Rücktrittswelle in Polen Abhörskandal wird Politikern zum Verhängnis
11.06.2015, 08:41 Uhr
Ewa Kopacz erklärt den Rücktritt den Massenrücktritt ihrer Minister.
(Foto: dpa)
Kommentatoren sprechen von einer Säuberung: Drei polnische Minister reichen ihren Rücktritt ein, auch Parlamentspräsident Sikorski geht. Der Grund ist die Verbreitung von Ermittlungsakten im Internet.
Indiskretionen nach einer Abhöraffäre haben die polnische Regierung in Bedrängnis gebracht: Nachdem vor wenigen Tagen Ermittlungsakten im Internet auftauchten, haben drei polnische Minister und Parlamentspräsident Radoslaw Sikorski ihren Rücktritt eingereicht. Dies teilte Ministerpräsidentin Ewa Kopacz mit. Die vier waren wenige Monate vor der Parlamentswahl zur Belastung für die unpopuläre Regierung geworden.
Oppositionspolitiker erklärten jedoch, die Glaubwürdigkeit der regierenden liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) könne dadurch nicht einfach wiederhergestellt werden. "Wir haben es mit dem Zerfall der PO zu tun", sagte Mariusz Blaszczak, Fraktionschef der nationalkonservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).
Die PO droht Umfragen zufolge, im Herbst ihre Mehrheit im Parlament zu verlieren. Meinungsforscher sehen die PiS vorne, deren Kandidat Andrzej Duda im Mai bereits die Präsidentenwahlen für sich entscheiden konnte.
Die Abhöraffäre um belauschte Privatgespräche polnischer Politiker war vor einem Jahr hochgekocht. Im Juni 2014 hatte das Magazin "Wprost" erstmals von Geheimabsprachen berichtet, die bei den Abhöraktionen ans Licht gekommen waren.
So soll der damalige Zentralbankchef mit dem damaligen Innenminister einen Deal ausgehandelt haben, wonach die Zentralbank die Wirtschaftspolitik unterstützt, wenn der damalige Finanzminister seinen Hut nehmen muss. Der damalige Außenminister Sikorski wurde dabei abgehört, wie er über die USA und den britischen Premierminister David Cameron lästerte.
"Den Amerikanern einen geblasen"
Sikorski bezeichnete damals das Verhältnis zu den USA als wertlos: "Es ist ausgesprochen schädlich, weil es ein falsches Gefühl der Sicherheit vermittelt. Kompletter Blödsinn. Wir geraten in Konflikt mit den Deutschen, Russen und wir glauben, dass alles super ist, nur weil wir den Amerikanern einen geblasen haben. Versager. Komplette Versager", wurde der damalige Außenminister zitiert.
Ein Restaurantmanager, mehrere Kellner und weitere Beteiligte wurden wegen des Skandals angeklagt, weil sie beim Abhören geholfen haben sollen.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/rts/AFP