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Südeuropa ächzt unter Hitze "Sommer geht in Deutschland auf Tauchstation"

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Das Wochenende wird im Norden Deutschlands oft wolkig und mitunter nass.

Das Wochenende wird im Norden Deutschlands oft wolkig und mitunter nass.

(Foto: picture alliance/dpa)

Eine extreme Hitzewelle hat den Süden Europas fest im Griff. In Deutschland verabschiedet sich der Sommer dagegen zunächst. Im Interview erklärt ntv-Meteorologe Björn Alexander, wie sich die Lage am Mittelmeer dennoch ungut auswirken könnte und wie die Prognose für die nächsten Tage aussieht.

ntv.de: Der Süden Europas scheint gefangen unter enormer Hitze. Wie lange noch?

Björn Alexander: Zunächst einmal erleben die Menschen dort etwas, das extrem außergewöhnlich ist. Alle Mittelmeeranrainer haben in diesen Tagen Spitzenwerte von 40 Grad und mehr zu vermelden. Am heißesten ist es natürlich im Norden Afrikas mit fast 50 Grad. Aber auch alle anderen Regionen ächzen unter rekordverdächtiger Hitze. Die verlagert sich jetzt mit ihrem Schwerpunkt zunächst ostwärts, wabert anschließend aber wieder zurück ans westliche Mittelmeer, sodass ein Ende der extremen Hitze vorerst nicht absehbar ist - zumal sich inzwischen das Mittelmeer ebenfalls stark aufgeheizt hat.

Was bedeutet das in Gradzahlen?

Aktuell liegen die Wassertemperaturen im Mittelmeer gut 3 bis 5 Grad über dem Durchschnitt mit Spitzenwerten bis um die 30 Grad. Tendenz weiter ansteigend. Das hat mehrere Effekte. Einerseits fällt es der Hitze aus Nordafrika damit immer leichter, unabgekühlt nach Europa zu gelangen und nachts kühlt es in den küstennahen Regionen immer weniger ab, sodass es selbst nachts teilweise nicht weniger als 30 Grad gibt. Andererseits könnte es auch langfristigere Effekte geben.

Welche wären das?

Zunächst einmal die angesprochene Dauer der aktuellen Hitzewelle. Denn inzwischen ist aus dem stark erwärmten Wasser eben auch ein weiterer Motor der Hitze geworden. Andererseits bedeutet wärmeres Wasser auch immer mehr potenzielle Energie für Unwetter. Es könnte - bei den richtigen Wetterlagen - also ein unruhiger Spätsommer und Frühherbst werden. Selbst bei uns in Deutschland sind Auswirkungen in Bezug auf die Intensität von Gewitterlagen denkbar.

Spielt die Hitze im Süden für uns noch eine weitere Rolle?

Was wir sehen, ist natürlich auch, dass es kein weiter Weg für Spitzen deutlich über 30 Grad in Deutschland ist. Wenn die Luft einmal angezapft wird, dann kann es enorm schnell in extreme Hitzebereiche gehen. Erleben konnten das am vergangenen Wochenende ja der Süden und der Südosten Deutschlands, wo es aus dem Stand den heißesten Tag des Jahres bisher mit bis fast 39 Grad gab.

Von der Hitze ist jetzt kaum noch etwas übrig - warum ächzt der Süden und bibbert der Norden?

Derzeit haben wir in Europa zwei große Wetterzentren. Im Süden dominiert die Wüstenluft aus dem Norden Afrikas, die hier zum Teil sogar reichlich Saharasand im Gepäck hat. Unterdessen haben sich über Nordeuropa die Tiefs häuslich niedergelassen, die samt der wettersteuernden Strömung wiederholt auch kleine Ausläufer nach Deutschland schicken. Wir sind sozusagen der Wetteräquator zwischen hochsommerlicher Hitze und fast schon frühherbstlich anmutender Atlantikluft.

Lässt sich damit auch das heftige Unwetter in den Alpen erklären, das am Dienstag gewütet hat?

Genau. Mit Spitzenböen von 163 km/h am exponierten Messpunkt des Innsbrucker Flugplatzes Kranebitten fegte eine Gewitterlinie genau über Österreich und insbesondere Tirol hinweg. Am Mittwoch folgten dann weiter südostwärts - wie beispielsweise in Kroatien - erneut schwerste Gewitter. Gebildet hatte sich diese Unwetterzone entlang der Luftmassengrenze zwischen der Heißluft im Süden und der frischeren Luft im Norden.

Nicht nur in Südeuropa ist es aktuell außergewöhnlich heiß - was sind weitere Hotspots?

