Friedensgipfel in der Schweiz 80 von 93 Teilnehmern der Ukraine-Konferenz fordern drei Dinge
16.06.2024, 20:21 Uhr Artikel anhören
Alle Kriegsgefangenen und nach Russland entführten ukrainischen Kinder sollen in ihre Heimat zurückgebracht werden.
(Foto: picture alliance/dpa/KEYSTONE)
Auf dem Friedensgipfel in der Schweiz einigen sich viele Teilnehmer auf allgemeine Forderungen nach Frieden und der Souveränität der Ukraine. Die Konferenz bringt aber auch drei ganz konkrete Beschlüsse. Dabei geht es um Kriegsgefangene, den Transport von Nahrungsmitteln und ein Atomkraftwerk.
Über 90 Länder haben bei der Ukraine-Konferenz in der Schweiz Grundlinien für mögliche Friedensgespräche zwischen Kiew und Moskau aufgezeigt. Die große Mehrheit der Teilnehmer forderte die Beteiligung "aller Parteien" an einem Friedensprozess und betonte zugleich die Bedeutung der Souveränität der Ukraine und die Unverletzlichkeit ihrer Grenzen. Die Abschlusserklärung wurde von einer sehr großen Mehrheit der Teilnehmerländer unterstützt, nicht aber von vielen BRICS-Staaten wie Indien oder Brasilien.
In der Abschlusserklärung heißt es: "Wir glauben, dass das Erreichen von Frieden die Einbeziehung von und den Dialog zwischen allen Parteien erfordert." Hervorgehoben wurden dabei "die Prinzipien der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität aller Staaten, einschließlich der Ukraine".
Zudem einigen sich 80 der 93 teilnehmenden Staaten auf drei konkrete Punkte, die unter anderem auf der Website des Auswärtigen Amts der Schweiz zu lesen sind:
"Erstens muss jede Nutzung der Kernenergie und der kerntechnischen Anlagen sicher, gesichert, bewacht und umweltverträglich sein. Die ukrainischen Kernkraftwerke und -anlagen, einschließlich des Kernkraftwerks Saporischschja, müssen unter der uneingeschränkten souveränen Kontrolle der Ukraine und im Einklang mit den Grundsätzen der IAEA und unter deren Aufsicht sicher und geschützt betrieben werden. Jede Androhung oder jeder Einsatz von Kernwaffen im Zusammenhang mit dem laufenden Krieg gegen die Ukraine ist unzulässig."
Ernährungssicherheit ist keine Waffe
"Zweitens hängt die weltweite Ernährungssicherheit von der ununterbrochenen Herstellung und Lieferung von Nahrungsmitteln ab. In dieser Hinsicht sind die freie, uneingeschränkte und sichere Handelsschifffahrt sowie der Zugang zu den Häfen im Schwarzen und Asowschen Meer von entscheidender Bedeutung. Angriffe auf Handelsschiffe in Häfen und entlang der gesamten Route sowie auf zivile Häfen und zivile Hafeninfrastruktur sind nicht hinnehmbar. Die Ernährungssicherheit darf in keiner Weise zur Waffe werden. Die ukrainischen Agrarprodukte sollten sicher und ungehindert an interessierte Drittländer geliefert werden."
"Drittens müssen alle Kriegsgefangenen durch vollständigen Austausch freigelassen werden. Alle deportierten und unrechtmäßig vertriebenen ukrainischen Kinder und alle anderen ukrainischen Zivilisten, die unrechtmäßig festgehalten wurden, müssen in die Ukraine zurückgebracht werden."
Russland wird in dem Dokument zudem ausdrücklich verantwortlich gemacht für den "anhaltenden Krieg gegen die Ukraine", der weiterhin "umfassendes menschliches Leid und Zerstörung" verursache und "Risiken und Krisen mit globalen Auswirkungen schafft".
Selenskyj beklagt fehlende Militärhilfe
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, die russische Führung sei "nicht bereit für einen gerechten Frieden". Friedensgespräche könnten schon "morgen" beginnen, wenn die russischen Truppen aus der Ukraine abzögen. Zugleich beklagte Selenskyj, die Militärhilfe für sein Land reiche nicht aus, um den Krieg zu gewinnen.
Unter anderem Indien, Brasilien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate stimmten der Erklärung allerdings nicht zu. Zuvor hatten mehrere Teilnehmer der Ukraine-Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz, gefordert, bei künftigen Konferenzen auch Russland einzubeziehen.
Die Ukraine hatte vorgeschlagen, Moskau zu einem weiteren Treffen einzuladen, bei dem dann ein von allen Teilnehmern vereinbarter gemeinsamer Friedensplan vorgelegt werden könnte. Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd betonte allerdings, wie und wann Russland in den Prozess eingebunden werden könne, sei noch unklar.
An den zweitägigen Gesprächen hatten Vertreter aus insgesamt 93 Ländern teilgenommen, darunter zahlreiche Staats- und Regierungschefs. Russland wurde nicht eingeladen, auch China war nicht vertreten.
Der chilenische Präsident Gabriel Boric sagte bei der Abschlusspressekonferenz in der Schweiz, bei dem Treffen sei es "nicht um die NATO, um linke oder rechte politische Überzeugungen oder die Debatte Nord gegen Süd gegangen". Vielmehr gehe es "um Respekt von internationalem Recht und Menschenrechten als Grundprinzipien unseres Zusammenlebens".
Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo betonte, Afrika sei "das größte Opfer" des Ukraine-Krieges. Die Folgen der russischen Invasion für die Lebensmittelexporte der Ukraine reichten weit über die Grenzen Europas hinweg und träfen einige der ärmsten Länder der Welt.
Quelle: ntv.de, als/AFP