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Neuer Tag, neues Tief "Der Sommer bleibt vorerst im Kriechgang"

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Wenn es intensiver kracht, dann sind neben Starkregen und Hagel auch Sturmböen denkbar.

Wenn es intensiver kracht, dann sind neben Starkregen und Hagel auch Sturmböen denkbar.

(Foto: picture alliance/dpa)

Während die Temperaturen in den beliebten Urlaubsländern Italien, Griechenland und Spanien hoch bleiben, geht der Sommer in Deutschland auf Tauchstation. Im Interview erklärt ntv-Meteorologe Björn Alexander, wann der Sommer sich mit einem Lebenszeichen zurückmeldet.

ntv.de: Zuletzt wurden nahezu weltweit außergewöhnlich hohe Wassertemperaturen gemeldet. Wo sind die Extreme derzeit am größten?

Björn Alexander: Das betrifft mit bis zu 5 Grad überm Durchschnitt unter anderem die atlantischen Seeregionen vor den Küsten Nordamerikas im Bereich Neufundland, die pazifischen Bereiche vor Japan sowie die Regionen von der südamerikanischen Küste entlang des Äquators, wo sich der beginnende El Niño bemerkbar macht. Und natürlich ebenfalls den gesamten Mittelmeerraum, wo zum Anfang der Woche ein neuer Rekord vermeldet wurde.

Wie warm ist beziehungsweise war es denn?

Am Montag hat die durchschnittliche Temperatur an der Wasseroberfläche im Mittelmeer 28,71 Grad betragen. Das war die höchste jemals im Mittelmeer gemessene Tagestemperatur. Der bisherige Rekord lag bei 28,25 Grad - gemessen während der extremen Hitzewelle im Sommer 2003. Parallel gab es aber weltweit tatsächlich auch Bereiche, in denen das Wasser noch deutlich wärmer war.

Welche?

Vor den Küsten Floridas wurde am Montagabend an einer Messboje in 1,50 Metern Wassertiefe eine Temperatur von 38,44 Grad registriert. Die Bojen drumherum lassen diesen krassen Wert ebenfalls plausibel erscheinen, da sie zwischen 32 und 38 Grad vermeldeten. In dieser Tiefe eigentlich unvorstellbar.

Was können die Auswirkungen dieser Extreme sein?

Grundsätzlich bedeuten höhere Temperaturen mehr potenzielle Energie und damit unter anderem intensivere Wettereignisse - vorausgesetzt, die Wetterlagen zapfen diese Wärme tatsächlich an. So sind beispielsweise im Süden Europas im Spätsommer sowie im Herbst intensivere Sturm- und Unwetterereignisse denkbar, die bis zu uns nach Deutschland reichen können.

Hitze-Sommer gleich Unwetter-Herbst - das wäre also denkbar?

Auf jeden Fall. Vorausgesetzt, die Großwetterlage passt. Zudem hat der Wärmeüberschuss im Mittelmeer auch direkte Auswirkungen. Er sorgt nämlich in Südeuropa dafür, dass sich die Hitzewelle selbst verstärkt und erhält.

Gibt es in den Waldbrandregionen Chancen für rettenden Regen?

Leider nicht. Bis weit in den August hinein soll es laut aktuellen Prognosen in weiten Teilen Spaniens, im Süden Italiens und dann herüber bis nach Griechenland und in die Türkei verbreitet trocken weitergehen. Außerdem ist der Wind immer wieder eine lebhafte Angelegenheit, was die Feuer zusätzlich anfachen kann und nochmals unberechenbarer macht.

Ein begleitendes Thema bei den Waldbränden ist auch die Frage nach den Ursachen der Feuer. Was sind die Auslöser?

ntv-Meteorologe Björn Alexander

ntv-Meteorologe Björn Alexander

(Foto: Privat)

Im Allgemeinen gehören Wald- und Buschfeuer zum Gang der Natur. Das zeigen zum Beispiel Pflanzengemeinschaften wie die sogenannten Pyrophyten - also Pflanzen, die an häufigere Feuer angepasst sind und die dementsprechend in trockenen warmen bis heißen Breiten vorkommen. Insofern gibt es auch natürliche Brandursachen wie Blitzeinschläge. Aber: Selbst Temperaturen um die 50 Grad lösen keine Feuer aus. Dafür müssten es schon ein paar hundert Grad sein. Den deutlich größeren Anteil hat, wenn es um das Entfachen der Feuer geht, der Mensch. In 9 von 10 Fällen liegen die Gründe im Bereich der Unachtsamkeit oder der Absicht - zum Beispiel Brandstiftung zur Baulandgewinnung.

