Panorama

39 Prozent noch ohne Impfung Deutscher Impf-Motor stottert gewaltig

Fast gähnende Leere im Impfzentrum im sächsischen Löbau. Die Impfmüdigkeit ist aber überall in Deutschland zu spüren.

Fast gähnende Leere im Impfzentrum im sächsischen Löbau. Die Impfmüdigkeit ist aber überall in Deutschland zu spüren.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Die Zahl der binnen sieben Tagen durchschnittlich verimpften Dosen sinkt in Deutschland auf ein Drei-Monats-Tief. Nur noch 481.000 Dosen werden aktuell im Schnitt verimpft. Besorgnis erregt vor allem, dass die Zahl der Erstimpfungen extrem einbricht. Einstige Rekorde rücken in weite Ferne.

Die Impfbereitschaft der Deutschen schwindet extrem. Nachdem die durchschnittliche Zahl (Sieben-Tage-Schnitt) der täglichen Impfungen am 14. Juni mit mehr als 867.000 ihren Höchststand erreichte, sinkt sie seither kontinuierlich. Zuletzt wurde sogar die Marke von 500.000 täglichen Impfungen im Sieben-Tage-Schnitt unterschritten. Am gestrigen Donnerstag lag der Durchschnittswert gerade noch bei 481.000 Impfungen. So niedrig war er zuletzt am 11. April.

Beunruhigend ist, dass besonders die Zahl der Erstimpfungen einbricht. Am gestrigen Donnerstag haben sich nicht einmal 129.000 Menschen in ganz Deutschland ihre Erstimpfung verabreichen lassen. Bei den Zweitimpfungen waren es mehr als 436.000 Impfdosen. Letzte resultieren aus Erst-Impfungen, die vor vielen Wochen oder gar Monaten stattfanden - je nach Impfstoffanbieter. Auch wenn sicher viele Deutsche aktuell verreist sind, so deutet die geringe Zahl der Erstimpfungen doch auf eine gewisse Impfmüdigkeit hin.

Das Impfen in Deutschland gehe nicht schnell genug, findet auch der Virologe Christian Drosten. Er sei "zunehmend besorgt über den Impffortschritt", sagte der Leiter der Virologie der Berliner Charité in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. "Hier kommen wir nicht schnell genug voran, obwohl genug Impfstoff zur Verfügung steht." Viele Menschen wähnten sich angesichts einer niedrigen Inzidenz in Deutschland in einem falschen Sicherheitsgefühl. "Es ist wichtig, jetzt sehr viel mehr Informationsarbeit zu leisten - auch im privaten Umfeld, damit die Impfquote schneller ansteigt. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit von erneuten schmerzhaften Eingriffen im Winter", erklärte Drosten. Auch er wünsche sich, dass nicht noch einmal Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens notwendig werden.

Ganz ähnlich äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in der Bundespressekonferenz. Die Infektionszahlen stiegen derzeit "mit einer deutlichen und, wie ich finde, auch besorgniserregenden Dynamik", so Merkel. "Wir haben ein exponentielles Wachstum", erklärte sie. "Wir müssen davon ausgehen, dass wir in weniger als zwei Wochen jeweils eine Verdopplung haben." Neben der Beibehaltung der wichtigen Corona-Schutzmaßnahmen sei das Impfen der Schlüssel zur Überwindung der Pandemie, warb die Kanzlerin intensiv für die deutsche Impfkampagne.

Als mahnende Beispiele für Deutschland dienen etwa Israel oder Großbritannien. Dort verlief die Impfkampagne zunächst enorm schnell, beide Länder galten als Musterbeispiele. Bei rund 60 Prozent Erstgeimpften in der Bevölkerung stagnierten die Zahlen in beiden Ländern jedoch. Das lag unter anderem daran, dass zum Zeitpunkt der Stagnation nur wenige Neuinfektionen auftraten. Viele Corona-Maßnahmen wurden zurückgenommen, viele Menschen konnten ihr alltägliches Leben wieder aufnehmen. Mit Auftreten der deutlich aggressiveren Delta-Variante stiegen die Zahlen in beiden Ländern jedoch deutlich an.

Großbritannien hat mittlerweile mehr als 50.000 Neuinfektionen täglich, zudem steigen langsam auch die Zahlen von Corona-Infizierten in den Krankenhäusern. Im Vereinigten Königreich sind mit knapp 70 Prozent allerdings bereits deutlich mehr Menschen mindestens einmal geimpft als in Deutschland. Experten schätzen, dass 80 bis 90 Prozent vollständig geimpfte Menschen über 16 Jahren notwendig sein werden, um die Pandemie dauerhaft in den Griff zu bekommen. In Deutschland haben nach wie vor fast 40 Prozent der Gesamtbevölkerung keine Impfdose gespritzt bekommen.

Quelle: ntv.de, als

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