Panorama

Aus der Schmoll-Ecke Europa zu Gast bei Freunden, Rassisten, Islamisten

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Kicken geht ja immer.

Kicken geht ja immer.

(Foto: IMAGO/PA Images)

Wir lassen uns weder die Lust auf Sylt, an Liedern, Weihnachtsmärkten noch der EM der Fußballer (männlich, eventuell divers) nehmen. Das Motto lautet: Augen zu, Rassismus tot. Und auch der "schreckliche Tod von Mannheim" bietet Anlass zu (schlechten) Witzen.

Leute, was für Zeiten, in denen wir leben. Lauter Irre, die die Erde im Großen und im Kleinen zu einem Jammertal machen. Ich könnte heulen, will aber die Hochwassergefahr nicht weiter forcieren. Überall brechen die Dämme, nicht nur entlang der Flüsse. Ich könnte nicht ein, sondern viele Lieder davon singen, wie bekloppt die Welt geworden ist, weiß allerdings nicht so recht, welches noch risikofrei getrillert werden kann, ohne schief angeguckt, in den a-sozialen Medien gebasht zu werden oder gleich auf die Fresse zu kriegen.

Neulich hörte ich im Auto, wo ich bevorzugt die Musik meiner Jugend feiere, das Live-Album "Nocturne" von Siouxsie and the Banshees und sang wie immer "Israel" mit: "We are never on our own - When we're singing, singing - Home, home! - On to Israel" (Wir sind nie allein - Wenn wir singen, singen - Nach Hause, nach Hause! - Auf nach Israel"). Schiebedach offen. Ich hatte Glück. Keine der Uni-Besetzenden und Greta-Anhängenden hat mich gefilmt und als "Unterstützer des Apartheid-Regimes" zum Internet-Hit gemacht, versehen mit Herzchen und "Likes" - eins davon von einer Uni-Präsidentin, die dadurch in die Kritik gerät und dann ganz allein entscheiden durfte, ob sie ihr Amt weiter ausführen will. Lang lebe die Demokratie!

"Ich trete nicht zurück", hat sie mittlerweile verkündet. Jawoll. Während Juden sich sorgen müssen, wo sie überhaupt noch hin und sicher leben können, verspricht die Frau Uni-Präsidentin, an ihren Fehlern zu arbeiten - was wir alle entschieden begrüßen.

Ganz so viel Glück hatten die Sylter Rassisten nicht, die wurden gleich gefeuert. Da kam kein Rat zusammen und fragte, ob sie ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild und/oder eine totale Macke haben, eine solche Scheiße zu "singen", und vielleicht aus ihrem Fehler lernen wollen. Verdammung führt schnurstracks in Verbitterung und da heißt es: jetzt erst recht (rechts). Als Sehr-Gutmensch befürworte ich gerade den Teil des demokratischen Rechtsstaats, der versucht, jedem eine zweite Chance zu geben und ihm zu helfen, sie zu nutzen.

Runter von Sylt

Bevor ich als Nazi-Versteher durchgehe: Ich fand die Sylter Gesänge in vielerlei Hinsicht übelst. Wie muss man drauf sein, Rassismus in Party-Lieder zu verpacken und dabei offensichtlich Spaß zu haben? Aber auch mit der Chichi-Ästhetik von Prada-Pia und Rolex-Robert kann ich rein gar nichts anfangen. Vielleicht war der Grund, warum die Republik so heftig reagierte, weil es sich um scheinbar bestens integrierte Inländer handelte, deren Leben eher ein Ponyhof ist als für die meisten Einwanderer und deren Nachfahren, die dafür sorgen, dass der öffentliche Nahverkehr rollt, DHL-Pakete ankommen, der Müll abgeholt wird und die Krankenhäuser nicht zusammenbrechen. Nachrichten aus Sachsen sind wir gewohnt, Nachrichten von Sylt nicht.

