Fleischskandal trifft Großkonzern Pferd auch in Nestlé-Produkten
19.02.2013, 06:55 Uhr
Verbraucher sind verunsichert: Was ist in ihrem Essen enthalten?
(Foto: dpa)
Bisher ist im Zusammenhang mit dem Pferdefleischskandal stets von wenig bekannten Produzenten die Rede, die No-Name-Fertigprodukte für Handelsketten herstellen. Bisher. Denn nun muss auch der Lebensmittel-Multi Nestlé einräumen, dass womöglich nicht deklariertes Pferdefleisch in zwei seiner Artikel zu finden ist.
Mit Nestlé erreicht der Pferdefleisch-Skandal nun den ersten Lebensmittel-Großkonzern. Bei Tests sei Pferde-DNA in zwei Nudel-Produkten nachgewiesen worden, für die ein deutsches Unternehmen Fleisch geliefert habe, teilte der Schweizer Konzern mit. Die in Italien und Spanien verkauften Sorten Buitoni-Rindfleischravioli und Rindfleisch-Tortellini seien daraufhin sofort freiwillig vom Markt genommen worden.
Der Anteil von Pferdefleisch habe über einem Prozent gelegen, führte Nestlé aus. Auch ein in Frankreich hergestelltes Tiefkühl-Fleischprodukt von Nestlé soll demnach aus dem Verkehr gezogen werden. Es handelt sich den Angaben zufolge um eine Fertig-Lasagne, die für Gastronomiebetriebe hergestellt wird.
Neue Funde bei Lidl in der Schweiz
Der Konzern entschuldigte sich bei seinen Kunden und kündigte an, als Konsequenz höhere Standards einzuführen und die Rückverfolgbarkeit der Zutaten zu verbessern. Eine Gesundheitsgefährdung gehe von den falsch deklarierten Produkten nicht aus.
Zudem meldete der Schweizer Ableger der Supermarktkette Lidl die Rücknahme von Produkten, in denen Pferdefleisch gefunden wurde. Dabei handelt es sich um die Artikel "Combino Penne Bolognese" des deutschen Herstellers Copack und "Coquette Ravioli Bolognese" des französischen Herstellers William Saurin.
Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner schließt derweil nicht aus, dass sich der Skandal um nicht deklariertes Pferdefleisch in Fertigprodukten noch ausweitet. "Wir gehen davon aus, dass es noch weitere Erkenntnisse gibt, weil die Behörden gerade mit ihren Untersuchungen anfangen. Insofern gehe ich nicht davon aus, dass es heute zu Ende ist", sagte die CSU-Politikerin im SWR.
Grüne geben Aigner die Schuld
Nach ihrer Einschätzung sind zur Aufklärung des Skandals grenzüberschreitende Ermittlungen der Justiz nötig. Es sei zu vermuten, dass es sich um ganz legal geschlachtetes Pferdefleisch handele, das dann "irgendwo auf der Strecke umgewidmet" worden sei, sagte Aigner in der ARD. Dies aufzuklären und zurückzuverfolgen, sei "eine Detektivarbeit".
Indessen regt sich Kritik an der Krisenbewältigung der Ministerin. NRW-Kollege Johannes Remmel von den Grünen bemängelte, dass es trotz mehrerer Anläufe in der Vergangenheit noch keine bessere Kennzeichnung von Fleischprodukten gebe. "Die Umsetzung ist dann immer an der Intervention von Frau Aigner, der Bundesregierung und der Union im Bundestag gescheitert", sagte Remmel den "Ruhr Nachrichten". Die Verbraucher dürften über die Herkunft von Fleisch- Zutaten in verarbeiteten Produkten nicht länger im Unklaren gelassen werden.
Die Verbraucherminister von Bund und Ländern hatten sich angesichts des aktuellen Skandals auf eine Verschärfung der Kontrollen und ein Paket gegen Lebensmittelbetrug verständigt. Sie vereinbarten etwa eine zentrale Internet-Seite mit Informationen über Produktrückrufe. Geprüft werden sollen eine Ausweitung der Meldepflicht für Lebensmittel-Unternehmen bei einem Verdacht auf Täuschungsfälle sowie höhere Strafen und Geldbußen für Betrüger. Deutschland will sich in der EU für eine Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Fleischprodukte einsetzen.
Aigner weist Kritik zurück
Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, kritisierte den von den Ministern verabschiedeten Aktionsplan. "Der Plan verdient den Namen Aktionsplan nicht", sagte er Phoenix. Es sei viel davon die Rede, dass man etwas prüfen oder sich für etwas einsetzen wolle. "Unter dem Strich ist zu wenig dabei herausgekommen", meinte Billen.
Auch die Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt, findet den Aktionsplan ungenügend. "Ilse Aigners Aktionsplan ist Ankündigen und Nachholen. Wir brauchen endlich Transparenz und ja: andere Landwirtschaft!", schrieb Göring-Eckardt bei Twitter. Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn sagte der ARD: "Da sind mir zu viele Prüfungen drin."
Aigner wies Vorwürfe zurück, Fehler im Krisenmanagement gemacht zu haben. "Ich muss mir da nichts vorwerfen lassen. Sie können nicht hinter jedem einzelnen Produkt einen Kontrolleur aufstellen, das funktioniert nicht", sagte sie im SWR.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa