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Aktionsplan beschlossen Bund will Wohnungslosigkeit bis 2030 beenden

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Schätzungsweise rund 50.000 Menschen leben in Deutschland auf der Straße. Hunderttausende weitere kommen in Notunterkünften oder bei Angehörigen unter.

Schätzungsweise rund 50.000 Menschen leben in Deutschland auf der Straße. Hunderttausende weitere kommen in Notunterkünften oder bei Angehörigen unter.

(Foto: picture alliance / Wedel/Kirchner-Media)

Es ist ein ambitioniertes Ziel: Bis 2030 sollen alle obdachlosen und wohnungslosen Menschen in Deutschland ein eigenes Dach über dem Kopf haben können. Das nun verabschiedete Papier stellt vieles in Aussicht, bleibt in der konkreten Umsetzung jedoch vage.

Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass alle Wohnungs- und Obdachlosen bis 2030 Zugang zu einer Wohnung bekommen. Das Kabinett beschloss dafür einen von Bauministerin Klara Geywitz vorgelegten Aktionsplan. Kernpunkt ist die Schaffung von mehr bezahlbaren Wohnungen - wie genau das gelingen soll, bleibt in dem Handlungsleitfaden allerdings vage.

Wie viele Menschen in Deutschland keine Wohnung haben, weiß niemand genau. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) geht in ihren aktuellsten Schätzungen davon aus, dass im Verlauf des Jahres 2022 insgesamt 607.000 Menschen betroffen waren - manche temporär, manche über Monate oder das ganze Jahr. Zum Stichtag Ende Juni 2022 waren es laut den Hochrechnungen der BAG W 447.000 Menschen.

Dabei wird zwischen Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit unterschieden. Wohnungslose haben keine eigene Wohnung, kommen aber bei Freunden oder Verwandten unter oder leben in Notunterkünften. Das erklärt, warum sich die Betroffenenzahl der BAG W von 2022 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt hat: Ein Großteil der hinzugekommenen Wohnungslosen waren Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Der Anstieg der wohnungslosen Menschen ohne deutschen Pass lag demnach bei 118 Prozent, bei deutschen Wohnungslosen bei fünf Prozent. Obdachlos hingegen sind Menschen, die im Freien, in U-Bahnhöfen, Zelten oder Abbruchhäusern schlafen. Rund 50.000 lebten laut Schätzung im Jahr 2022 ganz ohne Unterkunft auf der Straße.

Vielfältige Gründe für Wohnungsverlust

Das Bauministerium listet in seinem Aktionsplan eine ganze Reihe von Ursachen auf, warum Menschen ihre Wohnung verlieren. Jeder Vierte hat Mietschulden - aus den unterschiedlichsten Gründen wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Sucht oder Schicksalsschlägen. Viele verlieren demnach ihre Wohnung nach Trennung, Scheidung oder dem Tod geliebter Menschen. Junge Leute würden aus dem Elternhaus geworfen. Nicht wenige - vor allem Frauen - flüchten vor Partnerschaftsgewalt. Auch Kündigungen wegen Eigenbedarfs der Vermieter führen dazu, dass Menschen buchstäblich auf der Straße landen. Alle haben gemein, dass ihnen plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

Rund 39 Prozent der Betroffenen hatten laut Wohnungslosenbericht des Bundes noch nie eine eigene Wohnung in Deutschland - darunter sind viele Geflüchtete, aber auch junge Erwachsene, die freiwillig oder gezwungenermaßen aus dem Elternhaus ausziehen.

Notunterkünfte keine Dauerlösung

Besonders in den Metropolen ist die Konkurrenz um bezahlbare Wohnungen hoch - so hoch, dass Wohnungslose kaum eine Chance haben, selbst eine Unterkunft zu finden. Notunterkünfte sind keine Dauerlösung - auch wenn viele Betroffene monatelang hier unterkommen. Andere nutzten die Hilfe gar nicht, heißt es im Aktionsplan des Bauministeriums. Sie kämen nicht klar mit so vielen Menschen auf engem Raum, mit dem Mangel an Privatsphäre, erlebten Gewalt und Diebstahl. Außerdem gebe es zu wenig Angebote für Frauen oder Hilfesuchende mit Haustieren.

Doch das ist nicht das einzige Problem: Wer auf der Straße lebt, ist häufig gesundheitlich angeschlagen. Einen Hausarzt zu finden, ist besonders für Obdachlose schwierig. Ihr Versicherungsstatus sei oft nicht geklärt. Dazu komme Scham, die Angst vor Sprachproblemen. Dabei hätten viele Wohnungslose Traumata, weil Gewalt für sie auf der Tagesordnung stehe.

Kernziel: Mehr bezahlbare Wohnungen

Laut Koalitionsvertrag wollen SPD, Grüne und FDP "bis 2030 Obdach- und Wohnungslosigkeit überwinden". Zuständig für die Versorgung mit Wohnraum sind zwar in erster Linie Kommunen und Länder, die Ampel will aber für stärkere Zusammenarbeit sorgen. Kernziel sind mehr bezahlbare Wohnungen und das Verhindern von Wohnungsverlust. Bund, Länder und Kommunen sollen prüfen, ob sie Wohnungslose bei ihrer Wohnraumförderung ausreichend berücksichtigt haben. Das Bauministerium verweist darauf, dass schon jetzt Rekordsummen in den sozialen Wohnungsbau investiert würden. Außerdem sei das Wohngeld verdoppelt und für deutlich mehr Haushalte zugänglich gemacht worden.

Bei Mietschulden soll es bessere Beratung und Hilfe beim Abstottern von Kreditzahlungen geben.In Notunterkünften sollen Mindeststandards für mehr Privatsphäre eingehalten werden. Alle Wohnungslosen sollen Zugang zur Krankenversicherung bekommen. Damit Wohnungslose am öffentlichen Leben teilnehmen und zum Beispiel auch Wohnungsinserate finden können, soll kostenloses WLAN an öffentlichen Orten und in Notunterkünften ausgebaut werden.

Sozialverbände und Vertreter von Betroffenen hatten bereits im Vorfeld erklärt, es sei zunächst einmal gut, dass die Bundesregierung das Problem anpacke. Im Aktionsplan fehlen ihnen allerdings mehr konkrete Lösungsansätze. Im Mietrecht zum Beispiel fehle eine Reform zur Schonfristzahlung, erklärten die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und der Mieterbund. Dabei geht es um die Frage, ob eine Kündigung bei Nachzahlung von Mietschulden noch wirksam ist oder nicht. Die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau reichten zudem nicht aus. Die Diakonie kritisierte: "Es fehlt an konkreten, wirksamen sozialen und wohnungsbezogenen Maßnahmen zur Schaffung von Wohnraum für wohnungslose Menschen sowie zur Verhinderung von Wohnungsverlusten."

Quelle: ntv.de, mdi/dpa

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