Das Standgericht der a-sozialen Medien hat umgehend sein Urteil gesprochen und den Sylter Champagner-Freaks Gebrechen aller Art an den Hals gewünscht. Alles Nazis! Nazis raus! Wenigstens runter von Sylt, um "ein Zeichen" zu setzen. Den Furor in breiten Schichten der Gesellschaft hätte ich mir zum Mord an dem Polizisten in Mannheim ebenfalls gewünscht. Islamisten raus! Islamisten raus? Schauen wir doch mal, wie sich die Lage in Afghanistan und Syrien entwickelt, wo Leute regieren, die nachweislich nicht islamophob sind, was hier aber keine Rolle spielt.

Schieflage - und Mannheim ist tot?

Ein junger Mensch, der das Grundrecht eines Islamophoben auf Meinungsfreiheit schützte, wird von einem Afghanen erstochen und tagelang wird vorsichtig formuliert, ob es sich vielleicht, eventuell, möglicherweise um ein islamistisches Motiv handeln könnte. Vielleicht hatte der Angreifer einen Dachschaden, schlechte Laune oder beides - man weiß es nie. Da waren die Sylter Ponys doch um einiges schneller als brandgefährliche Nazis überführt, die schon Remigrationspläne für ganz Deutschland in der Schublade haben, gab es kein Pardon, wurden Klarnamen und ihr Gesichter umgehend veröffentlicht.

Das ist kein Whataboutism, sondern ein schnöder Vergleich mit dem Ergebnis: Schieflage. Das erklärt ein wenig, warum die Wahrheitspresse in bestimmten Kreisen als Lügen- oder Lückenpresse bezeichnet wird.

In einem relativ bekannten Magazin befasste sich ein Gastkommentar zwei Tage nach dem Mannheimer Attentat mit der Frage: "Wie werden sie (Polizisten - Anm. d. Autors) darauf vorbereitet, sich zu orientieren in einem komplexen Konfliktfeld, zwischen radikalen Anti-Islam-Aktivisten und gewalttätigen Islamisten?" Ein wichtiger Aspekt. Aber kann der nicht warten? Da frage ich als Mensch (und nicht als Sehr-Gutmensch), wie es der Familie und den Kollegen des Ermordeten dabei geht. Oder was sie fühlen, wenn eine Abgeordnete im Berliner Landesparlament ihre Besserwisserei in eine ach so witzige Frage kleidet wie: "Mannheim ist tot?", nachdem die Innensenatorin sagte: "Der schreckliche Tod von Mannheim zeigt uns ...". Das Mandat wird die Abgeordnete nicht verlieren, weil sie gelobt, aus Fehlern zu lernen.

Ein bisschen Frieden, ein bisschen aufwachen

Zum Glück gibt es die Politik, die auch anders kann und jetzt wirklich und ganz echt mal so richtig knallhart, um nicht zu sagen: megaknallhart, durchgreift. Den Bösen keine Chance. Das gilt - annähernd acht Jahre nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt - nun auch für fiese Islamisten, die nun superschnell abgeschoben werden.

Denn wir lassen uns weder die Lust auf Sylt, auf Lieder oder Weihnachtsmärkte, noch an der EM der Fußballer (männlich, eventuell divers) nehmen, wenn Europa zu Gast bei Freunden, Rassisten und Islamisten ist. Schon gar nicht vom WDR, diesen Spaßverderbern, und seinen Umfragen. Der Herr Bundestrainer sagte doch klipp und klar: "Ich hoffe, nie wieder etwas von solchen Scheiß-Umfragen lesen zu müssen." Genau: Augen zu, Rassismus tot!

Blöder WDR. Wollte von Deutschen wissen, ob nicht mehr Weiße in der Nationalmannschaft der Fußballer (männlich, eventuell divers) kicken sollten. Und 20 Prozent bejahen das. Da findet der Herr Bundestrainer, "dass wir mal ein bisschen aufwachen" sollten. So wie Nicole sich auch schon mit "ein bisschen Frieden" zufriedengab. Das hat ja geklappt, bisher jedenfalls steht der Russe nicht am Brandenburger Tor. Irgendwie ist das gerade alles zum Heulen. Aber: Siehe oben!

Quelle: ntv.de

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