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Brite erwartet Prozess Lockt Katar Homosexuelle mit Grindr-Profilen in die Falle?

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Manuel Guerrero (r.) mit seinem Bruder Enrique, der jetzt um seine Freilassung kämpft.

Manuel Guerrero (r.) mit seinem Bruder Enrique, der jetzt um seine Freilassung kämpft.

(Foto: privat)

Manuel Guerrero lebt in Katar, ist britischer und mexikanischer Staatsbürger und schwul. Letzteres macht ihn offenbar zum Ziel einer Aktion der katarischen Sicherheitsbehörden. Anfang Juni beginnt ein Prozess gegen ihn, allerdings nicht wegen der im Land verbotenen Homosexualität, sondern wegen angeblicher Drogenvergehen.

Die künstliche Insel "The Perl" ist eine der exklusivsten Wohngegenden in Doha, der Hauptstadt von Katar. Die Tourismusbehörde beschreibt das rund 14 Quadratkilometer große Areal als einen Ort, an dem "Luxus, Entspannung und eine prosperierende Gemeinschaft friedlich Hand in Hand gehen". Für Manuel Guerrero wurde dieser Ort zur Hölle.

Ein Bild des Grindr-Fake-Profils der katarischen Behörden. Inzwischen warnt die App Nutzer.

Ein Bild des Grindr-Fake-Profils der katarischen Behörden. Inzwischen warnt die App Nutzer.

(Foto: privat)

Am Abend des 4. Februars kommt es zum Treffen mit einem Mann, der sich auf der LGBTQ-Dating-Plattform Grindr "Gio" nennt. Laut seines Profils mag er Karaoke, Fußball und hat eine Katze.

Guerrero, der die britische und mexikanische Staatsbürgerschaft hat, will diesen Mann kennenlernen, lädt ihn zu sich in die Wohnung auf "The Perl" ein. Was dann passiert, beschreibt sein Bruder Enrique Guerrero ntv.de so: "Manuel ging in die Lobby und als er unten war, wurde er sofort in Handschellen gelegt und festgenommen. Das war willkürlich, sogar nach katarischem Standard."

Die katarischen Behörden geben an, sie hätten nach der Festnahme Amphetamine in der Wohnung des 45-Jährigen gefunden und ihn deshalb mitgenommen. Wohlgemerkt nach der Festnahme, für die es dann gar keinen Grund gegeben hätte. "Die fragliche Festnahme und die anschließenden Ermittlungen beziehen sich ausschließlich auf den Besitz und die Verbreitung illegaler Substanzen, ohne dass andere Faktoren eine Rolle spielen", sagt ein katarischer Beamter dem britischen "Guardian".

Bruder spricht von Folter

Insgesamt 43 Tage verbringt Guerrero im Gefängnis, laut seines Bruders ohne Anwalt und ohne einen Übersetzer. Die Bedingungen in der Haft sollen menschenunwürdig gewesen sein: "Der Staat Katar hat ihn viele Male gefoltert. Sie zwangen ihn, mit anzusehen, wie andere Gefangene ausgepeitscht wurden und drohten ihm, das Gleiche mit ihm zu machen, wenn er sein Handy nicht entsperrt. Er sollte die Namen weiterer Personen in Katar preisgeben, die zur LGBTQ-Gemeinschaft gehören. Sie verhörten ihn in der Nacht, mitten in der Nacht, auch um die Namen seiner Sexualpartner zu kriegen." Die Vorwürfe des Drogenbesitzes seien nicht mehr Teil der Vernehmungen gewesen.

Die Behauptungen von Manuel Guerrero und seiner Familie lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Viele der Vorwürfe über seine Behandlung nach seiner Festnahme ereigneten sich hinter verschlossenen Türen und mit wenigen Zeugen. Frühere Recherchen von ntv und RTL sowohl über die Behandlung der LGBTQ-Gemeinschaft als auch über das Verhalten der Polizei im Land deuten aber darauf hin, dass andere Menschen ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Homosexualität ist in dem Wüstenstaat streng verboten und wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren bestraft.

James Lynch, ein ehemaliger britischer Diplomat in Katar und jetzt Co-Direktor der Menschenrechtsorganisation FairSquare, sagte der BBC: "Es ging von Anfang an um seinen LGBT-Status und seinen Wunsch, diesen Status und seine Identität zum Ausdruck zu bringen." Guerrero sei ein LGBT-Mensch und über eine Dating-App angesprochen worden. "So etwas macht man nicht, es sei denn, das ist das, worauf man sich konzentriert."

Prozess im Juni

Für Manuel Guerrero, der als Projektmanager von Qatar-Airways arbeitete, kommt in Gefangenschaft ein Umstand noch erschwerend hinzu: Er leidet an HIV. Laut seiner Familie haben die Behörden ihm in Haft immer wieder seine antiretroviralen Medikamente verweigert. "Nach etwa fünf oder sechs Tagen, an denen sie ihm das antiretrovirale Mittel gaben, haben sie wieder damit aufgehört, um noch mehr psychologischen Druck auf Manuel ausüben. Sie haben seine HIV-Infektion wie eine Foltermethode genutzt." Beamte aus Katar sagten der BBC, Manuel sei "während seiner Haft mit Respekt und Würde behandelt worden".

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Bis heute hat Manuel Guerrero keinen Kontakt aus seinem Adressbuch an die katarischen Behörden weitergegeben. "Das ist der Grund, warum sie weiterhin Druck auf ihn ausgeübt haben", vermutet sein Bruder. Er hat die britische und die mexikanische Botschaft in Doha eingeschaltet, ein Verfahren bei der UN in Genf eingeleitet und eine Demo in London organisiert: "David Cameron und das Auswärtige Amt müssen schnell handeln, denn das Leben und die Gesundheit eines Menschen ist in Gefahr. Die britische Botschaft hat die Folter und die Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, die Manuel erlitten hat."

Seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis darf Manuel Guerrero Doha nicht verlassen. Seinen Job bei Qatar-Airways hat er verloren, er leidet an posttraumatischem Stress. Immerhin einen Anwalt hat Guerrero mittlerweile, gemeinsam bereiten sie sich auf den ersten Gerichtstermin am 4. Juni vor - offiziell ist es weiterhin ein Prozess wegen Drogenbesitzes. Sein Bruder Enrique beharrt darauf, dass Manuel Guerrero keine Drogen genommen habe, und sagt, man habe ihm eine kleine Menge Methamphetamin untergeschoben und er habe unter "Druck" bestätigt, dass sie ihm gehört. Wegen Drogenbesitzes und -konsums droht ihm katarischen Angaben zufolge eine Gefängnisstrafe zwischen sechs Monaten und drei Jahren.

Quelle: ntv.de

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