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Schau an, sie streiten wieder Ampel-Zoff reloaded: Lindner und Esken bei Maischberger

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Lindner und Esken haben seit dem Koalitionsbruch noch nicht miteinander gesprochen - bei Maischberger tun sie es.

Lindner und Esken haben seit dem Koalitionsbruch noch nicht miteinander gesprochen - bei Maischberger tun sie es.

(Foto: WDR/Thomas Kierok)

Irgendwie hatte man den Ampel-Streit der letzten drei Jahre schon fast vermisst. Am Dienstagabend beweisen die Partei-Chefs von SPD und FDP, Saskia Esken und Christian Lindner bei Maischberger: Sie können es noch immer. Ein Hauch von Erleichterung macht sich breit.

Drei Jahre lang regierten und stritten ihre Parteien zusammen. Nun könnten sie bald wieder Teil einer Regierungskoalition sein: Saskia Esken, Co-Vorsitzende der SPD, und FDP-Chef Christian Lindner. Am Dienstagabend sind sie Gäste bei Sandra Maischberger. Und da geben sie schon einmal einen Vorgeschmack auf das, was die Wähler nach der Wahl erwarten könnte: Sie streiten sich. Und irgendwie scheint es ihnen sogar ein wenig Spaß zu machen. Esken und Lindner haben seit dem Bruch der Ampel-Koalition noch nicht wieder miteinander gesprochen, erzählen sie unisono. Haben sie den Streit vielleicht gar vermisst?

Immerhin sind sich die beiden zu Beginn der Diskussion sogar einig: Ihre eigenen Parteien seien nicht schuld am Ampel-Ende gewesen, das sei klar. Esken sieht Lindner und die FDP in der Verantwortung, der schiebt alles auf die Grünen, an denen eine Klärung der Migrationsfrage gescheitert sei. Über das Vertrauen zwischen der SPD und seiner Partei möchte Lindner nicht sprechen. Zu der Situation nach den Wahlen sagt er: "Mir wäre es am liebsten, es gäbe eine Bundesregierung ohne linke Parteien." Auch Esken möchte sich über gegenseitiges Vertrauen nicht äußern, die Koalitionsfrage nach der Wahl stellt sich für sie noch nicht. Man werde mit allen Parteien sprechen, außer mit der AfD, so Esken.

Doch wie sieht das Vertrauen bei den Wählern aus? Sandra Maischberger fragt konkret nach, warum man jemandem noch das Vertrauen bei der Wahl am kommenden Sonntag aussprechen solle, der für den Bruch der Ampel-Koalition mitverantwortlich ist. Esken erklärt, man hätte die Koalition gerne zu Ende geführt, weil die Stabilität Deutschlands notwendig gewesen wäre. Das beantwortet die Frage nicht, aber mehr will Esken dazu auch nicht sagen. Lindner wird etwas konkreter: "Wer ein höchstes Staatsamt aufgibt oder bereit ist, sich entlassen zu lassen wegen der eigenen politischen Überzeugungen, ich glaube, der hat bewiesen, dass es ihm ernst ist mit seinen Überzeugungen. Ich könnte jetzt noch Finanzminister sein, mit all dem, was damit verbunden ist. Ich hätte aber meine Selbstachtung verloren und ich hätte dem Land geschadet, weil in der Wirtschaftskrise die alte Regierung Scholz nicht in der Lage war, angemessen zu handeln." Dass es allerdings schon lange vor dem Ampel-Ende ein FDP-Papier gab, das ein Szenario für ein Ampel-Aus beschreibt, erwähnt Lindner nicht. Für ihn ist klar: Die FDP jedenfalls war nicht schuld am Regierungsbruch.

Die Frage nach dem Geld

Wer auch immer die neue Regierung stellt, wird mit neuen Tatsachen konfrontiert sein. Seit dem vergangenen Wochenende ist klar: Die USA werden nicht mehr der zuverlässige Bündnispartner sein wie bisher. Deutschland muss finanziell mehr leisten - für die eigene, die europäische und wahrscheinlich auch die ukrainische Sicherheit. Hohe Kosten werden zu stemmen sein. Wie, "das ist eine sehr große und bedeutende Frage, die aller-allerspätestens 2028 beantwortet werden muss", sagt Esken. Dann laufe das Sondervermögen für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands aus. Wirkliche Antworten hat Esken jedoch auch hier nicht. Die Renten will sie jedenfalls nicht kürzen. Sondern: "Für diese Aufgabe, die Verteidigungsfähigkeit hochzufahren, müssen wir die Schuldenbremse reformieren."

Lindner hat konkrete Vorschläge: "Dauerhaft, über Jahre und Jahrzehnte mit wachsender Staatsverschuldung die Verteidigungsfähigkeit sicherzustellen, wäre nicht nachhaltig. Das kann man über einen kurzen Zeitraum machen, das haben wir getan. Aber danach ist das eine dauerhafte Staatsausgabe." Früher, so Lindner, habe der Staat seine Verteidigungskosten auch getragen. "Aber ohne Schuldenbremse", wirft Esken ein. Lindner erklärt, warum das seiner Ansicht nach so war: "Wir haben damals einen Staat gehabt, der sich sehr auf seine Kernaufgaben konzentriert hat. Heute verzettelt unser Staat sich. Er bürokratisiert das Leben. Das kostet viel Geld. Der Staatsapparat ist nahezu unkontrolliert gewachsen." Lindner fordert: "Staatsapparat verschlanken, den Sozialstaat treffsicherer machen, sodass man Antriebslosigkeit etwa beim Bürgergeld nicht toleriert, die Folgen der irregulären Migration und die Kosten im Sozialstaat begrenzen, und da sich jetzt geopolitisch alles ändert, müssen wir auch getroffene Grundentscheidungen verändern."

Würde Deutschland erst 2050 wie alle anderen EU-Staaten klimaneutral werden statt wie geplant fünf Jahre früher, könne man damit 750 Milliarden Euro sparen, sagt Lindner – und beruft sich dabei auf Gutachten. "Durch eine andere Form der Ausgaben haben wir die Mittel, nicht nur die Sicherheit zu stärken, sondern auch Bildung und Infrastruktur zu modernisieren."

Esken entgegnet: "Ich will ganz klar sagen, dass es zumindest mit mir als SPD-Parteivorsitzende ganz bestimmt keine Politik gibt, die in diesem Land den Sozialstaat rasiert, die wieder auf Menschen herabblickt, die mit geringen Einkommen jeden Tag ihr Leben zu stemmen versuchen, und ganz bestimmt auch keine Politik, die nach den Steuerkonzepten von CDU, FDP und auch der AfD den Reichsten in diesem Lande zugutekommt und bei den Armen spart. Das machen wir nicht mit. Das ist vollkommen klar."

Die Bundesrepublik müsse wieder wettbewerbsfähig werden, sagt Lindner. Darum wolle die FDP den Mittelstand entlasten. Esken ist da ganz anderer Meinung: Die FDP wolle die reichsten Menschen mit Steuergeschenken entlasten.

Das sieht also erst einmal nicht nach Einigung aus. Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Esken und Lindner duzen sich, nennen sich gegenseitig beim Vornamen. Ein Kompromiss scheint also doch vielleicht möglich.

Quelle: ntv.de

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