Empfahl Angriff auf sein Land Bericht: Moldaus Ex-Armeechef war Informant des Kremls
06.06.2024, 17:54 Uhr
Igor Gorgan - hier im Jahr 2016 - wurde 2021 zwar entlassen. Er soll aber weiterhin Handlanger im moldauischen Verteidigungsministerium haben.
(Foto: US Army)
Igor Gorgan ist einer der Top-Generäle der Republik Moldau. Jahrelang leitete er den Generalstab und hatte Zugang zu Staatsgeheimnissen. Wie nun bekannt wird, soll er diese mit dem russischen Militärgeheimdienst geteilt - und zum Einmarsch in sein Land aufgerufen haben.
Der ehemalige Chef des Generalstabs der Republik Moldau, Igor Gorgan, war einem Bericht zufolge jahrelang Informant des russischen Militärnachrichtendienstes GRU. Dies geht aus einer investigativen Recherche des russischen Exil-Mediums "The Insider" und des moldauischen Youtube-Kanals "LittleCountry MD" hervor. Nach eigenen Angaben hatten die Medien Zugang zum Telegram-Chat Gorgans mit seinem GRU-Führungsoffizier, Oberst Alexej Makarow.
Der General soll die russischen Geheimdienstoffiziere regelmäßig über die innenpolitische Lage in Moldau sowie über Waffenlieferungen an die Ukraine informiert haben. Demnach teilte Gorgan mit den russischen Nachrichtendiensten geheime Dokumente und rief sogar dazu auf, Moldau zu überfallen.
Laut dem "Insider"-Bericht wurde Gorgan vom russischen Geheimdienst bereits 2004 rekrutiert. Damals diente er in internationalen NATO-Missionen in Bosnien und Herzegowina, Georgien und im Irak. Seitdem stand er demnach in nachrichtendienstlicher Verbindung mit verschiedenen russischen Militärattachés in seinem Land. Seit 2019 ist Alexej Makarow Gorgans Kontaktperson. Makarow war damals Militärattaché in der russischen Botschaft in Chisinau. Moldauische Medien berichteten in der Vergangenheit wiederholt, dass Gorgan mehrfach in der russischen Botschaft gesehen wurde.
Die Korrespondenz zwischen den beiden Männern intensivierte sich nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Den abgefangenen Telegram-Chats zufolge war die GRU in den ersten Monaten nach der Invasion besonders daran interessiert, zu erfahren, welche Waffen die Ukraine von Nachbarländern zu erwerben beabsichtigte. So informierte Gorgan im April 2022 die GRU über Kiews Bestreben, in Moldau sechs Kampfflugzeuge vom Typ MiG-29 zu kaufen. Ebenso informierte Gorgan die GRU über die Routen, auf denen Züge mit Treibstoff von Moldau in die Ukraine verkehrten.
Gorgan wollte Moldau vom "faschistischen Abschaum säubern"
Gorgan teilte mit Makarow auch Informationen über angebliche Routen, auf denen westliche Waffen in die Ukraine gelangten. So sei die Grenze der Ukraine zu Rumänien "ein großes Loch", schrieb er der GRU zufolge. "Von dort gelangt viel Fracht in die Ukraine, vor allem militärische Fracht!" Aus diesem Grund müsse die Grenze so schnell wie möglich "geschlossen" werden, empfahl Gorgan dem russischen Militärnachrichtendienst.
Außerdem habe Gorgan Makarow "ständig mit Nachrichten bombardiert, dass in Moldau alles für den Einmarsch russischer Truppen bereit sei", heißt es im "Insider"-Bericht. So habe er in einer Nachricht an Makarow geschrieben: "Wir müssen das Land dringend von allem faschistischen Abschaum säubern!!! Viele sind bereit. Geben Sie es weiter... Die Zeit ist gekommen. Ich halte die ganze Situation in der Armee unter Kontrolle..." Zum Glück gebe es in Moldau kein "Asow" oder andere "nationalistische Formationen", soll er mit Blick auf die ukrainische Eliteeinheit Asow geschrieben haben, die von der russischen Propaganda oft als eine Neonazi-Bande beschrieben wird. "Und mit den Politikern werden wir schnell fertig", schrieb Gorgan, ohne näher zu erklären, was er damit meinte.
Obwohl der General 2021 - nach dem Wahlsieg der proeuropäischen Politikerin Maia Sandu - entlassen wurde, hat er "Insider" zufolge weiterhin viele Handlanger im Verteidigungsministerium, die ihn mit vertraulichen Informationen versorgen. Im Mai 2022 habe er von ihnen ein internes Dokument über Übungspläne der moldauischen Armee erhalten und dieses an Makarow weitergeleitet.
Arbeitet Gorgan jetzt beim UN-Flüchtlingswerk?
Im Juli 2023 wies Moldau nach Medienberichten über mutmaßliche Spionage durch russische Geheimdienstagenten 45 russische Diplomaten und Botschaftsmitarbeiter aus. Ende 2023 verblieben nach Angaben des moldauischen Außenministeriums nur noch zehn Diplomaten und Verwaltungsmitarbeiter in der Botschaft. Wie "The Insider" nun berichtet, brach der Kontakt zwischen Gorgan und Makarow kurz vor der Massenausweisung der russischen Diplomaten ab. Demnach bekam Gorgan daraufhin eine Stelle im Büro des UN-Flüchtlingswerks UNHCR in Moldau. Auf telefonische Nachfrage des Youtube-Kanals "LittleCountry MD" reagierte Gorgan verärgert und bezeichnete die Vorwürfe als "blödsinnig".
Als Reaktion auf die Enthüllungen teilte der Chef der moldauischen Präsidialverwaltung, Adrian Balutel, auf Telegram mit, dass Gorgan alle Auszeichnungen und militärischen Ränge aberkannt würden. "Solche Verbrechen gegen den Staat sollten mit der härtesten Strafe wegen Hochverrats bestraft werden", schrieb Balutel. Ob ein Strafverfahren eingeleitet wird, ist nicht bekannt.
Moldaus proeuropäische Präsidentin Sandu will die Anbindung an die EU vorantreiben, wo ihr Land seit rund zwei Jahren den Status eines Beitrittskandidaten hat. Russland hat aber weiterhin großen Einfluss in der von Armut geprägten Ex-Sowjetrepublik mit rund 2,5 Millionen Einwohnern. Dies gilt insbesondere für die abtrünnige Region Transnistrien, wo seit den 1990er Jahren russische Soldaten stationiert sind. Im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gibt es immer wieder Befürchtungen, dass Moskau Unruhen in der Region als Vorwand nutzen könnte, um die Lage zu eskalieren.
Quelle: ntv.de, uzh