
Alice Weidel wäre offenbar die Desiderius-Erasmus-Stiftung lieber. Alexander Gauland findet, "Gustav Stresemann und die AfD, das passt zusammen".
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Parteinahe Stiftungen wurden von der AfD vielfach als Filz kritisiert. Doch nun will die Partei selbst eine haben. Rund 80 Millionen Euro jährlich an staatlichen Zuschüssen winken.
Kritik am politischen Establishment ist gewissermaßen Teil der DNA der AfD. Vor allem die Verbindungen der Parteien zum Staat waren der Partei stets ein Dorn im Auge. Vielfach hat sie die parteinahen Stiftungen scharf kritisiert und als Teil des Filzes bezeichnet. Nun möchte die AfD selbst eine parteinahe Stiftung haben. Sie könnte mit bis zu 80 Millionen Euro staatlichen Zuschüssen pro Jahr ausgestattet werden.
Kommenden Freitag will der Parteivorstand beraten, welche Stiftung es werden soll. Am Samstag darauf berät der Parteikonvent. Möglicherweise kommt es dann bereits zu einer Entscheidung. Zur Auswahl stehen zwei bereits bestehende Vereine: die Gustav-Stresemann-Stiftung in Jena und die Desiderius-Erasmus-Stiftung in Lübeck. Beide Stiftungen verfolgen inhaltlich unterschiedliche Ansätze und letztlich geht es bei der Entscheidung auch darum, welcher Flügel über die Stiftung mit staatlicher Finanzierung ein Netzwerk aufbauen kann. Es ist eine Entscheidung an der alten innerparteilichen Konfliktlinie zwischen dem nationalistischen und dem konservativ-wirtschaftsliberalen Lager.

Gustav Stresemann erhielt 1926 zusammen mit seinem französischen Amtskollegen Aristide Briant den Freidensnobelpreis. Nur acht Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges hatten die beiden die Aussöhnung Deutschlands und Frankreichs erarbeitet. Stresemanns Erben möchten verhindern, dass der Name im Umfeld der AfD fällt.
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Über Parteistiftungen können Unterstützer die Arbeit im Umfeld der Partei fördern, ohne dass diese offiziell als Spender auftreten müssten. Alle im Bundestag vertretenen Parteien haben solche Stiftungen. Sie fertigen als "Think Tanks", als Denkfabriken, Studien und Konzepte an, die Politikern als Argumentationsgrundlage dienen, betreiben Bildungsarbeit im Sinne der Partei, vergeben Stipendien und organisieren Austauschprogramme. Für die AfD stellt sich mit der Wahl der Stiftung die Frage, welche Gönner angelockt werden sollen und in welche Richtung die Partei sich entwickeln will.
Verbindungen zur Hetzseite PI-News
Die Gustav-Stresemann-Stiftung ist nach dem ehemaligen deutschen Reichsaußenminister benannt, der für die Aussöhnung mit Frankreich in der Zeit der Weimarer Republik den Friedensnobelpreis erhielt. "Visionen" der Stiftung sind nach Eigendarstellung unter anderem die "Freiheit des Individuums", mehr direkte Demokratie, ein Staat, in dem nur Zuwanderer akzeptiert werden, die sich "aktiv" der freiheitlichen Grundordnung verpflichten und eine Reduktion der politischen Organe auf die "Kernaufgaben des Staates".
Gegründet wurde der Verein 2011, um der rechtspopulistischen und islamfeindlichen Partei "Die Freiheit" als Parteistiftung zu dienen. Gemeldet ist die Stiftung an der Adresse der "PWB Rechtsanwälte" in Jena. Die Kanzlei betreibt daneben auch die rechte Internetseite Journalistenwatch.com, die Autoren und Inhalte mit der rechten Hetzseite PI-News oder dem AfD-Parteiblatt "Deutschlandkurier" teilt. Über JouWatch, wie sich die Seite selbst nennt, bestehen auch Verbindungen zum islamkritischen US-Thinktank Middle East Forum. Berichten des MDR zufolge liefen im Sommer vergangenen Jahres Ermittlungen gegen die Kanzlei wegen massenhaften Betruges.
Das Verhältnis zu PWB vergleicht Rainer Groß, Vorstandsvorsitzender der Gustav-Stresemann-Stiftung gegenüber n-tv.de mit einem harmlosen Einkaufsbummel: "Wenn Sie privat durch die Straßen schlendern und im Schaufenster etwas sehen, was Sie haben möchten, fragen Sie dann, ob der Anbieter dieser Sache vielleicht mit anderen Dingen rechtliche Probleme hat?" PWB habe die Stiftung in einer Zeit der Bedeutungslosigkeit geführt, nun solle etwas Neues aufgebaut werden, erklärt Groß. Öffentlich distanzieren will er sich von PWB nicht. "Dann könnten die Wogen wieder hochkochen."
