Wegen Masernwelle Berlin will Flüchtlinge durchimpfen lassen
27.02.2015, 10:45 Uhr
Viele Flüchtlinge sind nicht ausreichend geimpft, weil in ihren Heimatländern Krieg herrscht.
(Foto: dpa)
Die aktuelle Masernwelle in Berlin nahm ihren Ausgang in einem Flüchtlingsheim. Weil besonders Menschen aus Kriegsgebieten nicht ausreichend geimpft sind, will die Stadt nun ein Angebot schaffen - dort, wo die Menschen ohnehin zwingend vorbeikommen.
Berlin will die Gesundheitsvorsorge für Flüchtlinge verbessern. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales plant dafür bis zum Sommer den Aufbau einer zentralen Impfstelle. Zurzeit werde gemeinsam mit den Bezirken ein Konzept erarbeitet, sagte Sprecherin Silvia Kostner. Ziel sei es, ab Mitte des Jahres ein zentrales Impfen auf dem Areal des Landesamtes in Moabit zu ermöglichen. Pläne für dieses Angebot habe es schon länger gegeben, sagte Kostner. Die Masern-Welle beschleunigt nun die Umsetzung.
Bisher gibt es kein reguläres Impfangebot für Flüchtlinge. Viele Asylbewerber kommen jedoch aus Ländern, in denen das Gesundheitssystem durch Krieg und Krisen nicht mehr oder nur noch schlecht funktioniert. Auch die aktuelle Berliner Masern-Welle mit bisher mehr als 630 gemeldeten Fällen hatte im Oktober ihren Anfang in einem Flüchtlingsheim genommen.
Impflücken durch Bürgerkriege
Die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Masern in den Unterkünften hat in der Hauptstadt auch schon dazu geführt, dass zur Vermeidung von Ansteckungen zeitweise Belegungs- und Verlegungstopps verhängt wurden. Das kann die Unterbringung erschweren. Für erwachsene Flüchtlinge gibt es zur Gesundheitsvorsorge bisher schon die Möglichkeit, mit einem Krankenschein zum Arzt zu gehen. Masern-Impfungen für Erwachsene, die vor 1970 geboren wurden, sind aber zum Beispiel keine reguläre Kassenleistung - und können deshalb mit Kosten verbunden sein.
Bisher gab es auf der Ebene der Bezirke vereinzelt Versuche, Impfungen für Flüchtlinge anzubieten. Die Teilnahme ist freiwillig. "Das Interesse von Flüchtlingen an Impfungen ist oft groß", sagte Kostner. Viele syrische Kinder seien wegen des Bürgerkriegs in ihrer Heimat zum Beispiel nicht mehr durchgeimpft. Darüber hinaus klaffen bei Asylbewerbern aus Balkanstaaten wie Bosnien aufgrund des Bürgerkriegs in den 90er Jahren große Impflücken. Das war eine Ursache für die schnelle Verbreitung der Masern in einem Berliner Flüchtlingsheim im Oktober. Dass diese Krankheit dann um sich griff, lag aber am fehlenden Impfschutz vieler Berliner - vor allem Erwachsener.
Auf das Gelände des Landesamts in Moabit kommen pro Tag rund 1500 Flüchtlinge, etwa um Sozialleistungen abzuholen oder Termine wahrzunehmen. Deshalb will das Amt die zentrale Impfstelle hier ansiedeln und den Service später in mehreren Sprachen bekanntmachen. Dafür müssen sich jedoch erst noch Räumlichkeiten und Ärzte finden.
Montgomery fordert Recht auf Behandlung für alle
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, fordert für Flüchtlinge über das Impfen hinaus einen anonymen Krankenschein. Menschen ohne Sozialversicherung müssten bei schweren Erkrankungen die nötigen Behandlungen bekommen, "und zwar geschützt vor Eingriffen des Staates", sagte Montgomery dem "Focus". Das sei "ein Gebot der Menschlichkeit".
Montgomery betonte, für große Labor- und Röntgenuntersuchungen bei Flüchtlingen oder Entbindungen bekämen manche Ärzte keinen Cent. Vor allem die sogenannten Illegalen hätten zum Teil aber schwerste Erkrankungen. Der Ärzte-Präsident beklagt in dem Bericht, die Politik mache Ärzte "zu Sozialrichtern". "Zu dem einen Patienten müssen wir sagen: 'Du hast einen Dauer-Aufenthaltstitel und bekommst die reguläre Versorgung'". Dem anderen, der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz behandelt werde, dürften Ärzte bei chronischen Erkrankungen dagegen nicht helfen.
Quelle: ntv.de, nsc/dpa