
Der Leitantrag zum Thema Flüchtlinge erhielt fast 100 Prozent. Ein Änderungsantrag aber auch immerhin 10 bis 20 Prozent. So sieht Unzufriedenheit in der CDU aus.
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Über Krieg und Frieden spricht die CDU erst gar nicht, da ist man sich einig. Leidenschaftliche Debatten liefert sie sich aber bei der Frage, wann ihre Parteitage stattfinden sollen.
Merkel kann reden
Selbst Janis Varoufakis hat sie sich immer gewünscht: eine große Rede von Angela Merkel. Damals ging es um die Schuldenkrise. Der sozialistische griechische Finanzminister wollte, dass die konservative deutsche Bundeskanzlerin über die Ziele ihrer Politik redet und Aufbruchsstimmung erzeugt. Die eine große Rede hat Merkel aber nie gehalten, sie erklärte ihre Politik bei Pressekonferenzen in verschwurbelten Sätzen, gespickt mit Fachausdrücken. Etwas anderes trauten ihr viele gar nicht mehr zu. Nun hat sie bewiesen, dass Sie historische Bezüge und zukünftige Herausforderungen mit etwas Pathos verbinden und so einen Parteitag hinter sich bringen kann. Eine Fähigkeit, die sie in zehn Jahren Kanzlerschaft gut verborgen hat.
Die Transformation der CDU geht weiter
Unter Merkel hat die CDU alte Überzeugungen abgeschüttelt und neue Wählerschichten erschlossen. Die Vorsitzende ließ in Karlsruhe keinen Zweifel daran, dass dieser Prozess weitergehen muss. In 25 Jahren, so Merkel, werde es Entwicklungen geben, die wir heute allenfalls erahnen können. Und: Nur wer sich vorwärts bewegt, kann die Balance halten. Das bezog sie nicht nur auf ihre Partei, sondern auch auf Deutschland.
Guido Wolf hat die Veränderung noch nicht mitbekommen
In den meisten Bundesländern protestiert die CDU nicht mehr gegen die "Einheitsschule" oder gegen überdachte Fahrradstellplätze. Wohl aber der baden-württembergische Spitzenkandidat Guido Wolf. Dass sich die CDU nun für Elektroauto-Ladestationen alle 50 Kilometer ausspricht, könnte Wolf mal den Autobauern in seinem Bundesland erklären.
Nicht alle sind von Merkels Kurs überzeugt
Zwar bekam der Leitantrag zum Thema Flüchtlinge praktisch 100 Prozent der Stimmen. Ein Änderungsantrag, der das Zurückweisen von Flüchtlingen an der Grenze vorsah, bekam aber auch 10 bis 20 Prozent. Das reicht nicht, um Merkel gefährlich zu werden, zeigt aber die Unzufriedenheit.
Horst Seehofer ist mal wieder kleinlaut
Mal bläst er zur Attacke, dann ist er wieder zahm. Nach seinem von vielen als Demütigung Merkels empfundenen Auftritt auf dem CSU-Parteitag, geht er auf dem CDU-Parteitag geradezu vorsichtig mit Merkel um. Dass die CSU den Zuzug mit einer Obergrenze kappen möchte - darin wollte Seehofer keine grundsätzliche Frage mehr sehen.
Wenn es um den Sonntag geht, entwickelt die Partei Leidenschaft
Eine der intensivsten Diskussionen in Karlsruhe drehte sich um die Frage, ob die CDU-Parteitage künftig an Wochenenden stattfinden sollten, was Ehrenamtliche forderten, oder ob Sonntag grundsätzlich frei von Parteiveranstaltungen sein sollten, was Berufspolitiker um Kristina Schröder forderten. Die überwiegend beruflich mit Politik befassten Delegierten entschieden sich dafür, den freien Sonntag zu schützen. Ob das nun wichtiger ist als Debatten über das Binnen-I oder den Veggie-Day, über die sich die CDU so gerne lustig macht? Dem Bundeswehreinsatz in Syrien stimmt die Partei ohne Debatte zu.
Auch die CDU kann rebellieren
Drei Anträge beschloss der Parteitag, obwohl der Vorstand dagegen war: Werbung für Zigaretten und Alkohol soll nicht weiter eingeschränkt werden; Kreisverbände können weiterhin selbst entscheiden, ob zu ihren Parteitagen alle Mitglieder oder nur Delegierte eingeladen werden; Und der Mindestmitgliedsbeitrag wird nicht von fünf auf acht, sondern nur auf sechs Euro pro Monat angehoben.
Die Jugendorganisation ist jedoch zahm
So machtbewusst die CDU ist, so machtbewusst ist auch die Junge Union. Die Forderung nach Obergrenzen für Flüchtlinge ließ sich der Vorsitzende Paul Ziemiak schon vor dem Treffen ausreden und trug so zur Harmonie bei.
Die digitale Zukunft ist noch nicht da
Der Breitbandausbau gehört zu den Lieblingsthemen der CDU: Man kann sich damit modern geben und gleichzeitig um die Landbevölkerung kümmern. Die vier angebotenen WLAN-Netze "CDU", "CDU Presse", "CDU Highspeed" und "CDU Presse Highspeed" funktionierten aber nicht mehr, sobald sich die Halle füllte. Gibt es wirklich keinen Anbieter, der so etwas verlässlich organisieren kann? Auch die Parteimitglieder sind nicht auf der Höhe der Zeit. Die Vorsitzende bezeichnete es als "unser allergrößtes Problem", dass nicht alle Mitglieder per E-Mail erreichbar seien.
Quelle: ntv.de