
Der Zug soll nicht nur in Corona-Zeiten hilfreich sein.
(Foto: Ferrovie dello Stato)
Die Infektionslage in Italien verschlimmert sich zusehends. Mit einem Zug, der auch Intensivbehandlungen ermöglicht, will die Bahn jetzt die Krankenhäuser entlasten - nicht nur in Italien, sondern europaweit.
Bei seiner ersten Videoansprache an die Nation letzten Montag versuchte der italienische Ministerpräsident Mario Draghi etwas Zuversicht zu verbreiten. Die Massenimpfkampagne würde in Kürze starten und das sei ein wichtiger Schritt, um aus der Pandemie zu kommen. Nur: Im Moment steigen die Fallzahlen wieder beängstigend und die Regierung beschloss für die Osterfeiertage erhebliche Beschränkungen. Das Wissenschaftliche Gesundheitskomitee hatte sogar einen erneuten landesweiten Lockdown ins Gespräch gebracht.
Italien versucht, die Infektionszahlen im Griff zu behalten oder wenigstens auf Schlimmeres vorbereitet zu sein. Am Montag stellte die Staatsbahn, Ferrovie dello Stato (FS), einen "Sanitätszug" vor, der im Fall von Notsituationen die Krankenhäuser entlasten und die Patienten in andere Kliniken transportieren soll. Dieses Feldlazarett auf Schienen setzt sich aus acht Waggons zusammen, denen weitere angehängt werden können. Es ist mit den wichtigsten, lebenserhaltenden Apparaten ausgestattet, darunter 21 Lungenbeatmungsgeräte, ein Ultraschallgerät, 21 Monitore und zwei Blutgasanalysegeräte. Insgesamt können in dem Zug 21 Patienten betreut werden, auch Intensivpatienten.
Gianfranco Battisti, Vorsitzender des Verwaltungsrats von FS, hob während der Pressekonferenz hervor, dass dieser Zug natürlich auch für die jetzige Pandemie bestimmt sei, er könne aber auch "in Zukunft eingesetzt werden". Zum Beispiel bei Naturkatastrophen wie Erdbeben. "Der Zug kann bei Notfällen auch von anderen Ländern beansprucht werden, denn er ist so entwickelt worden, dass er sich an jedes Schienennetz anpassen kann, was ein weiteres Unikum darstellt", fügte Battisti hinzu. Auf die Frage, ob schon Einsätze vorgesehen sind, lautete die Antwort der zuständigen FS-Stelle: "Nein, noch nicht".
Impfen bleibt ein Problem
Einen aktiven Beitrag will die Staatsbahn auch bei der Massenimpfung leisten und hat in dieser Woche ein erstes Impfzentrum gleich beim römischen Hauptbahnhof Termini bereitgestellt. Hier können täglich 1500 Menschen geimpft werden. Weitere elf FS-Impfzentren sollen in Kürze in anderen Städten folgen. Auch in Italien geht die Impfkampagne nur schleppend voran. Der Grund dafür sind, wie in der ganzen EU, die mangelnden Lieferungen.
Für großes Aufsehen und eine irritierte Reaktion in Brüssel hat Anfang dieser Woche die Nachricht gesorgt, die helvetisch-italienische Pharmafirma "Adienne Pharma & Biotech" habe mit dem "Russian Direct Investment Fund" (RDIF) ein Abkommen unterschrieben, um in ihrer Produktionsstätte nahe Mailand den russischen "Sputnik V"-Impfstoff herzustellen. Dieser wird mittlerweile auch in Ungarn und in der Republik San Marino verabreicht, ist aber von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) noch nicht bewilligt worden. Die stellvertretende Präsidentin der Region, Letizia Moratti, wies darauf hin, dass es sich um ein Abkommen unter Privatunternehmen handle. "Adienne Pharma & Biotech" versicherte wiederum, dass man "Sputnik V" nur außerhalb der EU verkaufen werde, solange die EMA kein grünes Licht für den Einsatz in der EU gebe.
Auch aus den vom Design her sehr schönen Impfpavillons, mit denen der mittlerweile ehemalige Covid-19 Sonderkommissar Domenico Arcuri den italienischen Stararchitekten Stefano Boeri beauftragt hatte, ist nichts geworden. Die Herstellung wäre zu zeitaufwendig und zu teuer gewesen. Jeder Pavillon hätte 400.000 Euro gekostet, vorgesehen waren lediglich bis zu 1200 Euro. Der von Premier Draghi neu ernannte Sonderkommissar, General Francesco Paolo Figliuolo, der seit 2018 für die Logistik des italienischen Heers zuständig war, will stattdessen alle schon zur Verfügung stehenden Strukturen, angefangen bei den Kasernen, für die Massenimpfung nutzen. Auch die Videotrilogie, mit der der Oscar-Regisseur Giuseppe Tornatore an das Herz der Italiener appellieren und sie von der Notwendigkeit überzeugen sollte, sich impfen zu lassen, geriet zu einem Fiasko. Das erste, in dem man in einem Pflegeheim eine ältere Frau und eine junge Frau sieht, die sich von einer durchsichtigen Plastikplane geschützt umarmen, war kein Erfolg. Es heißt, das Video sei zu traurig gewesen und deswegen nicht gut beim Publikum angekommen. Was aus den anderen zwei geworden ist, weiß man nicht.
Hoffen auf den Nichteinsatz
Der Präsident der Lombardei, Attilio Fontana, äußerte sich bei der Besichtigung des Sanitätszuges sehr stolz über den Beitrag, den die lombardische Behörde für Notsituationen beim Umbau dieses ehemaligen IC-Zuges geleistet habe. Er fügte hinzu, er hoffe aber, dass nirgendwo eine Notlage entstehe, die den Einsatz dieses Zuges erfordere.
Das hörte sich wie ein whishfull thinking an, denn gerade in der Lombardei wird die Lage von Tag zu Tag kritischer, besonders in Brescia und im Großraum Mailand. In der Region liegen die Fallzahlen momentan bei 310 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Und wie anderswo in Europa ist es die sich rapide verbreitende britische Variante, die am meisten Sorge macht.
Nichtsdestotrotz will die italienische Staatsbahn positiv denken und hat deswegen neben dem "Sanitätszug" auch ihren ersten coronafreien Hochgeschwindigkeitszug Freccia Rossa angekündigt. Der soll Anfang April die Strecke Mailand-Rom bedienen. Bis Sommeranfang sind weitere vorgesehen, die zu den beliebtesten Touristenzielen führen, also auch nach Neapel, Florenz und Venedig. Um in diese Züge einsteigen zu können, müssen Passagiere und Personal entweder einen negativen Test nicht älter als 78 Stunden vorweisen oder sich vor dem Einsteigen testen lassen. Ob das auch für geimpfte Passagiere gilt, ist noch nicht geklärt. Trotzdem erscheint es vielen Italienern als Lichtschimmer am Horizont.
Quelle: ntv.de