Da hilft auch Trump nicht Biden laufen afroamerikanische Wähler weg


Biden muss seine Wählerkoalition von 2020 wieder motivieren.
(Foto: dpa)
Vor mehr als drei Jahren gewann Joe Biden die US-Präsidentschaft, da die Leute genug hatten von Donald Trump. Eine bunte Koalition hievte ihn ins Weiße Haus. Nun fürchten die Demokraten, dass die Unterstützung der Afroamerikaner ausbleibt - und deshalb die Wahl verloren geht.
Symbolischer geht es kaum. James Clyburn, der wohl einflussreichste afroamerikanische Demokrat im von Schwarzen geprägten Süden der USA, empfing am vergangenen Wochenende den Präsidenten persönlich. Er begrüßte Joe Biden an einem Flughafen im Bundesstaat South Carolina und wich ihm während dessen Besuchs kaum von der Seite. Zugleich wurde ein neuer Wahlkampfspot der Demokraten veröffentlicht. "Falls wir die Präsidentschaft gewinnen wollen, sollten wir besser Joe Biden nominieren", habe seine Frau vor 2020 zu ihm gesagt, erzählt der Abgeordnete Clyburn. "Sie hatte damals recht, und sie hat heute immer noch recht."
Die Mehrheit der Demokraten sah das vor vier Jahren ähnlich. Biden wurde auch dank der schwarzen Wähler in South Carolina nominiert, die ihn nach mehreren Vorwahlniederlagen gegen Bernie Sanders auf die Siegerstraße gebracht hatten. Er gewann danach gegen Donald Trump; zwar nicht in South Carolina, aber das ist zweitrangig, denn seit 1976 hat kein Demokrat mehr den Bundesstaat gewonnen. Es geht ums ganze Land. Biden laufen in den voraussichtlich besonders umkämpften Bundesstaaten die Wähler weg. Darunter auch "das Rückgrat" der Demokraten, die Schwarzen.

Joe Biden besuchte die St. John Baptist Church in Columbia, links neben ihm stand James Clyburn.
(Foto: AP)
Bleiben die Afroamerikaner im November von den Urnen weg oder wechseln gar die Seite, wäre Bidens Niederlage nahezu besiegelt. Im vergangenen Jahr änderte die Parteiführung der Demokraten auch deshalb auf Drängen des Präsidenten die Vorwahlabfolge. Am 3. Februar in South Carolina findet nun die erste von oben abgesegnete Vorwahl statt. Der Bundesstaat sei mit seinen Einkommensschichten und vielfältigen ethnischen Gruppen viel repräsentativer für die Partei als die überwiegend von Weißen geprägten Bundesstaaten Iowa und New Hampshire, so die Begründung.
Afroamerikaner unzufrieden
Biden ist die Nominierung praktisch sicher. Aber die Aussichten des Präsidenten sind unklar. Während er in Umfragen über ein mögliches direktes Duell im November mit Trump mithält, manchmal sogar leicht vorn liegt, rutschte Biden Ende 2023 sogar auf 37 Prozent Zustimmung ab. Schon 40 Prozent sind so etwas wie eine magische Marke, die ein Präsident für eine Wiederwahl nicht unterschreiten sollte. Seit Oktober liegt er darunter. Für den gleichen Zeitpunkt liegt der Durchschnitt früherer Staatschefs bei 52 Prozent Zustimmung.
Das hat mit jungen Wählern zu tun, die 2020 zu seinem Wahlsieg beitrugen und unter anderem unzufrieden sind über Bidens bedingungslose Pro-Israel-Haltung im Nahostkonflikt. Aber auch viel mit enttäuschten Afroamerikanern. Diese werden unter anderem von hohen Wohnkosten weiterhin überproportional benachteiligt. Das Versprechen einer allgemeinen Krankenversicherung - und damit niedrigeren Kosten, die insbesondere unteren Einkommensschichten zugutekommen würden - hat Biden gebrochen. Eine Polizeireform, die zentrale Forderung der "Black Lives Matter"-Bewegung, hat es nicht gegeben.
