Sorge vor weiteren Dammbrüchen Ausländische Nothelfer sterben bei Darna
18.09.2023, 11:27 Uhr Artikel anhören
Helfer beerdigen Opfer der Überflutungen. Noch immer werden Tote in der verwüsteten Stadt Darna gefunden.
(Foto: dpa)
Noch immer werden in Libyen Tausende Menschen vermisst, Zehntausende sind obdachlos. Für Rettungsorganisationen ist die Lage herausfordernd: Straßen und Brücken sind zerstört, Hilfsaktionen sind nicht koordiniert. Am Wochenende verunglücken auch noch griechische Nothelfer. Und die UN sorgen sich wegen weiterer Dämme.
Bei einem schweren Autounfall sind am Sonntag in Libyen fünf griechische Nothelfer ums Leben gekommen, 14 weitere wurden verletzt. Das bestätigte der griechische Regierungssprecher Pavlos Marinakis im Sender Skai. Bei den Toten handelt es sich um drei Nothelfer und zwei Übersetzer. Die Leichen der Menschen sowie 13 der Verletzten wurden bereits mit Militärmaschinen zurück nach Griechenland geflogen, ein weiterer Verletzter befindet sich noch in einem libyschen Krankenhaus.
Libyschen Behörden zufolge waren bei dem Frontalzusammenstoß eines Busses der griechischen Helfer mit einem Privatwagen auch drei Mitglieder einer fünfköpfigen libyschen Familie ums Leben gekommen. Der Unfall soll sich Medienberichten zufolge in der Nähe der Stadt Darna, auch bekannt als Derna, ereignet haben. Die Griechen waren eingeflogen, um bei den schweren Überschwemmungen in Libyen zu helfen, bei denen Tausende Menschen ums Leben kamen und weiterhin Tausende vermisst werden.
Leichengeruch hängt über Darna
Zwei Dammbrüche hatten in der Nacht zum vergangenen Montag in der Hafenstadt Darna schlimmste Zerstörungen angerichtet. Das UN-Nothilfebüro (OCHA) sprach am Sonntag von rund 11.300 Toten in Darna und weiteren 10.100 Vermissten. Zudem seien 170 Todesfälle aus anderen Regionen im Osten des Landes gemeldet worden. OCHA bezog sich auf den Roten Halbmond, wie Rotkreuzgesellschaften in muslimischen Ländern oft heißen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden bis Ende vergangener Woche rund 4000 Todesopfer identifiziert und mit Totenscheinen registriert.
Die Verzweiflung bei den Bewohnern ist groß. Zehntausende Menschen warten weiter auf Nachricht über ihre vermissten Angehörigen und auf Hilfe in der Not. Nach Angaben einer BBC-Reporterin hängt der durchdringende Geruch von verwesenden Leichen über Darna. Am Strand türmten sich Betonteile, Reifen, Kühlschränke und Autos, die mit Wucht ins Meer gespült und dann wieder angeschwemmt worden waren. Aus den Schuttbergen würden immer noch Tote geborgen. Nach Angaben von Taufik al-Schukri, dem Sprecher des Roten Halbmonds, wurden am Samstag aus eingestürzten Gebäuden auch noch Überlebende geborgen worden.
Konvois mit Hilfsgütern in kilometerlangen Staus
Zwar treffen in dem armen, vom jahrelangen Bürgerkrieg gezeichneten nordafrikanischen Land über den Flughafen Bengasi immer mehr Hilfsgüter ein. Aber von dort ins Katastrophengebiet sind es Hunderte Kilometer. Viele Straßen und Brücken sind zerstört und Konvois mit Hilfsgütern bleiben in kilometerlangen Staus stecken, wie Caroline Holt, globale Einsatzleiterin der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, auf der Plattform X, früher Twitter, berichtete. Die Verteilung von Essen, Medikamenten, Planen und anderem bleibt schwierig. Helfer dringen nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen darauf, dass die Einsätze besser koordiniert werden.
Nach Schätzungen der UN-Organisation für Migration (IOM) haben mehr als 40.000 Menschen ihre Bleibe verloren. Die Zahl liege wahrscheinlich deutlich höher. In vielen der schwer getroffenen Gebiete seien noch keine Zählungen möglich gewesen. Aus Sorge über die Ausbreitung von Krankheiten wie Cholera wies die Regierung in der Hauptstadt Tripolis die Wasserwerke an, Trinkwasser zu verteilen.
Bis Samstag wurden etwa 150 Durchfallerkrankungen durch verschmutztes Trinkwasser gemeldet, sagte der Leiter des Zentrums für Krankheitsbekämpfung, Haidar al-Sajih. Der libysche Staatsanwalt Al-Sedik al-Sur hat wegen der Dammbrüche Ermittlungen aufgenommen. Die Dämme sollen Risse gehabt haben, und es soll Geld für die Instandhaltung bereitgestellt worden sein. Der Staatsanwalt will den Verbleib der Gelder nun klären, wie er sagte.
Derweil wächst die Sorge vor weiteren Dammbrüchen. Das UN-Nothilfebüro OCHA äußerte am Sonntagabend "ernsthafte Bedenken" über den Dschasa-Damm zwischen der teils zerstörten Stadt Darna und Bengasi und den Kattara-Damm nahe Bengasi. Ein weiterer Dammbruch könnte noch mehr Zerstörung und menschliches Leid verursachen, heißt es. Nach Angaben der Behörden seien allerdings beide Dämme in gutem Zustand und funktionierten, so das Nothilfebüro weiter. Am Dschasa-Damm würden nach Angaben der Behörden Pumpen installiert, um den Druck von der Staumauer zu nehmen.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP