STIKO-Chef Mertens bei ntv Alternative Zweitimpfung wohl kein Risiko
09.04.2021, 16:18 Uhr
STIKO-Chef Mertens erwartet keine Probleme, wenn nach einer Erstimpfung mit Astrazeneca auf einen anderen Impfstoff ausgewichen wird.
(Foto: picture alliance/dpa)
Das Wirrwarr um den Impfstoff von Astrazeneca verunsichert viele Menschen in Deutschland. Bei ntv stellen sie dem Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission (STIKO), Professor Thomas Mertens, ihre Fragen. Vor allem die Frage, was nun mit der Zweitimpfung ist, treibt viele um.
ntv: Viele unserer Zuschauer haben Fragen zu den Impfungen und speziell natürlich zum Impfstoff von Astrazeneca. Wolfgang Pohl schreibt: Ältere Menschen wurden bislang mit Biontech geimpft. Es gibt also keine Erfahrung bei der Impfung über 65 Jahre mit Astrazeneca. Warum hat man dann die Impf-Empfehlung einfach umgedreht? Ich bin jetzt 66 und möchte mich, wenn ich dran bin, auch impfen lassen. Seit der Entscheidung bin ich allerdings sehr verunsichert.
Thomas Mertens: Die Untersuchungen des Paul-Ehrlich-Instituts haben in den letzten 14 Tagen ergeben, dass es ein gewisses Risiko für eine seltene Nebenwirkung nach Astrazeneca-Impfen bei den jüngeren unter 60-Jährigen gibt. Deswegen hat die STIKO die Astrazeneca-Impfung für die Älteren empfohlen. Das ist aufgrund der neueren Datenlage aus England möglich, denn dort hat man mit den Ältesten angefangen und dann die Altersgruppen von den Ältesten zu den Jüngeren hindurch geimpft. Und man hat dort bei sehr vielen Impfungen, vielen Millionen, keine schweren Nebenwirkungen bei den Älteren gesehen. Das ist ein starkes Argument dafür. Man muss auch bedenken, dass die akuten Nebenwirkungen nach der Impfung, also Schmerzen an der Injektionsstelle, Fieberreaktionen, das, was bekannt ist, bei jüngeren Menschen sehr viel häufiger vorkommen als bei älteren Menschen. Der Einschätzung der STIKO nach ist das Impfen älterer Menschen mit dem Astrazeneca-Impfstoff sicher, während das Impfen von Menschen unter 60 eben nicht so sicher ist. Die Nebenwirkungen sind nicht sehr häufig, aber man kann sie nicht wegdiskutieren.
Monika Kräuter hat geschrieben, sie ist 57: Ich bin erstgeimpft mit Astrazeneca und würde nach der aktuellen Empfehlung lieber einen mRNA-Impfstoff nehmen für die Zweitimpfung. Habe ich dann nach dieser zweiten Impfung den vollen Impfschutz oder brauche ich dafür sogar eine dritte Impfung, um länger anhaltenden Impfschutz haben?
Wissenschaftlich wissen wir das nicht ganz genau. Ich würde im Augenblick davon ausgehen, dass Sie nach der Auffrischung mit dem mRNA-Impfstoff einen vergleichbaren Impfschutz haben wie nach zwei Impfungen mit dem gleichen Impfstoff. Aber in den nächsten Wochen wissen wir es ganz genau und sicher.
Petra Splistesa aus Oranienburg schreibt: Ich bin 64 Jahre alt und werde nach der Impfung mit Astrazeneca die zweite Impfung nicht nehmen. Bin ich trotzdem geschützt?
Bedingt ja. Wir wissen aus Studien, auch aus den Zulassungsstudien, dass es auch einen recht guten Schutz nach nur einer Astrazeneca-Impfung gibt. Das ist mittlerweile gut bekannt. Vor allem aus dem Vereinigten Königreich. Auf Dauer wird dieser Impfschutz aber nachlassen, wird eine erneute Impfung nötig. Deshalb empfiehlt die STIKO, die erste Grundimmunisierung mit dem Astrazeneca-Impfstoff durch eine Vervollständigung mit einem mRNA-Impfstoff nochmals aufzufrischen.
Marie-Luise Schwarzer schreibt: Ich würde gerne wissen, wie man das mit stillenden Müttern sehen muss, die gerne geimpft werden wollen. Das sind junge Frauen in einer natürlichen Hormon-Umstellung nach der Geburt, die heutzutage oft viele Monate stillen. Und ein kleines Kind, das ja vermutlich durch die Muttermilch etwas abkriegt. Wie muss das gesehen werden? Wie ist die Stellungnahme der STIKO?
Die Stellungnahme der STIKO ist, dass es hierzu keine guten Daten gibt. Derzeit in der gesamten Weltliteratur nicht. Diese Daten werden gerade erarbeitet. Die STIKO ist aber der festen Überzeugung, dass für stillende Mütter kein Risiko erwartet werden kann. Weder für die Mutter noch das gestillte Kind.
Dann schreibt Martina Trautenberg: Wie verhält es sich mit dem Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung? Nach Astrazeneca ist der zweite Impftermin nach zehn bis zwölf Wochen vorgesehen. Aber gilt das dann auch für eine zweite Impfung mit Biontech?
In der Situation, dass nach einer ersten Astrazeneca-Impfung mit Biontech die zweite Impfung erfolgen soll, gelten im Prinzip die zwölf Wochen aus der Regelung mit Astrazeneca. Wir sind uns aber der Tatsache bewusst, dass viele Menschen nach der ersten Astrazeneca-Impfung schon einen Termin neun Wochen später erhalten haben. Und wir halten es für möglich, so zu verfahren. Zumal in vielen Fällen die Neuorganisation der Impftermine kaum möglich ist. In der Übergangszeit sollten die Menschen, die einen Impftermin nach neun Wochen bekommen haben, diesen auch wahrnehmen. Auch mit Biontech, und wenn diese Gruppe durchgeimpft ist, dann wird man auch auf den Zwölf-Wochen-Abstand gehen.
Genau zur zweiten Impfung mit möglicherweise einem mRNA-Impfstoff hat auch Günter Lauer die Frage: Meine Frau wurde vor zwei Wochen mit Astrazeneca geimpft. Sie soll Mitte Juni die zweite Spritze erhalten. Da kann ein anderer Impfstoff eingesetzt werden. Aber gibt es bereits Studien beziehungsweise Erfahrungen?
Beim Menschen gibt es diesbezüglich keine nennenswerten Studien. Die Studien laufen derzeit in Großbritannien, aber jetzt auch in Deutschland. Wir werden in einigen Wochen die Ergebnisse haben. Man kann zur Beruhigung sagen, dass wirklich nicht davon auszugehen ist, dass diese Impfung mit einem alternativen Impfstoff ein Sicherheitsrisiko für Ihre Frau darstellt. Ob die Immunreaktion nach dieser Impfung die gleiche ist wie nach zwei Astrazeneca-Impfungen, das wissen wir noch nicht. Ich gehe davon aus, dass das so sein wird, aber genau wissen wir das nicht. Selbst wenn das nicht der Fall wäre, also die Zweitimpfung nicht zu dem gleichen immunologischen Effekt führt, besteht ja die Möglichkeit, durch eine weitere mRNA-Impfung dann die Auffrischung nochmals vorzunehmen.
Mit Professor Thomas Mertens sprach Nina Lammers
Quelle: ntv.de, vpe