Arabien vermeldet stellenweise über 50, Teile Japans fiebern ebenfalls mit bis zu 40 Grad, Kasachstan erreichte am Dienstag erneut bis 43, letzte Woche bis um die 45 Grad. Und auch die USA erleben in einigen Regionen eine äußerst krasse Hitzewelle. Damit bewegen wir uns in vielen Bereichen im Umfeld der Rekorde oder darüber.

Wo ist es am heißesten?

Absoluter Spitzenreiter ist momentan das Death Valley, wo ein andauerndes Hochdruckgebiet natürlich immer für extreme Hitze sorgt. Hier waren es zu Wochenbeginn 53 Grad - der Rekord liegt hier bei 54,4 Grad. Gleichzeitig wurden nach Angaben staatlicher Medien in China 52,2 Grad registriert. Der bisherige Höchstwert von 50,3 Grad in China wurde 2015 gemessen und wäre - wenn sich die Meldung bestätigt - quasi pulverisiert.

Wie lässt sich dieses Extremwetter erklären?

Verstärkend auf Temperaturextreme wirkt sich unter anderem die vermehrte Ausbildung stationärer, also lang anhaltender Wetterlagen aus. Hierbei können heiße Luftmassen im Sommer auf der Nordhalbkugel einen deutlich längeren Weg nach Norden antreten. Außerdem können sie sich - ähnlich wie momentan am Mittelmeer - auch wesentlich länger halten. Dass das erst der Anfang der Rekord-Rallye sein könnte, zeigt unterdessen der Blick auf den auflebenden El Niño. Dessen Auswirkungen werden sich erst später bemerkbar machen und könnten das Hitze-Roulette rund um neue Rekorde und Extreme global leider nochmals ankurbeln.

Vom weltweiten Hitzecheck zurück zum Wetter daheim: Was erwartet uns?

Am Wochenende und zu Beginn der nächsten Woche schaut nochmal ein Schwall Hochsommerluft in einigen Landesteilen vorbei, bevor der Sommer bei uns in Deutschland ziemlich verbreitet auf Tauchstation geht.

Mit welchen Details am Wochenende?

Der Samstag verläuft im Norden oft wolkig und mitunter nass. Der Süden bekommt mehr Sonne, aber vereinzelt auch Blitz und Donner. Am besten bleibt es in der breiten Mitte mit mehr Sonne. Das Ganze bei 18 Grad an der See und bis knapp 30 Grad im Süden.

Und am Sonntag ...

... wird es im Süden und Osten sommerlich schön und warm mit Spitzen um oder etwas über 30 Grad. Unterdessen frischt im Norden und Nordwesten der Wind kräftig auf und treibt kompaktere Wolken mit teils gewittrigen Regengüssen übers Land. Dazu werden es dort maximal noch 19 bis 24 Grad. Eine Temperaturspanne, auf die wir uns im Verlauf der nächsten Woche deutschlandweit einstellen können.

Wie ist der Fahrplan für den Sommer-Absturz?

Am Montag werden es in der Südosthälfte bis an die 30 Grad, bevor die Unwettergefahr ansteigt. Die Details sind zwar noch unsicher, dennoch müssen wir uns zum Teil auch auf Starkregen, Hagel und Sturmböen gefasst machen, womit der vorläufige Niedergang des Sommers besiegelt ist.

Worauf müssen wir uns einstellen?

Am Dienstag und Mittwoch wechselhaft mit weiteren Regengüssen, die stellenweise mit Blitz und Donner einhergehen können. Dabei ist es windig bis stürmisch bei höchstens noch 19 bis 25 Grad. Und auch am Donnerstag und Freitag sehen die Wettercomputer eher heftige Gewitter als ein erneutes Sommercomeback.

Dann sind wir schon fast im August, der laut Prognosen wie verlaufen soll?

Die Weichenstellung für den letzten Sommermonat ist im Hinblick auf die experimentelle Langfrist schon ziemlich spannend. Aktuell sind die Großrechner der Wetterdienste auf einen durchschnittlichen bis nur leicht zu warmen August zurückgegangen.

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Welche Berechnungen gibt es für den Regen?

Beim Niederschlag sind die Langfristvorhersagen inzwischen von den Extremen in Sachen Trockenheit abgerückt. Damit würde es einen tendenziell durchschnittlichen August geben. Das wären um die 75 Liter pro Quadratmeter im deutschlandweiten Durchschnitt. Das wäre auch insofern super wichtig, weil es einige Regionen gibt, die im Juli bisher keine 5 Liter Regen pro Quadratmeter abbekommen haben. Vor allem gilt das in Berlin und Brandenburg sowie in Teilen von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Quelle: ntv.de

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