Die Enttäuschung drückt sich in Zahlen aus. Nur 50 Prozent afroamerikanischer Erwachsener unterstützten Biden im Dezember noch, stellte eine Umfrage der Associated Press fest. Im Juli 2021, ein halbes Jahr nach Beginn seiner Präsidentschaft, waren es 86 Prozent. Die Alarmglocken schrillen schon seit mehreren Monaten: Im mitentscheidenden Bundesstaat Michigan entschieden sich 2020 nur acht Prozent der Afroamerikaner für Trump. Im vergangenen Oktober sagten dort aber 17 Prozent von ihnen, sie könnten sich vorstellen, dieses Mal für den Republikaner zu stimmen.
Für die meisten demokratischen Wähler galt 2020: Ihre Stimme war vorwiegend eine gegen Trump, nicht für Biden. Trotzdem sehen manche Demokraten die Erfolge von 2020 in Michigan und Georgia als Vorbilder für die weiteren umkämpften Bundesstaaten, um Unterstützung wiederzuerlangen: Afroamerikanische Wähler müssten nicht mehr als Block, sondern in ihren verschiedenen Gemeinden und kulturellen Kontexten angesprochen werden, fordert eine Gruppe an den dortigen Wahlerfolgen beteiligter Strategen. Symbolische Schulterschlüsse reichten schon lange nicht mehr.
Ein inhaltlicher Fokus muss demnach auf das Abtreibungsrecht gelegt werden. In Michigan etwa gewannen die Befürworter wegen erfolgreicher Mobilisierung der Afroamerikaner mit großem Abstand ein Referendum. "Wir haben es zum Teil einer umfassenderen Botschaft über Rechte und Freiheit gemacht", sagte Lavora Barnes, Parteivorsitzende der Demokraten in Michigan. Wegen historischer Erfahrungen mit Unterdrückung seien Schwarze besonders sensibel, wenn ihnen Rechte weggenommen würden.
2024 ist nicht 2020
Bei seinem Besuch in South Carolina vergangene Woche versuchte Biden so etwas wie einen Wahlkampfauftakt für afroamerikanische Wähler. "Ihr seid der Grund, warum Donald Trump ein Verlierer ist", rief er ihnen zu. "Und ihr seid der Grund, warum wir gewinnen und ihn erneut schlagen werden." Das Publikum jubelte. Auch über Bidens Lästereien; nur zwei seiner Vorgänger seien mit weniger Arbeitsplätzen aus dem Amt geschieden als sie das Land zu ihrem Mandatsbeginn gezählt hatte, sagte er: Herbert Hoover -Staatschef während der Großen Depression der 1930er-Jahre -, und Donald Trump.
Danach holte Biden eine alte Geschichte hervor, als sein Vorgänger wegen Regens einen Militärfriedhof gefallener US-Soldaten in Frankreich besuchen wollte, und die dort Begrabenen "Trottel" und "Verlierer" nannte. "Wie kann er es wagen!", bellte Biden überraschend aggressiv ins Mikrofon: "Ich sehe Patrioten und Helden. Den einzigen Verlierer, den ich sehe, ist Donald Trump!" Das Publikum reagierte auf den offenen Angriff mit unterstützendem Wahlkampfgeheul.
Doch es sind vier weitere Jahre vergangen, manch älterer Wähler, der Biden aus alter Verbundenheit gewählt hatte, ist verstorben. Jüngere mit weniger Bindung sind dazugekommen. South Carolina soll trotzdem einen energetischen Wahlkampf der Demokraten einläuten. Biden, inzwischen 81 Jahre alt, hat kaum eine Option, will er sich trotz seines fortgeschrittenen Alters als wählbar präsentieren. In der Corona-Pandemie hatte er sich 2020 nicht häufig öffentlich gezeigt, während Trump sich in seiner erratischen Politik verlor - und damit auch die Wahl.
Dieses Mal fliegt den USA gefühlt die halbe Welt um die Ohren; die russische Invasion in der Ukraine, Krieg in Nahost, Militärschläge auf Irans Verbündete sowie die Lage an der eigenen Südgrenze zu Mexiko. Statt Trump regiert Biden, der zugleich Wahlkampf machen muss; etwa um zu erklären, warum seine ersten Amtsjahre ein guter Grundstein für vier weitere gewesen sein könnten, und nicht von Trump wieder eingerissen werden sollten. Das Jahr 2024, es wird keinesfalls wie 2020.
Quelle: ntv.de