Human Rights Watch prangert an Bericht: Assad foltert und tötet systematisch
16.12.2015, 18:31 Uhr
Was Amnesty International bereits beklagte, bestätigt ein Bericht von Human Rights Watch: In syrischen Geheimdienstgefängnissen werden systematisch Journalisten, Ärzte und politische Gegner festgehalten, gefoltert und ermordet.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat nach der Prüfung von Fotos tausender Folteropfer in Gefängnissen des syrischen Staates schwere Verbrechen angeprangert. "Wir haben akribisch Dutzende Schicksale geprüft und sind uns sicher, dass die Bilder von 'César' ein authentischer und belastender Beweis für Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind", erklärte Nadim Houry von HRW.
Ein früherer Fotograf der syrischen Militärpolizei mit dem Decknamen César war Mitte 2013 aus Syrien geflohen und hatte mehr als 53.000 verstörende Bilder aus dem Land geschmuggelt. Die Bilder zeigten die Leichen von etwa 6000 syrischen Gefangenen, viele wiesen schwere Folterspuren auf, teilte HRW weiter mit.
Einigen Häftlingen wurden die Augen ausgestochen, andere hatten Verletzungen am Rücken oder am Bauch, viele waren stark abgemagert. Der desertierte Fotograf der Militärpolizei stellte die Bilder damals ins Internet, um verzweifelten Angehörigen bei der Suche nach den Verschwundenen zu helfen.
Flüchtling berichtet von grausamsten Methoden

Assad (li.) und Putin. Menschenrechtsorganisationen fordern von Russlands Präsident, mehr Druck auf Assad auszuüben.
(Foto: AP)
Wie "Bild" unter Berufung auf einen syrischen Arzt berichtet, der mittlerweile nach Deutschland geflüchtet ist, seien die grauenhaftesten Folterpraktiken in den syrischen Gefängnissen Gang und Gäbe. Die Zellen seien so voll gewesen, dass sich die Gefangenen mit Sitzen und Stehen abwechseln mussten. Duschen soll es keine gegeben haben, täglich seien mehrere Insassen allein an Durchfallerkrankungen gestorben.
"Die häufigste Todesursache war die direkte Verletzung, aber viele starben auch an Unterernährung, ein langsamer Tod", sagt der Arzt. "Wir bekamen ein Stück Brot am Tag, manchmal gab es fünf Oliven, manchmal eine Schüssel Jogurt für zehn Männer, manchmal eine halbe Kartoffel."
"Als ich im Gefängnis ankam, sagten andere Insassen zu mir, ich solle beten, dass sie mich schnell töten. Nach wenigen Tagen wusste ich, was sie meinen. Wer vom Regime gefangen ist, will nur noch sterben, jede Minute, jede Sekunde, damit es endlich aufhört. Gegen Assad ist ISIS geradezu menschlich", sagte er.
Klar wird, was er meint, als er schildert, wie Männer gezwungen wurden, bei der Vergewaltigung ihrer Ehefrauen, Töchter, Mütter und Schwestern durch mehrere Wärter dabei zu sein. "Fünf oder sechs Wärter vergewaltigten sie gleichzeitig und ihre Ehemänner und Väter wurden dazu geholt, damit sie dabei zusehen."
Human Rights Watch wertet Tausende von Daten aus
HRW prüfte nun mehr als 28.000 der Fotos im Detail und identifizierte 27 Opfer. Vertreter der Menschenrechtsorganisation sprachen mit Dutzenden Angehörigen und früheren Mitgefangenen sowie mit einigen früheren Wärtern, die mittlerweile desertiert sind. Einer der Getöteten ist demnach Ahmad al-Musalmani, der 2012 im Alter von nur 14 Jahren festgenommen worden war, weil er ein regierungskritisches Lied auf seinem Handy hatte. Er starb später in Haft.
Ahmads Onkel Dahi al-Musalmani versuchte jahrelang, seinen Neffen zu finden und zahlte umgerechnet rund 13.000 Euro an Bestechungsgeldern für seine angebliche Freilassung. Als er seinen Neffen schließlich tot auf einem der Bilder erkannte, sei dies der "Schock des Lebens" gewesen, sagte er HRW. "Ich habe 950 Tage nach ihm gesucht. Als seine Mutter starb, sagte sie mir: 'Ich lasse ihn unter Deinem Schutz zurück.'"
HRW rief die Länder, die an einer Friedenslösung für den Bürgerkrieg in Syrien beteiligt sind, auf, sich vor allem auch um die Gefangenen im Land zu kümmern. Russland und der Iran trügen dabei eine "besondere Verantwortung". Beide Länder unterstützen die syrische Führung unter Machthaber Baschar al-Assad. In der Vergangenheit hatte auch Amnesty International dem Assad-Regime Folter und Ermordung politischer Gegner vorgeworfen.
Quelle: ntv.de, spt/AFP