Sieben Stunden täglich Tests Was Pistorius in der Psychiatrie erwartet
20.05.2014, 11:50 Uhr
Pistorius war vor der Entscheidung sehr angespannt.
(Foto: dpa)
30 Tage lang muss sich Oscar Pistorius auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen. Richterin Masipa schickt ihn als Tagespatient ins Weskoppies Psychiatric Hospital. Ein Spaziergang werden die täglich sieben Stunden für Pistorius wohl nicht.
Hat Oscar Pistorius eine generalisierte Angststörung und wenn ja, wie beeinflusste sie möglichweise sein Handeln, als er am 12. Februar 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp erschoss? Diese Fragen müssen ab der kommenden Woche die Psychologen und Psychiater des Weskoppies Psychiatric Hospital in Pretoria beantworten. So verkündete es Richterin Thokozile Masipa.
Die Klinik ist eine der größten und ältesten psychiatrischen Einrichtungen in Südafrika. 30 Tage lang muss sich Pistorius als Tagespatient auf dem 200 Hektar großen Gelände aufhalten. Die Klinik entstand ursprünglich etwas außerhalb Pretorias auf dem Gelände eines alten botanischen Gartens. Inzwischen ist die Stadt bis an das Gelände herangewachsen, auf dem 1400 Patienten betreut werden.
Pistorius muss an jedem Wochentag von 9 bis 16 Uhr im Westkoppies sein. Er darf nur fehlen, wenn er ein ärztliches Attest des Chefarztes vorlegt. Für seine Begutachtung sind Dr. Leon Fein, Dr. Herman Pretorius und Dr. Jonathan Scholz zuständig. Sie müssen am Ende der 30 Tage beurteilen, ob Pistorius strafrechtlich verantwortlich für seine Taten ist und ob er sich der Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bewusst war. Fein ist auf bipolare Störungen und Traumabewältigung spezialisiert, Pretorius ist Psychiater und Scholtz wird als klinischer Psychologe geführt.
Interviews und Testreihen
Sie werden mit Pistorius lange psychiatrische Interviews führen, um sich ein Bild von seiner Lebensgeschichte, seinem familiären Hintergrund, möglichen Vorstrafen, aber auch von seiner psychischen Verfassung zu machen. Außerdem wird sich Pistorius einer ganzen Reihe von Tests unterziehen müssen. Dazu gehören Persönlichkeitstests und neuropsychologische Tests, aber auch eine Reihe von Versuchen, mit denen ausgeschlossen werden soll, dass Pistorius möglicherweise ein Krankheitsbild simuliert. Zusätzlich wird mit allgemeinen kognitiven Tests seine Intelligenz untersucht. Die verschiedenen Prozeduren dauern zum Teil nur eine halbe Stunde, manche nehmen aber auch drei Stunden in Anspruch. Bei jedem einzelnen Schritt wird Pistorius' Verhalten, aber auch seine Körperhaltung und sein Stimme protokolliert.
Die Entscheidung, dass Pistorius als Tagespatient auf seine psychische Verfassung hin untersucht werden kann, löste eine Diskussion aus, ob dies als Vorzugsbehandlung zu werten ist. Strafverteidiger Mannie Witz vertrat auf Kanal 199 die Auffassung, laut Südafrikas Strafprozessordnung hätte Pistorius als stationärer Patient begutachtet werden müssen.
Die Psychiaterin Merryl Vorster hatte vergangene Woche als Zeugin der Verteidigung Pistorius eine intensive Angststörung bescheinigt. Sollte sich bei den Untersuchungen eine Unzurechnungsfähigkeit wegen Angststörungen herausstellen, könnte dies dazu führen, dass das Urteil von der Verteidigung angefochten wird. Um das zu verhindern, stellte Gerrie Nel als Ankläger der Staatsanwaltschaft einen Antrag auf psychiatrische Untersuchungen.
"Der Angeklagte hat in all seinen Ausführungen nie behauptet, nicht verantwortlich für die Tat zu sein. Aber angesichts der Bedeutung, diesen Fall restlos aufzuklären, kann dies nicht ignoriert werden", sagte Richterin Masipa. Sie ergänzte: "Psychische Erkrankungen oder Defekte sind krankhafte Fehlfunktionen, sie können nicht von einem Gericht diagnostiziert werden."
Der behinderte Profisportler wird beschuldigt, Steenkamp ermordet zu haben. Pistorius beteuert, er habe durch eine geschlossene Tür geschossen, weil er dahinter einen Einbrecher vermutete.
Der Prozess gegen den Profisportler wird am 30. Juni fortgesetzt. Dann sollen die Gutachter ihre Ergebnisse vorstellen. Kämen sie zu dem Schluss, Pistorius leide nicht an einer psychischen Krankheit, könnte es für Verteidiger Barry Roux schwierig werden, seinen Mandanten vor einer Gefängnisstrafe zu bewahren.
Quelle: ntv.de