Brüssel, Paris, Nizza und Berlin Wie erkläre ich meinem Kind Terror?
20.12.2016, 15:01 Uhr
Kinder von allem Belastenden fernzuhalten, ist ab einem bestimmten Alter nicht mehr möglich. (Im Bild: Kinder entzünden Kerzen in Gedenken an die Opfer der Madrider Anschläge)
Kinder sind psychologisch betrachtet besonders verletzlich - sie erleben Unglücke, Naturkatastrophen oder Terroranschläge auf ganz eigene Weise. Wie soll man ihnen die traurigen Geschehnisse erklären? Und ihnen die Angst nehmen?
Zertrümmerte Weihnachtsbuden, weinende Menschen, eine Spur aus Blut zieht sich über den Asphalt: Es sind beängstigende Bilder. Die Nachrichten aus Berlin laufen im Fernsehen, Radio und im Internet. Auch Kinder hören sie. Was schon Erwachsene besorgt, wirkt auf Kinder verstörend. Soll man das Attentat vom Berliner Weihnachtsmarkt verschweigen, kleinreden oder ablenken?
Nein. Psychologen raten zu Ehrlichkeit. "Das ist nichts für dich", wäre die falsche Antwort, jedenfalls für die meisten Kinder. Auch wenn Eltern ihren Nachwuchs am liebsten vor allem Unglück der Welt bewahren würden, können sie doch nicht vermeiden, dass er von den schrecklichen Ereignissen wie in Brüssel, Paris, Nizza oder jetzt in Berlin geschehen, etwas mitbekommt. Sie können aber verhindern, dass Kinder sich selbst etwas zusammenreimen und mit ihrer Angst allein gelassen werden.
Ängste entstehen vor allem durch Nichtwissen. Kinder schnappen Kommentare auf, hören im Autoradio mit oder sehen sogar Fernsehbilder. "Die Kinder spüren die Angst, sie spüren die Aufregung." Es sei daher sinnvoll, dass Eltern ihren Kindern das Geschehene erläutern, raten die Experten der Initiative "Schau hin" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Jüngeren Kindern fällt es schwer, die Bilder zu begreifen. Sie sehen das Leid, den Kummer, spüren die Sorge der Erwachsenen. Auch wenn sie scheinbar reglos schauen, versuchen sie, das Gesehene zu begreifen. Maya Götz hat anhand des Irak-Krieges und des Fukushima-Unfalls erforscht, wie Kinder mit Katastrophenbildern umgehen. "Was nach außen kommuniziert wird, ist nicht unbedingt das, wie es innen aussieht", erklärte die Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) nach den Anschlägen in Nizza.
Die meisten Kinder möchten keine genauen Details. Es reicht, wenn Eltern erklären, dass sie selbst traurig sind. "Vielleicht will das Kind nur hören, dass es in Sicherheit ist und keine Einzelheiten", sagt Götz. Eltern müssten auch nicht so tun, als ob sie alles einordnen und begreifen würden. Wichtig sei, das Gespräch zu beginnen und damit dem Kind die Möglichkeit zu geben, die Fragen zu stellen, die es selbst beschäftigen.
Auf jeden Fall die Wahrheit sagen
Wenn die Frage nach der eigenen Sicherheit kommt, sollten Eltern versuchen, altersgerecht, aber auf jeden Fall ehrlich zu antworten. Es gelte dabei, das Kind nicht in Panik zu versetzen. Grausame Einzelheiten oder die Schilderung makaberer Szenen sollten unbedingt vermieden werden. Eltern können ihrem Nachwuchs aber zum Beispiel klarmachen, dass die meisten Menschen nicht von den schrecklichen Taten betroffen waren und dass für sie das Leben ganz normal weitergeht.
Vor allem jüngere Kinder können unmöglich politische Hintergründe verstehen. Umso schwieriger ist es für sie, die Geschehnisse zu begreifen. Sie werden fragen, warum Menschen so etwas tun und ob das auch in ihrem Umfeld geschehen kann. Sätze wie "In deiner Kita wird so etwas nicht passieren" oder "Ich passe auf dich auf, damit dir nichts geschieht", sehen die meisten Psychologen nicht als Unwahrheit an. Diese kleinen Versprechen vermitteln dem Kind Sicherheit in einem Moment, in dem es diese dringend braucht.
Eine Altersgrenze setzt der Psychologe Christian Lüdtke in einem Interview mit der "Zeit". Bis zu einem Alter von drei Jahren, rät er, sollten Eltern ihre Kinder vom Geschehen fernhalten. Für sie seien die Geschehnisse noch zu abstrakt, doch bereits Kindergartenkinder haben oft Fragen. Kinder sollten offen über ihre Ängste reden dürfen und Trost finden.
Quelle: ntv.de, dsi