Folgen der Rekord-Inzidenzen Omikron-Welle erreicht Kliniken - droht der Kollaps?
22.03.2022, 17:50 Uhr
Immer mehr Covid-Patienten auf Normalstationen und erkranktes Personal: Krankenhäuser schlagen Alarm.
(Foto: picture alliance/dpa)
Ziel der Corona-Maßnahmen war es immer, die Krankenhäuser vor einer Überlastung zu bewahren. Nun fallen die meisten Beschränkungen weg - mitten in der Omikron-Welle. Dabei stoßen viele Kliniken angesichts der hohen Infektionszahlen schon jetzt an ihre Grenzen.
Gefühlt ist Corona vorbei. Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz hat die Bundesregierung, so scheint es, den Kampf gegen die Pandemie aufgegeben. Deutschland lockert. Gleichzeitig gibt es immer neue Infektionsrekorde. Aktuell meldet das Robert-Koch-Institut eine Sieben-Tage-Inzidenz von 1733. Das ist der höchste Wert seit Pandemiebeginn. Täglich stecken sich bundesweit hundertausende Menschen an. Doch die hohen Zahlen haben durch die Omikron-Variante an Schrecken eingebüßt. Denn obwohl sich die Variante deutlich schneller und leichter ausbreitet als bisherige Corona-Mutanten, ist der Verlauf bei einer Omikron-Infektion bei den meisten leichter.
An den Krankenhäusern geht das dennoch nicht spurlos vorbei: Die Anzahl der Patientinnen und Patienten mit Corona-Infektion in den Kliniken hat ein bisher noch nicht bekanntes Rekordniveau erreicht, teilt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) mit. "Vom 1. Februar 2022 bis heute sind die Zahlen um 60 Prozent auf mittlerweile mehr als 24.000 Patientinnen und Patienten gestiegen", sagt der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß vor wenigen Tagen. "Das zeigt deutlich, dass sich die Rekord-Inzidenzen auch in den Krankenhäusern niederschlagen."
Der Grund: Wenn es mehr Infizierte gibt, gibt es automatisch auch mehr schwerere Fälle. Hinzu kommen Patienten, die wegen einer Operation, einer Herzerkrankung oder zur Entbindung ins Krankenhaus kommen und deren Tests dann positiv sind. Einige Experten warnen aber bereits davor, die Omikron-Variante zu verharmlosen.
Man dürfe das Risiko nicht unterschätzen, mahnt Matthias Baumgärtel, Oberarzt auf der Intensivstation im Klinikum Nürnberg. "Wir haben Patienten, die lange mit Omikron auf Station liegen, und wir haben auch Patienten, die an Omikron sterben", sagt er dem ZDF. Besonders gefährdet seien Ungeimpfte, aber auch Geimpfte, Ältere, Immungeschwächte und Patienten mit Vorerkrankungen. Bundesweit sterben täglich immer noch mehr als 200 Menschen im Zusammenhang mit dem Virus. Und auch Virologin Sandra Ciesek warnt im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Omikron ist alles andere als ein Schnupfen."
"Wir haben flächendeckend ein Problem"
Doch nicht nur die Zahl der Patienten, die mit oder wegen Covid-19 eingeliefert werden, macht den Kliniken zu schaffen. Auch immer mehr Krankenhausmitarbeitende infizieren sich oder müssen aufgrund eines Erstkontakts in Quarantäne. "Wir haben flächendeckend ein Problem mit Personalausfällen durch Quarantäne und Isolation", sagt Gaß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass 75 Prozent der Krankenhäuser nicht mehr in der Lage sind, ihr normales Leistungsangebot anzubieten."
Immerhin: Die Impfungen scheinen zu wirken. Denn auf den Intensivstationen hat sich die Lage stabilisiert. Aktuell befinden sich dort laut DIVI-Intensivregister 2347 Covid-Patienten, der Höhepunkt lag bei fast 6000 im Winter 2020/21. Momentan sind damit insgesamt fast 20.200 Betten belegt, 4188 Betten sind noch frei.
Doch auch die Intensivstationen haben mit massiven Personalausfällen zu kämpfen. "Eine hohe Zahl von positiv getestetem Personal ist für viele Krankenhäuser sehr belastend", sagt der Präsident der Intensivmediziner-Vereinigung DIVI, Gernot Marx, der "Augsburger Allgemeinen". "So geben derzeit auch wieder 518 von 1320 Intensivstationen an, in einem eingeschränkten Betrieb zu arbeiten." In Nordrhein-Westfalen habe man "sehr deutlich einen Karnevalseffekt gespürt".
Ein besonders prominentes Beispiel dafür ist das Uniklinikum Köln. Nach dem Karneval fielen rund 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus, weil sie infiziert waren oder in Quarantäne mussten, wie t-online berichtet. "Die große Anzahl an gleichzeitig fehlenden Mitarbeitern ist eine enorme Herausforderung", sagte der Direktor der Klinik, Edgar Schömig, dem Nachrichtenportal. Planbare Behandlungen hätten verschoben werden müssen.
Kein Durchatmen auf lange Sicht
Aber auch Krankenhäuser anderer Bundesländer stehen vor ähnlichen Problemen: "Im Bewusstsein vieler Menschen ist die Omikron-Welle eigentlich schon vorbei, in den Krankenhäusern war und ist sie das definitiv nicht", sagt die Ärztliche Direktorin des Sankt Vincentius Krankenhauses Speyer, Cornelia Leszinski, dem SWR. Die Personalsituation ist in mehreren Kliniken in Rheinland-Pfalz weiter angespannt, so auch im Klinikum Ludwigshafen, in der Stadtklinik Frankenthal oder im Hetzelstift-Krankenhaus in Neustadt. In letzterem mussten dem Bericht zufolge zwei Stationen bereits zeitweise geschlossen und planbare Operationen verschoben werden, weil sich dort mehr als 40 Beschäftigte mit Corona infiziert hatten.
Noch können die Corona-bedingten Ausfälle ausgeglichen werden, heißt es aus den meisten Kliniken. Ein Kollaps ist somit derzeit nicht in Sicht. Allerdings mahnt DKG-Chef Gaß: Die hohen Inzidenzen ließen auch in den kommenden Wochen kein Durchatmen erwarten.
Quelle: ntv.de