Gericht verurteilt Costa-Personal Schettino, allein auf der Bank
21.07.2013, 06:43 Uhr
Die Bergung der Costa Concordie soll 500 Millionen Euro kosten.
(Foto: REUTERS)
In einer Januar-Nacht havariert der Kreuzfahrtriese "Costa Concordia" vor der Insel Giglio, 32 Menschen kommen ums Leben. Mit dem Urteil gegen mehrere Angestellte des Kreuzfahrtunternehmens ist Costa Cruises weitgehend aus dem Schneider. Jetzt fokussiert sich die juristische Aufarbeitung nur noch auf eine Person: Kapitän Schettino.
Domnica Cemortan, weltbekannt geworden als die "Blondine", die von Francesco Schettino in der Nacht des Unglücks erst zum Kapitänsdinner und dann auf die Kommandobrücke der Costa Concordia eingeladen wurde, hat es auf den Punkt gebracht: "Warum soll Kapitän Schettino als einziger die Schuld auf sich nehmen? Sind die anderen Offiziere nicht auch schuldig?"
"Ich war in dieser Nacht auf der Brücke, ich habe alles gesehen und ich sagen Ihnen: Schettino ist erst wenige Minuten vor dem Aufprall auf die Felsen der Insel Giglio auf die Kommandobrücke zurück gekommen", sagte Cemortan. Die moldawische Staatsbürgerin Cemortan ist heute Zeugin im Verfahren, kämpft gegen den schlechten Ruf, den ihr das Unglück eingetragen hat.
Reederei ist strafrechtlich aus dem Schneider

Domnica Cemortan will nicht länger für die Geliebte des Unglücks-Kapitäns gehalten werden.
(Foto: REUTERS)
Sie gelte als Geliebte des Kapitäns, nur weil man ihre Koffer in der Kabine Schettinos gefunden habe. "Dabei hatte man mir nur noch nicht meine Kabine zugewiesen, ich war ja erst am selben Abend an Bord gegangen." Das ist wirklich dumm gelaufen. Vom Captain's Dinner zum Schiffbruch und als Dank der ruinierte Ruf. "Aber niemand hat geschrieben, dass ich bei der Evakuierung vielen russischsprachigen Passagiere geholfen habe", kritisiert Cemortan. Im Prozess wird sie aussagen, sie habe, sehr lange auf der Brücke gestanden und "alles gesehen, aber wirklich alles, was da ablief!"
Schettino - allein auf der Anklagebank: Alle anderen Offiziere auf der Brücke, auch der Steuermann aus dieser Nacht, haben mit dem Gericht einen Deal gemacht. Der entscheidende Unterschied zu Schettino dabei sei, so meinte das Gericht von Grosseto: Das Kommando auf dem Schiff führt nur einer und das ist der Kapitän. Die Mitschuld der Offiziere an dem Unglück ist durch die verhängten Strafen nunmehr abgegolten.
Das schnelle Urteil ist nicht nur gut für die Angeklagten, es ist auch gut für die Reederei Costa Crociere. Sie ist nun endgültig raus aus dem Verfahren. Zuvor hatte sie bereits ein Bußgeld von einer Million Euro akzeptiert. Damit ist die strafrechtliche Verantwortung der Reederei abgegolten, keineswegs jedoch ihre zivilrechtliche. Der Costa-Manager Roberto Ferrarini, Chef der Kriseneinheit, war es, der nach dem Zusammenprall eine gute Stunde mit Kapitän Schettino am Telefon hing und offenkundig nicht richtig begriff, was zu tun war. Er erhielt unter den Nebenangeklagten die höchste Strafe: zwei Jahre und zehn Monate.
Aufrichten des Schiffs hat Priorität
Nach italienischem Recht muss allerdings keiner der Verantwortlichen ins Gefängnis, sie können alle Hausarrest und Sozialdienst beantragen. Die Angehörigen der Toten protestierten. Sie fanden die milden Urteile einen Hohn, doch viel mehr sieht das italienische Strafrecht in dem Fall nicht vor.
Für die Klärung des genauen Unglückshergangs ist jetzt wichtig, dass der Prozess gegen den Kapitän weitergeht. Immerhin, für Schettino fordert die Staatsanwaltschaft 20 Jahre Haft. Er muss sich wegen fahrlässiger Tötung und Verlassen eines Passagierschiffes in Havarie verantworten. Er hatte gehofft, mit seinem Angebot von dreieinhalb Jahren auch einen Deal zu bekommen. Damit ließen sich allerdings weder Staatsanwaltschaft noch Gericht zufrieden stellen.
