Politik

Altherren-Arroganz? Abgewählt! Bayern ist zu modern für die CSU

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Chef Horst Seehofer waren für jeden vierten CSU-Abwanderer der Grund, woanders ihr Kreuz zu machen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Chef Horst Seehofer waren für jeden vierten CSU-Abwanderer der Grund, woanders ihr Kreuz zu machen.

(Foto: imago/Christian Mang)

Nach der Landtagswahl in Bayern stehen die Christsozialen vor einem historischen Scherbenhaufen. Schuld ist nicht nur die Zerstörungswut einzelner, sondern die Ignoranz einer ganzen Partei. Die CSU kennt ihre Wähler nicht mehr.

Ein politisches Erdbeben war prognostiziert worden - und es ist eingetreten. Mit 37 Prozent der Stimmen fährt die CSU bei der Landtagswahl in Bayern das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Parteigeschichte ein. Adieu, Staatspartei! Die alten Zeiten sind vorbei. Und dieses Mal womöglich endgültig. Doch woran liegt's? Schon vor der Wahl war außerhalb und innerhalb des Franz-Josef-Strauß-Hauses darüber gestritten worden, wer für die zu erwartende Wähler-Watschn verantwortlich zu machen sein würde. Markus Söder beschuldigte Horst Seehofer. Horst Seehofer beschuldigte Markus Söder. Hin und wieder fiel hinter vorgehaltener Hand der Name der Kanzlerin - und dann meldete sich Edmund Stoiber zu Wort, der die vielen Zuzügler aus dem deutschen Ausland als Wurzel allen progressiven Übels ausmachte.

Was folgte, war reichlich Häme. Doch ganz Unrecht hatte Stoiber nicht. Die CSU und Teile Bayerns haben sich tatsächlich entfremdet. Der Fehler der Christsozialen war, das einfach so geschehen zu lassen. Statt auch den moderner tickenden Städtern eine politische Heimat zu bieten, versteiften sie sich auf die althergebrachte katholisch-konservative Almprosa. Gleich mehrfach erweckte CSU-Spitzenkandidat Markus Söder im zurückliegenden Wahlkampf den Eindruck, als wolle er missionieren statt regieren. Auch im Freistaat treten jährlich Tausende Menschen aus den beiden großen Kirchen aus. Allein vergangenes Jahr waren es 72.000. Trotzdem drückte Söder im Juni gegen jeden Widerstand sein Kreuzdekret durch - wohl wissend, dass es wahrscheinlich spätestens vom Verfassungsgericht wieder kassiert werden wird.

Bis zum Sommer hat Söder einen Wahlkampf für die Reaktionären gemacht. Er hat offenbar nicht verstanden, dass Heimat- und Wertetreue auch in offenen Gesellschaften existieren können - anders als die bayerischen Grünen, die mit ihrem dirndl-konformen "Light-Traditionalismus " immerhin zweitstärkste Kraft geworden sind. Zwar war die Asylpolitik tatsächlich ein bestimmendes Thema dieses Wahlkampfes. Laut Bayerntrend vom Juli wünscht sich jeder zweite Wähler im Freistaat, dass die Probleme in Flüchtlings- und Einwanderungsfragen vordringlich gelöst werden. Doch der CSU-Schluss, den Bayern gehe es dabei vor allem um Abschottung, war ein fataler Irrtum. Das hat der Ministerpräsident zu spät erkannt.

Von Beginn an war Söder Teil des Problems - nicht der Lösung. Seine Strategie, sich in der Tradition von Franz Josef Strauß als neuer starker Mann im Freistaat zu präsentieren, ging ordentlich nach hinten los. Schuld daran ist auch sein Mangel an Feingefühl, der immer dann unübersehbar wird, wenn er für seine Prestigeprojekte wirbt: Mitten im Wahlkampf präsentierte er etwa "Bavaria One" - das neue bayerische Raumfahrtprogramm. 700 Millionen Euro will er dafür investieren, während in München weiterhin bezahlbare Wohnungen fehlen. So etwas dem Wähler zu verkaufen, ist schwer genug. Und Söder machte es sich nicht leichter, indem er sein Konterfei als Programmlogo zu etablieren versuchte. "Major Markus völlig losgelöst." Da konnten viele nur noch den Kopf schütteln.

Das CSU-Debakel allein dem Spitzenkandidaten in die Schuhe zu schieben, wäre dennoch allzu kurzsichtig. Auch Seehofers Querulantentum in Berlin hat der Partei massiv geschadet. Daran besteht kein Zweifel. Bei einer Befragung des Forsa-Instituts unter CSU-Abwanderern gab jeder Vierte an, der Partei wegen Seehofer, Söder oder beiden den Rücken gekehrt zu haben. Die Christsozialen sollten sich also ernsthaft die Frage stellen, ob ihr Spitzenpersonal noch dazu geeignet ist, die heterogener werdende bayerische Wählerschaft einzufangen. Genau das war eigentlich über Jahrzehnte das Erfolgsrezept der CSU: die Verbindung von Gegensätzen. Laptop und Lederhose. Bierzelt und Bundespolitik.

Aus einem Gefühl der Unsicherheit heraus hat sich die Partei jedoch dazu entschieden, dem Populismus der AfD zu folgen - und in Berlin Fragen aufzuwerfen, auf die sie keine Antwort hatte. Nun muss sie nicht nur ihre Programmatik dringend überdenken, sondern auch ihr Selbstverständnis. Da kann ein bisschen mehr Demut nicht schaden. Immerhin beklagten 16 Prozent der abgewanderten Wähler zudem die Abgehobenheit und Arroganz der Christsozialen. Ja zu Bayern - das heißt eben nicht mehr automatisch Ja zur CSU.

Quelle: ntv.de

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