist ein Träumer, der in seiner Fantasie lebt und sich alles bildlich vorstellt, bis ins kleinste Detail. Das hat er von seinem Vater. Der hat ihm einst auch Handgrips geschenkt, mit dem Rat: "Nur wer fest zupacken kann, braucht keine Angst im Leben zu haben." Allerdings starb er kurz darauf, weil er in der Dusche ausgerutscht ist. Jos Lehre daraus: Ein bisschen Angst vor dem Leben kann also nicht schaden.
Seine übervorsichtige Mutter Else (Andrine Saether) bestätigt ihn noch darin und warnt Jo jeden Tag vor den Gefahren des Alltags - wie Fußball spielen oder gar Fußballkarten sammeln. "Mit diesen Fußballkarten muss man außerordentlich vorsichtig sein, weil man abhängig wird! Erinnerst du dich an die Ex-Frau vom Zahnarzt? Die Hübsche? Die steht jetzt bloß noch in der Spielhalle am Automaten. Den ganzen Tag. Lebt in einer winzigen Wohnung. Hat nicht mal mehr Geld fürs Essen!"
Jo sammelt die Bildchen trotzdem, wie alle Jungs in seiner Klasse, von Jos Kumpel Einar (Mattis Asker) bis zum Klassenpsycho Tom Erik (Jostein Sranes Brox). Tom Erik ist einen Kopf größer als Jo, hat zwei äußerst schlagkräftige Argumente und seine Kopfnüsse mit der Faust sind angsteinflößend. Auseinandersetzungen mit ihm geht Jo sicherheitshalber aus dem Weg, wer will schon durch zu viele Kopfnüsse mit 13 Jahren eine Glatze kriegen? Da ist das Leben doch quasi schon vorbei! Und das der Familie gleich mit: Wer will schon einen 13-jährigen, glatzköpfigen Sohn haben? Also lieber ohne zu Murren die Hausaufgaben von Tom Erik machen und dafür die eigene Haarpracht behalten. Sicher ist sicher.
Jos Fußballkarten-Sammlung ist komplett. Sozusagen. Fast jedenfalls. Eigentlich fehlt nur eine einzige Karte: die begehrteste und wertvollste, die, hinter der alle Jungs der Klasse her sind, die des Torwarts vom FC Liverpool. Wenn Jo die nur hätte, dann wäre er all seine Sorgen los, denkt er. Er wäre mit einem Schlag beliebt, trotz seiner Vorliebe für mathematische Gleichungen mit mehreren Unbekannten. Er würde bewundert werden, ja, angehimmelt. Was für ein schöner Traum, ein Tagtraum. Jo träumt häufig - und erwacht meist böse, etwa an seinem Schulranzen von Tom Erik an der Garderobe aufgehängt.
Zupacken und am Ball bleiben

Jo will Mari, aber die keinen Angsthasen. Aber Jo hat Angst vor Tom Erik. Das Leben kann so kompliziert sein.
(Foto: Drei Freunde)
Doch dann kommt eine neue Schülerin in die Klasse: Mari (Susanne Boucher). Sie ist schön, hat keine Angst vor Tom Erik - und liebt mathematische Gleichungen mit mehreren Unbekannten! Endlich jemand zum Fachsimpeln. Wahnsinn. Aber: Mari mag keine Angsthasen und sie spielt sehr gut Fußball. Das kommt für Jo einer Katastrophe gleich. Um Maris Zuneigung zu gewinnen, gibt er vor, der beste Torwart weit und breit zu sein - allerdings gerade verletzt. Schlimm verletzt natürlich. Der Antrag auf Sportinvalidität ist bereits gestellt, flunkert er mit ihr. Natürlich kommen Jos Lügen heraus. Mari ist sichtlich enttäuscht darüber, was Jo eigentlich doch für eine Memme ist.
Aber urplötzlich meint es das Schicksal doch noch gut mit Jo: Er findet die Sammelkarte des "Liverpool Goalie". Nun muss sich doch alles zum Besten wenden, alle Probleme sich in Luft auflösen?! Jo wird Tom Erik los, seine überängstliche Mutter wird endlich normal, er kommt mit Mari zusammen, die ihm dann noch seinen ersten Kuss beschert - und er fängt an, Fußball zu spielen, als Torwart. Und da er dank der täglichen Übungen mit den Handgrips seines Vaters so gut zupacken kann, wird er der Star des Fußballteams. Er bekommt einen Profivertrag und wird selbst der "Liverpool Goalie".
Hat Jo wieder alles nur geträumt? Wer weiß … Es sterben schließlich auch Menschen auf norwegischen Fußballfeldern. Jahr für Jahr. Es kratzt nur keinen. Oder doch? "Walk on, walk on, with hope in your heart. And you’ll never walk alone!"
Quelle: ntv.de