
Auch in Paris sollte man die richtigen Adressen kennen.
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Ab Ende Juli wird Paris Olympiastadt, es wird sogar in der Seine geschwommen. Sportlich wird es aber auch für Besucher, die versuchen, günstig ein Hotelzimmer zu ergattern - oder überhaupt einen Tisch in einem guten Restaurant. Deshalb hier Tipps von unserem ntv.de-Restauranttester und Frankreich-Experten.
Bevor der Wahnsinn beginnt, war ich vor zwei Wochen noch einmal in Paris. Die französische Hauptstadt glich einer gigantischen Baustelle. Es gab kaum ein Gebäude, kaum eine Straße, die nicht irgendwie abgehangen, abgestrahlt, ausgebessert wurde. Paris wird auf links gekrempelt, so wollte es Präsident Emmanuel Macron - und bei Großprojekten zeigen die Franzosen eben immer noch, dass sie die besseren Deutschen sind: diszipliniert, versiert und zumeist auch pünktlich.
Nur dass die berühmten Bouquinisten die Quais an der Seine aus Sicherheitsgründen räumen sollten, räumte der Präsident höchstpersönlich noch ab - Tradition und Moderne sollen sich in Paris begegnen dürfen. Zur Eröffnung der Olympischen Spiele am 26. Juli soll hier alles glänzen. Und das wird es. Doch was glänzt, kostet eben auch - und so ist es wohl keine Übertreibung, dass diese Olympischen Spiele für die Besucher wohl die teuersten werden, zumindest für die Urlaubskasse.
Wie erinnere ich mich noch an die Tage, in denen die Pandemie die Stadt fest im Griff hatte - der zweite Lockdown war gerade aufgehoben, Hotels und Restaurants waren geöffnet, aber die Touristen waren noch nicht zurück. So gab es Hotelzimmer in besten Lagen für 100 Euro - und jeder Pariser bekam in der eigenen Stadt endlich mal den Restauranttisch, den er wollte, ohne wochenlang vorher reservieren zu müssen. Die Stadt war glückselig.
Alle wollen nach Paris
Seitdem herrscht in der Hauptstadt Goldgräberstimmung - das Zauberwort heißt "Nachholtourismus". Gerade wollen alle nach Paris, die Japaner, die Chinesen, die Araber, die Briten, die Deutschen und vor allem die Amerikaner, die es der Erfolgsserie "Emily in Paris" nachmachen wollen - und sowieso schon auf der ganzen Welt dabei sind, die Hotelpreise zu versauen, weil sie bereit sind, selbst die unmöglichsten Raten zu bezahlen.
Seit der Pandemie haben sich nach meiner simplen Beobachtung die Preise für ein Doppelzimmer mehr als verdoppelt. In meiner liebsten Absteige, einem schönen, aber einfachen Hotel im 7ten, zahlte ich vor drei Jahren mit viel Glück 150 Euro, heute sind es 350. Im Nobelpalast Crillon waren es vor drei Jahren 800 Euro, heute sind es beinahe 2000 - und zu Olympia werden diese Marken noch einmal geknackt, so viel ist sicher.
Ah, und natürlich wird sich die Stadt der Liebe und des Sports für die heißen Wochen im Juli und August auch kulinarisch herausputzen. Im Hochsommer sind ja in normalen Jahren viele Restaurants geschlossen, weil auch die Wirte lieber am Strand liegen, als in Hemd und Fliege zu schwitzen. Das Olympia-Geschäft aber werden sie sich nicht entgehen lassen.
Und das wird in Paris lecker wie niemals zuvor. Auch eine Folge der Pandemie, wie mir Sternekoch Mory Sacko vor einiger Zeit erzählte. Weil die Touristen wegblieben, standen die vielen miesen Touristenfallen-Restos vor der Entscheidung: Pleite oder kochen üben. So war es eine natürliche Auslese, die nur die Restaurants überstanden haben, die sich der Qualität zuwandten. Tatsächlich ist Frankreichs Hauptstadt derzeit so kulinarisch gut und zudem freundlich wie selten vorher.
Aber damit Sie die sportlichen Pariser Tage nicht nur gastronomisch, sondern auch finanziell schadlos überstehen, kommen hier meine ultimativen Geheimtipps für neue leckere Adressen:
Lava
Um die Ecke des Boulevard Saint-Germain haben eben erst zwei junge Gastwirte ihren Laden eröffnet, pünktlich zu Olympia. Lava heißt das Restaurant, in dem Wilfried Romain am Herd steht. Wilfried? Ja, Romains Vater war Deutscher, so wuchs der junge Mann im Südwesten Deutschlands auf.
Kochen lernte er in Paris und in Chile, bevor er durch die Kochsendung Top Chef bekannt wurde. Nicht zu Unrecht. Sein messergeschnittenes Kalbstatar mit Chimichurri gehört derzeit zu den besten der Stadt und ist mit 18 Euro fair kalkuliert. Der gelbe Heilbutt wird mit Miso gegrillt und mit grünem Curry serviert - formidable! Chef-Sommelièr Rémi Badjoint sorgt für beste Weine zu fairen Preisen, täglich zwischen 16 und 19 Uhr wird das Lava zu einer Weinbar, in der es feine Bretter mit Käsen und Schinken aus dem Südwesten gibt.