Im Fall Costa Concordia sind noch viele Fragen offen. Wichtige technische Details können auch erst geklärt werden, wenn das Schiff gehoben ist. Bis Ende September wird sich die Aufmerksamkeit deswegen voll und ganz auf das "parbuckling" richten, das Aufrichten des Schiffes in die Vertikale. Franco Porcellacchia, Chefingenieur von Costa Crociere und Projektleiter der Bergung von der Insel Giglio, ist sicher: "Wir müssen es schaffen und wir werden es schaffen." Wahrscheinlich muss er dabei heimlich die Finger hinter seinem Rücken kreuzen.
Kreuzer wiegt 35.000 Tonnen
Das Schiff liegt nicht mehr allein auf der Reede vor dem Hafeneingang. Es ist umgeben von einem Werftkomplex - ein Riesenkran, eine schwimmende Plattform der Firma Micoperi und Spezialisten im Offshore-Bau. Die errichteten unter Wasser die gigantischen Plattformen, auf denen die gedrehte Costa Concordia dann aufliegen soll. Elf Türme stehen an der Steuerbordseite des Schiffes, zum Land hin. Über sie werden die enormen Stahltrossen laufen, die dann backbords über Ketten an den Schwimmkästen verbracht sind: 58 Motoren werden daran ziehen, um das 35.000 Tonnen schwere Schiff wieder in die Vertikale aufzurichten.
Ein kompliziertes System von Ventilen lässt das Wasser in die Schwimmtanks, die am Ende für den Auftrieb des Schiffes sorgen werden - elf kommen auf jede Seite. Wenn die Backbordseite fertig bestückt ist, geht's los. Anfang September soll das sein. "Aber legen Sie mich jetzt nicht auf den Tag genau fest!", sagt Porcellacchia.
"Wir werden eine Woche lang die Maschinen testen, die Seile, die Aufhängungen, alles", erklärt der "Salvage Master" des Projektes, Nick Sloane. "You know, we’got only one bullet!". Wir haben nur diesen einen Versuch. Das Schiff müsse sich erheben, sobald man mit dem Ziehen anfange. Ansonsten zerreiße es. Türme könnten umstürzen, das Schiff könne sich weiter verbiegen. Es werde bereits immer rostiger wird und am Bug hätten sich schon drei Meter verbogen.
Nur eine Chance für Bergung
Werden Sie es packen? "Yes, of course". We'll do our job!", ist sich Sloane sicher. Mit Gottvertrauen und solidem Ingenieurswissen - das sei die große Herausforderung. Die 500 Millionen Euro, die das Bergungsunternehmen kostet, sollen das Image der Costa Linie wieder herstellen - strahlender denn je. Sicher, da gab es einmal einen aus dem Ruder gelaufenen Kapitän, aber man repariert den Schaden wieder.
Für die Insel Giglio ist dies die letzte Hoffnung. Der Tourimus ist regelrecht eingebrochen. Zwar gibt es im Hafen ausgebuchte Hotelbetten für die Leute von Costa, Titan und Micoperi, die Bergungsfirmen. Der Rest der Insel aber, vor allem der große Strand von Campese, hat die Hälfte der Touristen verloren. "Die Leute glauben, dass hier alles verseucht ist, dass Badeverbot herrscht!", sagt Vize-Bürgermeister Mario Pellegrini. Er ist schwer betroffen von der Katastrophe. Sein kleines aber feines Hotel in Campese, "da Giovanni", steht nun fast das ganze Jahr über leer.
Ortspfarrer Don Lorenzo müsste Fürbitten einrichten lassen, denn wenn das Drehen als Ganzes nicht klappt, dann muss das Schiff vor Ort zersägt werden. Damit würde das Meer tatsächlich auf Jahrzehnte verschmutzt. Bei einem Schiff von 35.000 Tonnen Gewicht landen auch schon einmal zwei- bis dreitausend Tonnen Sägespäne im Meer. Kleinster Metallstaub, Plastik - alles, woraus das Schiff besteht. Es wäre das Ende des Unterwasser-Naturschutzparkes der Isola del Giglio.
Quelle: ntv.de