Politik

"Kreative Mangelwirtschaft" Bundeswehr am Boden

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Bereit zum Abflug: Die sieben Bundeswehrsoldaten vor ihrer Transall auf dem Nato-Flugplatz Hohn in Schleswig-Holstein. Hier begann die Odyssee der Gruppe in den Nordirak.

(Foto: dpa)

Schon der Transport von Waffen in den Irak stellt die Bundeswehr vor Probleme: Ihr Fluggerät ist so veraltet, dass Defekte an der Tagesordnung sind. Viele Kampfjets können nur abheben, wenn sie zuvor mit Ersatzteilen aus anderen Maschinen versehen wurden.

Glaubt man Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, dann ist alles halb so wild. "Dass die Bundeswehr einsatzbereit ist, beweist sie täglich und weltweit in 17 Auslandseinsätzen", sagte die CDU-Politikerin der "Bild"-Zeitung. Wenn da nur die vielen Peinlichkeiten nicht wären.

Die jüngste: Die Waffenlieferung an die kurdischen Kämpfer im Nordirak verzögert sich, weil die Transportmaschine einen Defekt hat. Die Maschine gehört zwar der niederländischen Luftwaffe, der Vorfall passt jedoch zu einer anderen Verzögerung: Sieben Bundeswehrsoldaten, die den Peschmerga den Umgang mit den Waffen erklären sollen, sitzen in Bulgarien fest. Kurz vor dem Abflug aus Deutschland am vergangenen Freitag hatten die Fallschirmjäger und der Sanitäter wegen einer Panne an ihrer Transall ein anderes Flugzeug nehmen müssen als vorgesehen. Angeblich erkennt der Irak die Kennung der neuen Maschine nicht an; deshalb der unplanmäßige Aufenthalt in Bulgarien.

Die Begründung der irakischen Regierung ist dubios. Trotzdem ist der Vorfall für Deutschland hochpeinlich. Denn er fügt sich in ein Bild ein:

  • Von den 43 Hubschraubern der Marine dürfen derzeit nur 4 abheben: Die 22 "Sea Lynx"-Hubschrauber sind wegen einer serienmäßigen Panne mit einer Ausnahme alle aus dem Verkehr gezogen. Und von den fast vierzig Jahre alten 21 "Sea King"-Hubschraubern sind laut "Süddeutscher Zeitung" nur 3 einsatzfähig.
  • Bei der Luftwaffe sind nach einem Bericht der "Welt" von den 57 Transall C160 derzeit 32 nicht und weitere 3 nur bedingt flugtauglich.
  • Von den 109 Eurofighter-Kampfjets sind nur 8 voll einsatzbereit, berichtete der "Spiegel" unlängst. Von den 67 Transporthubschraubern CH-53 sind nur 7 flugtauglich.

Bei Hubschraubern und Flugzeugen wird Gerät am schnellsten stillgelegt, weil es dort um die Luftsicherheit geht. Das Grundproblem betrifft jedoch Großgeräte in allen Bereiche der Bundeswehr, sagt der Journalist und Blogger Thomas Wiegold, der sich seit Jahren mit der Bundeswehr beschäftigt. "Die Bundeswehr nutzt veraltetes Material, weil neues Material zwar bestellt, aber noch nicht da ist. Oder, weil es Probleme bei der Einführung gibt."

Längst spreche man bei der Bundeswehr von einer "kreativen Mangelwirtschaft", berichtet Wiegold. In der Praxis bedeutet dies, dass fehlende Ersatzteile aus Flugzeugen ausgebaut werden, um andere Maschinen flugtauglich zu machen. Dies sei ein Grund, warum eine Flugstunde mit dem Eurofighter mittlerweile rund 90.000 Euro koste. Nach dem Flug wird das betreffende Teil aus- und wieder in die andere Maschine eingebaut.

Bei der Bundeswehr nennt man dieses Vorgehen gesteuerten Ausbau. Die Strategie ist alles andere als neu: Bereits in den 1980er Jahren war diese Form der Ersatzteilbeschaffung bei der westdeutschen Luftwaffe bekannt.

Damals wie heute gibt es drei Gründe für die Probleme der Bundeswehr: Geldmangel, schlechte Planung und eine nicht angemessene Strategie. Der Wehretat ist in diesem Jahr von 33,4 auf 32,8 Milliarden Euro gesunken. Bis 2016 ist ein Rückgang auf 32,1 Milliarden Euro geplant. Wer begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung hat, streicht das nicht unbedingt Notwendige von seiner Beschaffungsliste - dazu zählen bei der Bundeswehr offenbar Ersatzteile. Zugleich wird viel Geld verschleudert - nicht nur bei einzelnen Skandalfällen wie der Eurohawk-Beschaffung, sondern im ganz normalen Alltagsgeschäft: Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hat die Bundeswehr bei Material im Wert von 92 Millionen Euro keine Ahnung, wo es abgeblieben ist.

Eigentlich, sagt Wiegold, müsste die Bundesregierung klar formulieren, welche Fähigkeiten die Bundeswehr haben soll. Bislang soll die Armee alles können. Das funktioniere jedoch nicht.

Von der Leyen versucht, die Verantwortung abzuwälzen: Seit Jahren warte die Bundeswehr auf das neue Großraumflugzeug A400M und auf neue Hubschrauber, doch "die Industrie kann nicht rechtzeitig liefern". Probleme gibt es allerdings auch, wenn geliefert werden kann: Der für die deutsche Marine bestellte Hubschrauber NH90 "Sea Lion" wird von der niederländischen Armee bereits genutzt. Vor der Küste Somalias stellten die Niederländer fest, dass der angebliche Seelöwe feuchte und salzige Luft nicht gut verträgt: Er neigt dann zu Rostschäden.

Quelle: ntv.de

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