"Du als Mutter, ich als Mutter" Baerbock auf Charmeoffensive in Südafrika


Annalena Baerbock und Naledi Pandor bei der gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Treffen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Südafrika bezeichnet sich mit Blick auf den russischen Krieg gegen die Ukraine als "neutral". Außenministerin Baerbock ist im Land unterwegs, um diese Neutralität ein bisschen in Richtung Ukraine zu verschieben. Sie signalisiert Verständnis, um Verständnis einzuwerben.
Nach einem Gespräch mit ihrer südafrikanischen Amtskollegin Naledi Mandisa Pandor sieht Bundesaußenministerin Annalena Baerbock das Verhältnis zwischen beiden Ländern gefestigt. Sie gehe aus den Gesprächen "mit dem guten Gefühl, dass wir beide unsere Beziehungen noch weiter vertiefen wollen und auch können", sagte Baerbock nach dem Treffen in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria. "Zur Ehrlichkeit gehört: Westdeutschland stand zur Zeit der Apartheid nicht klar auf der richtigen Seite der Geschichte." Baerbock bezog sich damit auf damalige Kooperationen deutscher Regierungen mit dem Apartheid-Regime. "Von heute betrachtet erscheint das unbegreiflich."
Pandor betonte die Bedeutung von Zusammenarbeit bei internationalen Problemen, die während der Corona-Pandemie sehr deutlich geworden sei. "Wir hatten starke Meinungsverschiedenheiten während der Pandemie zu Fragen der Gerechtigkeit bei der Verteilung von Impfstoffen, aber jetzt ist Deutschland ein wichtiger Partner bei der Aufgabe, mRNA-Impfstoffe zu etablieren."
Präsident Ramaphosa gab NATO Mitschuld
Die Beziehungen der Bundesrepublik zu der afrikanischen Demokratie, die Deutschlands wichtigster Handelspartner auf dem Kontinent ist, hatten in den vergangenen Monaten spürbar unter der zweimaligen Weigerung der Südafrikaner gelitten, den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Rahmen einer UN-Resolution zu verurteilen. 2022 hatte Präsident Cyril Ramophosa der NATO öffentlich eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine gegeben. Dieser wäre vermeidbar gewesen, "wenn die NATO nicht so weit gegangen wäre". Wie Russland gehört Südafrika zusammen mit Brasilien, Indien und China zur Gruppe der sogenannten BRICS-Staaten.
All das waren keine einfachen Voraussetzungen für das Treffen der Ministerinnen, bei dem es darum ging, unterschiedliche Positionen wieder anzunähern. Wie mit Blick auf die Apartheid-Zeit signalisierte Baerbock auch hier Verständnis: "Ich verstehe, dass dieser Krieg zu Beginn nicht die erste Priorität für viele auf der Welt war, weil sie so viele Konflikte um sich herum ebenfalls erleben müssen", sagte die Außenministerin. Doch der Krieg gehe auch Afrika etwas an - mit direkten Auswirkungen wie Inflation und Energiekrise.
"Gerade in vielen Ländern in Afrika sind die Lebensmittelpreise zwischenzeitlich ins Unbezahlbare gestiegen", sagte die Ministerin und verwies auf die Bemühungen der G7 um Ernährungssicherheit für betroffene Staaten. Jedes Land müsse selbst entscheiden, wie es darauf reagiere, dass Russland mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg die Regeln mit Füßen trete, "die unser friedliches Zusammenleben garantieren sollen - egal, wo auf der Welt".
Ramaphosa empfängt die deutsche Außenministerin
Baerbock dankte auch Präsident Ramaphosa, weil dieser bei einem Treffen mit Putin klargemacht habe, dass der russische Angriffskrieg ein Angriff auf die UN-Charta und damit "auf die Regeln, die uns alle binden und schützen" sei. "Ich werbe überall dafür, dass wir uns fragen: Was würde es bedeuten, wenn wir im 21. Jahrhundert Eroberungskriege wieder zur Normalität werden lassen." Noch für heute ist ein Treffen von Baerbock mit Ramaphosa geplant - die nicht selbstverständliche Geste beim Besuch einer Außenministerin wurde erst kurzfristig vereinbart.
Die südafrikanische Außenministerin Pandor verwies auf die Position ihres Landes. Man habe immer "klar gesagt, dass wir Frieden wollen und die besten und stringentesten diplomatischen Bemühungen". Es gebe kein einziges Statement ihres Landes, in dem man einen Hinweis darauf finden würde, dass "Südafrika Russland unterstützt hätte".
Von Mutter zu Mutter
Dass dies noch nicht die Haltung ist, die westliche Unterstützer der Ukraine sich von einem einflussreichen Land wie Südafrika wünschen, wurde bei dem Treffen auch deutlich. Um hier eine Verschiebung der Position zu erreichen, hob die deutsche Außenministerin spürbar auf die Verletzungen der Menschenrechte und Gräueltaten an Orten wie Butscha ab. Dorthin war Pandor mit Vertretern von sechs weiteren afrikanischen Regierungen Mitte des Monats im Rahmen einer afrikanischen Friedensinitiative gereist. Die Gruppe hatte zudem sowohl mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als auch anschließend mit Kreml-Chef Putin gesprochen.
Baerbock lobte die Initiative, die mit einem Zehn-Punkte-Plan ein Ende der Kriegshandlungen erreichen will. Sie konzentrierte sich jedoch im Gespräch mit Pandor auf den Besuch im wochenlang besetzten und tyrannisierten Butscha mit seinen Spuren russischer Kriegsverbrechen - eine Erfahrung, die beide Frauen nun eint. Es habe etwas mehr Zeit gekostet, erklärte Baerbock, als die beiden Ministerinnen deutlich verspätet zu einem Folgetermin erschienen, "speziell etwas über die Reise nach Butscha zu hören. Dort zu stehen, du, als Mutter", damit wandte sich Baerbock direkt an die neben ihr sitzende Pandor, "ich als Mutter, Monate zuvor. Zu sehen, was Menschen anderen Menschen antun können, und unsere gemeinsame Verantwortung zu fühlen, solches in der Zukunft zu verhindern."
Pandor kündigte eine Fortsetzung der afrikanischen Initiative an. Sowohl Selenskyj als auch Putin hätten ein weiteres Treffen mit den afrikanischen Staatschefs zugesagt. Bislang gab es allerdings keinen sichtbaren Erfolg.
Quelle: ntv.de