Vieles offen beim Parteitag AfD vertagt die Spannung auf Tag zwei
30.04.2016, 22:28 Uhr
Björn Höcke (M.) ist so etwas wie der heimliche Star des Parteitags.
(Foto: imago/7aktuell)
Die Hälfte des Parteitags der AfD ist geschafft, die Hälfte des Programms noch lange nicht. Ob es den prophezeiten Rechtsruck gibt, wird sich erst am Sonntag deutlicher zeigen. Erste Lehren lassen sich trotzdem schon ziehen.
Wohin die Reise der AfD geht, lässt sich am Ende des ersten Tags des Parteitreffens in Stuttgart nur vage sagen. Sie will perspektivisch mitregieren, wie die Vorsitzende Frauke Petry sagte. Gegenwärtig ist die AfD laut Petry aber weiterhin ein Opfer von massiver Diffamierung und Dämonisierung. Die Proteste draußen bieten ihr für diese Behauptung die perfekte Kulisse.
Gerade einmal zweieinhalb von achteinhalb Stunden widmete der Parteitag dem eigentlichen Vorhaben, der Programmarbeit. Doch bei über 70 Seiten Text und über 1000 Seiten an Änderungswünschen ist das eine mühselige Kleinarbeit. Beim Thema Einwanderung etwa geht es um Wörter und Silben. Sollte es Ein- oder Zuwanderung heißen? Sind die Menschen, von denen man einem Antrag zufolge mindestens 200.000 pro Jahr abschieben sollte, nun Migranten, Ein- bzw. Zuwanderer, Asylbewerber oder Flüchtlinge? Einer wirft ein, es gebe in Deutschland keine Flüchtlinge, ein anderer, dass man nur abgelehnte Asylbewerber abschieben könne. Was also, wenn in einem Jahr mal weniger als 200.000 Abgelehnte zum Abschieben zur Verfügung stehen?
Startschwierigkeiten und längliche Debatten um Anträge fraßen die ersten sechs Stunden auf, unterbrochen nur von den Reden des Führungsduos Petry und Jörg Meuthen sowie dem tschechischen Ex-Präsidenten Vaclav Klaus.
Höcke ist der heimliche Star
Ob es den Rechtsruck der Partei, den viele Beobachter erwarten, geben wird, hängt vom Verlauf des zweiten Tages ab. Ein entscheidendes Signal dagegen sehen die meisten AfD-Mitglieder schon in der Zustimmung, den Landesverband Saarland aufzulösen. Am Sonntag soll das Thema diskutiert werden, das der AfD besonders viel Aufmerksamkeit und Kritik eingebracht hat: ihre Positionierung zum Islam. Kontroverse Anträge wie der aus dem niederbayerischen Verband, den Bau von Moscheen zu verbieten, wurden allerdings schon ausgeklammert.
Ein Höhepunkt dürfte werden, dass sich der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke am Sonntag zu Wort melden will. Schon am ersten Tag hat sich gezeigt, dass er viele Fans im Saal hat. Höcke gehört zum rechten Flügel der AfD. Was er sagen wird und wie seine Rede ankommt, falls es dazu kommt, könnte ein interessantes Stimmungsbild über die AfD-Mitglieder werden.
Deutlich geworden ist, wie vielfältig die Ansichten in der jungen Partei sind. Pauschale Labels zu vergeben, ist deshalb in der Tat gewagt. Viele Mitglieder sind extrem erleichtert über die Saarland-Entscheidung. Beim Thema Islam dagegen herrscht bei vielen Unwissenheit, die in genau die Pauschalisierungen mündet, die die AfD für sich selbst nicht mag. Verbreitet ist auch die Behauptung, Außenstehende würden die AfD generell verteufeln und als "rechts" brandmarken.
Die Beziehungen innerhalb des Bundesvorstandes machen die AfD-ler immer wieder selbst zum Thema. Meuthen etwa macht sich darüber lustig, zu wem ihm allein diesen Monat schon der Bruch nachgesagt worden sei. Nichts davon stimme. Mag sein, dass Meuthen, der stets verbindliche und geschliffene Chef der frischgewählten baden-württembergischen Landtagsfraktion wirklich gut mit jedem klarkommt. Doch so ganz harmonisch scheint es doch nicht zuzugehen. Björn Höcke rauscht erst eineinhalb Stunden nach Beginn des Parteitags in den Saal und hat ohne Worte einen kleinen Showauftritt mitten während der Geschäftsordnungsdebatte. Während Frauke Petry ihre Rede hält, wird Höcke dann aber gesprächig und gibt am Rand demonstrativ mehrere Interviews. Petry wirkt bei all ihren Wortmeldungen fahrig, teilt Attacken gegen die Presse aus und betont, die Basis brauche sie genauso wie umgekehrt. Ihr Lebensgefährte Marcus Pretzell gibt vom Antragsmikrofon aus bekannt, dass er sich der europakritischen ENF-Fraktion im EU-Parlament anschließen werde. In dieser sitzt der Front National aus Frankreich und nicht alle in der AfD-Führung dürften damit einverstanden sein.
Quelle: ntv.de