Vom Extremwetter im Süden unseres Kontinents zum Sommer in Deutschland: Wie lange bleibt er noch auf Tauschstation?

Regional bekommen insbesondere der Süden und der Südosten unseres Landes mal ein kleines Lebenszeichen des Sommers mit Spitzen bis zu 27 Grad. Alles in allem bleibt es aber bis in den August hinein beim abwechslungsreichen Ringelreigen der Tiefdruckgebiete mit leichtem Hang zum Frühherbst. Immerhin: Dürre und Trockenheit sind - anders als in den vergangen Jahren - bei uns kein Thema mehr.

Mit wie viel Regen können wir denn noch rechnen?

Schauen wir auf die klassischen Wettermodelle, die zum Teil schon bis ans Ende des ersten August-Drittels rechnen, dann könnte es bis dahin verbreitet 25 bis 60 Liter pro Quadratmeter geben. Nochmals wesentlich spendabler zeigen sich die Vorhersagen für den Alpenrand sowie den Westen und den Nordwesten, durchaus mit Regensummen von 80 bis 100 Litern oder sogar mehr.

Ist das schon sicher?

Nach jetzigem Stand passt das auf jeden Fall auch zu den experimentellen Langfristtrends für den August, die uns einen eher durchschnittlichen bis zu nassen August 2023 zeigen. Kurzum: Der Sommer bleibt wohl vorerst im Kriechgang und legt frühestens zur Monatsmitte den Turbo ein.

Was bedeutet das für die kommenden Tage im Detail?

Zum Start ins Wochenende serviert der Sommer dem Süden und dem Südosten am Samstag eine kleine Kostprobe mit Spitzen bis zu 27 Grad. Ansonsten gilt die Devise: neuer Tag, neues Tief. Das bringt oftmals Schauer und örtliche Gewitter, die zum Teil kräftig ausfallen können. Besonders, wenn diese den Osten und den Süden erreichen.

Mit Unwettern?

Auszuschließen sind sie leider nicht. Wenn es intensiver kracht, dann sind neben Starkregen und Hagel auch Sturmböen denkbar.

Und am Sonntag?

Kühlt es mal wieder auf 18 bis 25 Grad ab. Immerhin: Vom Südwesten diagonal übers Land bis in den Nordosten schaut es mit zeitweiligem Sonnenschein gar nicht übel aus. Im übrigen Land bleibt es indes wechselhafter, teilweise auch gewittrig.

Welche Aussichten beschert uns die nächste Wetterwoche?

Am Montag kommt von Westen das nächste Tiefdruckgebiet heran. Wenig überraschend beschreiben die Wettercomputer einen teils sehr trüben und ebenso nassen Wochenstart. Einziger Lichtblick ist der Süden mit mehr Sonne und weniger Regen. Das Ganze bei 18 bis 24 Grad, bevor die Sturmgefahr ansteigen wird.

Sturm statt Sommer - wie kommt es dazu?

Auf der Rückseite des Montagstiefs erwartet uns neben Blitz, Donner und mitunter länger anhaltendem Regen auch ein stark bis stürmisch auffrischender Wind. Je nach Zugrichtung des Tiefs wäre auch eine brisantere Sturmentwicklung möglich. Einzelheiten sind noch unklar. Sicherer ist hingegen, dass es im Süden und Osten 20 bis 26 Grad werden. Im Westen und Norden reicht es dagegen nur für 15 bis 20 Grad.

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Bieten uns die Vorhersagen anschließend irgendwelche Hoffnungsschimmer?

Insgesamt sind die Prognosen zur Wochenmitte sehr wechselhaft. Regengüsse samt Blitz und Donner, gepaart mit Sonne zwischendrin, erinnern eher an den April als an den August. Zumal der westliche Wind wiederholt im Rennen ist und auf die Temperaturbremse drückt. Mittwoch erreichen die Temperaturen 16 bis 23, Donnerstag 18 bis knapp 25 Grad.

Quelle: ntv.de

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