Stresemanns Erben wollen klagen
Schwierig ist auch das Verhältnis der Stiftung zu den Nachfahren des Namensgebers Gustav Stresemann. Wie der "Spiegel" berichtet, haben seine Erben gegenüber der AfD Unterlassungsansprüche im Fall der Nutzung des Namens angemeldet. "Eine Nutzung des Namens Gustav Stresemann für eine AfD- oder AfD-nahe Stiftung würde das Lebensbild des Politikers in grober Weise verzerren. Die politischen Auffassungen der rechtspopulistischen AfD stehen in diametralem Widerspruch zu dem politischen Wirken der historischen Figur Gustav Stresemann", erklärt ihr Anwalt Christian Schertz in dem Bericht. In der Nutzung des Namens sieht der Medienrechtler eine postmortale Persönlichkeitsverletzung.
Stiftungschef Groß sieht möglichen Klagen gelassen entgegen. "Was die Namensrechte angeht, ist das juristisch wenig valide." Brisant sei nicht die Stiftung, sondern der Moment, in dem die AfD ihm zunickt, sagt Groß. Und ob das juristisch unterbindbar sei, hält er für fraglich. Zudem hätten Stresemanns Erben bisher ja auch keine Ansprüche angemeldet, obwohl die Stiftung ja einst im Umfeld der Partei "Die Freiheit" gegründet wurde, die keinesfalls weniger radikal als die AfD war. Zudem seien die Namensrechte nach über 80 Jahren ausgelaufen. "Wenn die Familie Stresemann versuchen will, rechtlich dagegen vorzugehen", sagt Groß, "dann können sie das tun." Auch AfD-Chef Alexander Gauland bekräftigt kurz und knapp: "Gustav Stresemann und die AfD, das passt zusammen."
Ebenfalls um die Gunst des AfD-Vorstands wirbt die Desiderius-Erasmus-Stiftung, die im vergangenen Dezember gegründet wurde. Während der Gustav-Stresemann-Stiftung nachgesagt wird, der Favorit des rechtsnationalen Flügels zu sein, ist es die Erasmus-Stiftung für den liberalkonservativen Teil. Laut Satzung will der Verein die "demokratische und staatsbürgerliche Bildung des deutschen Volkes" fördern. Auch für Wissenschaft, Entwicklungshilfe, europäische und internationale Verständigung will er sich stark machen. Fraktionschefin Alice Weidel, als prominenteste Vertreterin des Lagers, favorisiert den in Lübeck eingetragenen Verein. Im Vorstand sitzt der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer, der jahrelang als Finanz-, und Unternehmensberater gearbeitet hat und der als bestens vernetzt in wohlhabenden Kreisen gilt.
250.000 Euro Starthilfe
Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge sollen sich hinter der Stiftung bereits wohlhabende Gönner in Stellung gebracht haben. Die liberalkonservative Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft, der Weidel, Boehringer und auch Beatrix von Storch angehören, soll eine nicht näher genannte Summe zuschießen. Ein Unternehmer aus Bayern habe zudem versprochen, 250.000 Euro an die Erasmus-Stiftung zu spenden, für den Fall, dass der AfD-Vorstand sich für sie entscheidet. Und auch die Stresemann-Stiftung kann auf eine Starthilfe hoffen. Stiftungsvorsitzender Groß sagt, dass dem Verein 250.000 Euro versprochen worden seien, wenn sich der AfD-Vorstand für ihn entscheide. Groß widerspricht jedoch Berichten, wonach die rechte Organisation "Ein Prozent" für diesen Fall eine großzügige Finanzspritze angekündigt habe.
Starthilfe - denn das große Geld kommt für die AfD-nahe Stiftung, ob nun Stresemann oder Erasmus, erst noch. Bund, Länder und Europäische Union finanzierten die Stiftungen der anderen Bundestagsparteien 2015 mit insgesamt rund 513 Millionen Euro. Die der Linkspartei nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung deckte 99,8 Prozent ihrer Einnahmen, rund 53 Millionen Euro, aus staatlichen Mitteln. Den größten Zuschuss von Steuergeldern erhielt im gleichen Jahr die Friedrich-Ebert-Stiftung mit rund 158 Millionen Euro. Für die parteinahe Stiftung der AfD wird in Parteikreisen mit einer Größenordnung von rund 80 Millionen Euro staatlicher Zuschüsse gerechnet.
Für die AfD geht es also um viel Geld. 2016 musste sich die Partei noch mit staatlichen Zuschüssen in Höhe von rund 6,1 Millionen Euro begnügen. Seit ihrem Einzug in den Bundestag kann sie mit etwa 100 Millionen Euro rechnen. Für die Arbeit im Umfeld der Partei und zu ihren Gunsten könnten dann bald weitere 80 Millionen jährlich zur Verfügung stehen.
Aber warum will die AfD eine eigene Stiftung, wenn sie dieses Modell scharf kritisiert? Konrad Adam, Mitgründer der AfD und neben Peter Boehringer ebenfalls Vorstand der Desiderius-Erasmus-Stiftung, sagte kürzlich der "Zeit", die Parteienfinanzierung über Stiftungen sei zwar ein "Misswuchs der bundesrepublikanischen Demokratie". Doch nun wolle die AfD eben auch davon profitieren. Die AfD habe sich dazu entschlossen, "das zu nehmen, was uns rechtlich zusteht". Auf eine eigene Stiftung werde die Partei nur verzichten, "wenn die anderen Parteien das auch tun".
Quelle: ntv.de