Panorama

Aus der Schmoll-Ecke Unsere Sahra - sie lebe hoch, hoch, hoch!

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Sahra Wagenknecht macht aus ihrer russlandfreundlichen Haltung keinen Hehl.

Sahra Wagenknecht macht aus ihrer russlandfreundlichen Haltung keinen Hehl.

(Foto: dpa)

Personenkult, Zentralratsentscheidungen, Liebe zu Sehr-Altparteien und zur Sowjetunion. Obwohl Frau Wagenknecht tapfere Widerstandskämpferin in der Ostzone war, lässt sie nun die DDR im Kleinen wieder aufleben. Die Stimme von Egon Krenz ist ihr damit im Februar sicher.

Frau Dagdelen weiß, was Frau Wagenknecht hören will, damit sie weiterhin mitmachen darf im sogenannten Bündnis, das - Bescheidenheit ist in der Politik schon länger keine Tugend mehr - nach Frau Wagenknecht benannt ist. Also sagt Frau Dagdelen: "Was wir jetzt dringend brauchen, ist eine Initiative, um das Sterben und Töten in der Ukraine zu beenden. Das würde den Ukrainern weiter helfen, als jetzt weiter zu eskalieren." Die Aussage bezieht sich nicht auf Tausende nordkoreanische Söldner aufseiten der Russen, nicht auf Raketenangriffe auf zivile Einrichtungen und die Energieinfrastruktur der Ukraine, nicht auf die ständigen russischen Provokationen mit Militärjets und Kriegsschiffen über und an NATO-Gebiet und auch nicht auf das atomare Säbelrasseln aus dem Kreml.

Nein, gemeint sind die Amis! Immer wieder die Amis. Die sind die Bösen. Erlauben es einfach den Ukrainern, Raketen auf das von der ebenso bösen NATO in die Enge getriebene Nachbarland schießen zu dürfen und provozieren damit - alle schlechten Dinge sind drei - den Dritten Weltkrieg. "Wahnsinn" nennt das Frau Wagenknecht, was die Amis machen, und ignoriert dabei tapfer den Wahnsinn, den Kreml-Putze, Anführer der Putzkolonne, die die Ukraine von allen Ukrainern säubern will, Woche für Woche anstellt. Denn wenn Frau Wagenknecht etwas beherrscht, dann ist es die Kunst der Ignoranz. Wie Pippi Langstrumpf, die allerdings Emotionen und Empathie hat, macht sich Frau Wagenknecht die Welt, wie sie ihr gefällt.

Die Amis wollen Bodenschätze in der Ukraine - der Russe Weltfrieden. Die hässliche Ukraine ist ein durch und durch korruptes Land - im wunderschönen Russland sind Beamte und Politiker unbestechlich. In der ukrainischen Armee dienen nur Nazis - in der russischen lupenreine Demokraten. Die Ukraine forscht an Biowaffen - der freundliche Nachbar nur an Mitteln zum Sieg über den Krebs und den Hunger. Dem armen Hascherl im Kreml, eingekreist von NATO-Staaten, blieb gar nichts anderes übrig, als ein paar Wohnhäuser, Museen und Krankenhäuser in der Ukraine zu zerstören.

Irren ist menschlich?

Wir verabschieden uns nun wieder aus der Welt von Frau Wagenknecht und ihrer Fans und treten ein in die Realität. Was ich mich immer wieder als militärischer Laie frage: Was ändert sich für Russland durch den Krieg? Die NATO wird dadurch nicht aufgelöst - wenn doch, dann von Trump. Wenn Russland die gesamte Ukraine einnimmt, dann grenzt Kreml-Putzes Reich an Rumänien - ein NATO-Staat. Und Finnland und Schweden sind nun auch der bösen NATO beigetreten. Also Krieg gegen alle, um "die Bedrohung" durch die fiese NATO zu beenden?

Während das Ausblenden und Weglassen sowie alternative Fakten ganz das Ding von Frau Wagenknecht sind, liegt sie bei Prognosen bisweilen falsch. Unvergessen ist ihr Irrtum kurz vor Kriegsbeginn: "Russland hat faktisch kein Interesse einzumarschieren", sagte sie Tage vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine im Februar 2022. "Wir können heilfroh sein, dass Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird: ein durchgeknallter Nationalist, der sich berauscht, Grenzen zu verschieben." Irren ist menschlich. Die Amis sind ja schließlich auch dem Wahnsinn verfallen, wie wir von Frau Wagenknecht wissen.

