Schiff "Ezadeen" unter Kontrolle UN warnen vor neuer Geisterschiff-Taktik
02.01.2015, 16:31 Uhr
Italiens Küstenwache hat die Kontrolle über den zuvor führungslosen Frachter "Ezadeen" übernommen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nachdem binnen weniger Tage zwei führerlose Flüchtlingsschiffe im Mittelmeer auftauchten, warnen die Vereinten Nationen nun vor einer perfiden neuen Vorgehensweise der Schleuser: Ohne Crew werden vollbeladenen Schiffe ihrem Schicksal überlassen.
Nach einem erneuten Rettungseinsatz auf einem führungslosen Flüchtlingsschiff im Mittelmeer warnen die Vereinten Nationen vor einer neuen Taktik der Schleuser-Banden. In den vergangenen zwei Monaten seien verstärkt alte Frachter ohne elektronische Hilfsmittel eingesetzt worden, um heimlich Flüchtlinge nach Europa zu bringen, sagte eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks.
Die Schleuser seien nach Einschalten des Autopiloten in kleinen Booten geflohen und hätten die Menschen an Bord ihrem Schicksal überlassen. Hintergrund sei das Ende des italienischen Hilfseinsatzes "Mare Nostrum", wodurch eine Überfahrt der Flüchtlinge in kleineren Schiffen gefährlicher werde.
Auch die EU-Kommission hat die neue "Geisterschiff"-Strategie der Menschenschmuggler gebrandmarkt. Die Fälle der führerlos im Meer entdeckten Flüchtlingsschiffe "Ezadeen" und "Blue Sky M" zeigten, "dass Schleuser neue Wege finden, in EU-Territorium zu gelangen", sagte ein EU-Kommissionssprecher. Die EU-Kommission verfolge diese Fälle genau. Der Kampf gegen Menschenschmuggel werde auch im neuen Jahr zu den Prioritäten der EU-Einwanderungspolitik gehören, sagte der Sprecher.
Zuvor hatte bereits die EU-Grenzschutzagentur Frontex das Vorgehen der Schleuser einen "neuen Grad der Grausamkeit" genannt. "Das ist eine neue Erscheinung dieses Winters", sagte Frontex-Sprecherin Ewa Moncure. Schon immer seien die internationalen Schleuserbanden rücksichtslos und menschenverachtend gewesen und hätten den Tod von Flüchtlingen auf Booten von Afrika nach Europa in Kauf genommen. "Das ist ein Multimillionengeschäft", sagte Moncure über den Schmuggel von Flüchtlingen, die auf eine bessere Zukunft in Europa hoffen.
Italiens Küstenwache übernimmt Kontrolle über "Ezadeen"
Die italienische Küstenwache musste am Freitag zum zweiten Mal binnen drei Tagen eingreifen, um einen von der Besatzung verlassenen Frachter mit Hunderten Flüchtlingen zu retten. Ein Hubschrauber brachte drei Einsatzkräfte an Bord des Handelsschiffes "Ezadeen", das führungslos mit 450 Flüchtlinge an Bord - darunter Frauen und Kinder - 40 Seemeilen vor Italiens Südküste trieb. Bei schlechten Wetterbedingungen versuchten sie, den fast 50 Jahre alten Tiertransporter in einen Hafen zu manövrieren.
Das Schiff unter der Flagge Sierra Leones habe von einem türkischen Hafen aus Kurs auf Italien genommen und sei später von der Besatzung verlassen worden, sagte ein Sprecher der Küstenwache. Es wäre auf die Küste geprallt, wenn zuvor nicht der Treibstoff ausgegangen wäre. Einem der Flüchtlinge sei es gelungen, Kontakt mit der Küstenwache aufzunehmen. Die Herkunft der Flüchtlinge war zunächst unbekannt.
Es ist die zweite Beinahe-Katastrophe dieser Art im Mittelmeer vor Italien innerhalb weniger Tage. Erst am Mittwoch hatte die Küstenwache einen Frachter mit rund 800 zumeist aus Syrien stammenden Flüchtlingen an Bord aufgebracht, der von der Besatzung verlassen worden war. Vor zwei Wochen brachte die italienische Marine in einem ähnlichen Fall einen Frachter mit 850 Flüchtlingen nach Sizilien. Der Bürgerkrieg in Syrien, aber auch die Kämpfe im Irak und das Machtvakuum in Libyen trugen dazu bei, dass die Flüchtlingswelle nochmals angeschwollen ist.
Quelle: ntv.de, kst/rts/AFP