Brasserie Lipp
Mein Allzeitfavorit genau auf dem Boulevard Saint-Germain ist die Brasserie der Schriftsteller und Flaneure. Ich liebe es hier aus zwei Gründen: Erstens ist es das ultimative Sehen und Gesehen werden - und zwar so stilvoll wie nirgendwo sonst. In dem alten Brauhaus, in dem die Brasserie Lipp beheimatet ist, sitze ich am liebsten an einem hölzernen Tisch in der Ecke vor den alten Spiegeln, denen die Patina angewachsen ist. Ein Schild weist darauf hin, dass die Hunde weder auf die Bänke klettern noch gefüttert werden dürfen. Und dann ist es einfach ein herrliches Schauspiel, wenn die alten Pariser Damen sich très chic machen und ihre noch älteren Herren hierher ausführen. Und wenn die Touristen von den versierten Maîtres diskret ins obere Stockwerk geführt werden.
Wer hier etwas auf sich hält, sitzt unten - kein Pariser würde sich nach oben führen lassen. Und zweitens: Das Essen ist einfach richtig gut. Deftige Küche mit Elsass-Einschlag, kraftvoll und aromenstark, ohne Kompromisse. Mein Favorit: Hering mit lauwarmen Kartoffeln, Säure, Würze, Umami. Grandios sind die Austern von meinem liebsten Züchter Joel Dupuch vom Cap Ferret. Und das gegrillte Eisbein. Unschlagbar - auch wenn man nach diesem Genuss keinen olympischen Sprint mehr hinlegen kann.
Jeanne-Aimée
Wechseln wir die Seine-Seite. Wie im Lava findet sich auch im Jeanne-Aimée das Phänomen, das ich in Deutschland schmerzlich vermisse: junge Köche, die sich etwas zutrauen. Die einen kleinen Laden mieten und dann einfach loslegen, in dem guten Wissen, dass Qualität sich durchsetzt - mittags und abends.
Gourmet-Bistrotküche heißt hier das Konzept, genau an der Kirche Notre-Dame-de-Lorette unweit der großen Boulevards. Die Besitzer um Chefkoch Sylvain Parisot besaßen zuerst einen Gemüsegarten in den Yvelines südlich von Paris, dann einen Laden in der Stadt, in der sie ihre Gemüse verkauften. Und nun eben dieses Juwel von einem Restaurant, das nur in der Woche geöffnet hat.
Der Laden mit der hohen Decke und dem Lichthof ist wunderschön, in der offenen Küche brutzeln sie, was das Zeug hält. Mittags gibt's zwei Gänge für 36 Euro, drei Gänge für 42 Euro, wenig Geld für diese Qualität. Dafür gibt es gebackenen Blumenkohl mit Selleriereduktion und gegrillten Mandeln oder Rochen in Nussbutter, Polenta-Espuma und jungen Erbsen.
Boubalé
Assaf Granit ist einer der bekanntesten Köche Israels, auch wenn Paris schon seit Langem seine Wahlheimat ist. In Berlin eröffnete Granit vor anderthalb Jahren das "Berta" zu Ehren seiner gleichnamigen Großmutter. Der nächste Streich war das Boubalé im Erdgeschoss des nigelnagelneuen Luxushotels Le Grand Mazarin im Marais.
Dort bleibt Granit, der tätowierte Koch mit dem grauen Bart und den stechenden Augen, seinem Konzept treu: ein Crossover aus der Küche des Nahen Ostens, immer mit Verweisen nach Israel, in die arabische Welt und in die Traditionen der aschkenasischen Juden.
Das Restaurant ist floral und wild eingerichtet, Blümchentapeten, bequeme Sofas zum Versinken, farbenfrohe Stühle - und es ist laut hier, sehr laut. Die Musik scheppert, in der Küche wird militärisch hin- und hergerufen. Es ist Partystimmung und beste Küche - etwa bei Kaved Katzutz, der Geflügelleber mit karamelisierten Zwiebeln und Pfeffer. Oder bei Ptitim Risotto mit Spinat und Rote-Beete-Blättern. Grandios auch die Dorade mit indischem Sabju-Gewürz, Pinienkernen und Joghurt-Sauce.
Crêperie Beaubourg
Seit 1997 gibt es meine liebste Crêperie an dem kleinen Platz genau am farbenfrohen Brunnen der Niki de Saint Phalle. Hier lässt es sich herrlich draußen sitzen - und die Crêpes sind für mich tatsächlich die besten von Paris.
Wobei: Es sind nicht so sehr die Crêpes, derentwegen ich in die Crêperie Beaubourg komme. Sondern die Galettes. Das sind die herzhaften Crêpes aus Buchweizenteig. Die sind hier so luftig, fluffig und dennoch knusprig, dass es ein himmlischer Genuss ist. Mein liebster ist ganz klassisch: "Quimper" - mit Kochschinken, Käse, Spiegelei und Champignons für nur 9,15 Euro. Oder "Touraine" mit Ziegenkäse, Speck und Crème Fraiche. Oder "Norvégienne" mit Lachs, Estragon und Salat. Den simplen Nutella-Crêpe gibt es natürlich auch. Oder die "Chataigne" mit grandioser Maronencrème. Der Apfelwein wird von den bretonischen Besitzern traditionell in Bols serviert, weißen Tassen mit rotem Rand.
Wenn Sie sich den olympischen Wahnsinn im sommerlichen Paris wirklich antun, dann sind Sie jetzt kulinarisch gerüstet. Bon voyage & bon appétit!
Quelle: ntv.de