Ich würde mich nach so einer fundamentalen Fehleinschätzung in Grund und Boden schämen und grundsätzlich an meiner Position zweifeln. Bei Frau Wagenknecht führt das zu: gar nichts. Sie bleibt stramm einseitig. Schließlich ist ihr Kleidungsstil ja auch unverrückbar monochrom und ihre Frisur in Stein gehauen. Ihr Einsatz für Kreml-Putze - mäßig gut als Kampf für den Frieden getarnt - bringt Frau Wagenknecht weiterhin in Talkshows und Beifall von ein paar illustren Sehr-Altpolitikern von Sehr-Altparteien. Der Sehr-Altgenosse Egon Krenz, einer ihrer Brüder im Geiste des Antiamerikanismus, wünscht "ihr viel Erfolg, dass sie noch viel mehr Stimmen bekommt". Unsere Sahra, Kämpferin für Frieden und national gesinnten Sozialismus - sie lebe hoch, hoch, hoch!

Auch sonst gilt: Von der Sehr-Altpartei lernen heißt siegen lernen. Personenkult, Zentralratsentscheidungen und Liebe zur Sowjetunion, hoffentlich bald wieder in ihren Grenzen von 1990, sind die Richtschnur der Frau Wagenknecht. Wer nicht in Brandenburg, Thüringen und Sachsen macht, was ihr in ihrer Welt gefällt, darf nicht die neue Welt erbauen. Erst einmal ist sowieso "nur" Deutschland dran. "Wir werden die Politik in Deutschland verändern", hat Frau Wagenknecht öffentlich angedroht. Das hat sie schon 30 Jahre lang in der PDS/Linke behauptet - die ist fast tot. Mal schauen, ob unverbrüchliche Freundschaft zur Sowjetunion und einige Schlagworte, etwa Friedrich Merz als "Blackrock-Lobbyisten" zu bezeichnen, reichen, in den Bundestag zu kommen.

Im Ranking hinter Esken

Klappt es nicht, warten Talkshows, wo sie mit ihrer Eiseskälte weiter Frieden einfordern kann. Parlamentsarbeit ist eh nicht so sehr ihre Sache. Einer, der sie bestens kennt, nannte sie im Gespräch mit mir "sehr faul" - wenn es um Politik geht. Bei der Selbstvermarktung ist Frau Wagenknecht dagegen voll engagiert. Was definitiv okay ist, da das zur Politik gehört. Ihre Fans deuten es ohnehin zur Stärke um. In ihren Reihen ist Frau Wagenknecht die Angebetete, die Zarin, die Einzigartige, die Friedensgöttin. Gegen sie ist der Friedenskanzler ein Zwerg. Wer das nicht so sieht, darf nicht im exklusiven Klub, auch Bündnis Sahra Wagenknecht genannt, mitmachen.

Ihre Mitstreiter in Thüringen haben einen Versuch gewagt, der Gebieterin nicht zu folgen. Da hat der Berliner Ein-Frau-Zentralrat Einspruch erhoben. So nicht! In Brandenburg hat die SPD gekuscht, in Sachsen haben die Kollegen sofort pariert. "Dass Frau Wagenknecht ihren sächsischen Leuten so die Beine stellt, ist keine gute Entwicklung", erklärte Ministerpräsident Michael Kretschmer. Stimmt, die Leute wollen keinen Zoff, dafür gab es die Ampel, sondern Lösungen. Die Umfragen zeigen, was dabei rumkommt. Im Ranking des RTL/ntv-Trendbarometers liegt Frau Wagenknecht aktuell einen Rang hinter Saskia Esken, der Mutter der politischen Tumbheit, was etwas heißen will. Nur Alice Weidel und Tino Chrupalla, die Eltern der politischen Verderbtheit, lässt Wagenknecht noch hinter sich.

Das Querfront-Trio auf den letzten Rängen: Da wächst zumindest in der Ostzone zusammen, was zusammengehört. Wir sind das Volk! Alles wird wieder gut und heile. Und umgedeutet. "Ich durfte in der DDR nicht studieren. Ich war alles andere als systemtreu." Dieser tapfere Widerstand gegen die Sehr-Altpartei des Sehr-Altgenossen Krenz erklärt nicht wirklich den Hang von Frau Wagenknecht zum Kommunismus stalinistischer Prägung noch Jahre nach der Wende. Dass sie die Galionsfigur der Kommunistischen Plattform innerhalb der Linkspartei war, nennt die Politikerin eine "Jugendsünde". Gregor Gysi hat es bei "Zeit Online" mit der für ihn typischen Ironie so kommentiert: "Ich kann nur sagen: Diese Jugendsünde hat mich jahrelang ganz schön beschäftigt: mit ziemlich abstrusen Anträgen." Grins.

Manche werden meinen Einwurf zu Frau Wagenknecht mögen, andere ihn für Auswurf halten und mir wieder mal bitterböse Mails schreiben. Daher hier ein paar Hinweise. Nein, ich hasse Frau Wagenknecht nicht. Ich finde nur ihre politischen Ansichten falsch. Nennen Sie mich nicht "Springer-Nutte"! ntv gehört zu RTL, also zu Bertelsmann. Ich bin ein Bertelsmann und habe nicht vor, auf meine alten Tage mein Geschlecht zu ändern. Richtig ist also "Bertelsmann-Stricher". Vielen Dank schon mal fürs Beachten.

Quelle: ntv.de

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