Politik

Datenschutz, Aufwand, Kontrolle Darum geht es in der Debatte um ein Impfregister

Auf den verpflichtenden Piks könnte bald auch ein Eintrag ins Impfregister folgen.

Auf den verpflichtenden Piks könnte bald auch ein Eintrag ins Impfregister folgen.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild)

Anfang 2022 soll der Bundestag über die mögliche Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht entscheiden. Dabei wird auch zu klären sein, wie eine solche kontrolliert werden soll. Eine Hilfe könnte ein nationales Impfregister bieten, das sowohl in der Politik als auch unter Experten Kritiker und Befürworter hat.

Wie umstritten eine politische Frage ist, verrät zuweilen schon der Blick in eine einzelne Partei. Aktuelles Beispiel: die Debatte über ein mögliches Impfregister. Ungeachtet des Überthemas einer allgemeinen Impfpflicht, das allein ja strittig genug wäre, ist es nämlich schon dieser denkbare und vielleicht notwendige Zusatz, bei dem die Meinungen in der SPD auseinandergehen.

Generalsekretär Kevin Kühnert? Ist gegen eine Einführung. Bundeskanzler Olaf Scholz? Ist "da sehr skeptisch". Bundestagspräsidentin und Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas? Ist dafür. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach? Lässt es prüfen und will dann für sich entscheiden.

Lauterbach machte seine Unentschlossenheit im Gespräch mit dem TV-Sender der "Bild"-Zeitung daran fest, dass noch unklar sei, ob ein solches Register ein "Riesen-Bürokratiemonster" wird oder letztlich doch weniger Mühe macht als von manchen befürchtet. Allerdings ist zu viel Aufwand nur einer der Punkte, den Kritiker eines nationalen Impfregisters anführen.

Welche Argumente sprechen dafür?

Ein Impfregister kam in die Diskussion, weil geklärt werden muss, wie eine allgemeine Impfpflicht - sollte der Bundestag sich für eine Einführung entscheiden - überhaupt kontrolliert werden sollte. Dafür könnte eine zentrale, nachvollziehbare Erfassung von Impfdaten herangezogen werden. Angesprochen auf die Datenlage in der Corona-Pandemie, sagte Bundestagspräsidentin Bas der "Welt am Sonntag", die Informationen reichten noch nicht aus. "Bei den Pflegekräften gehen wir von bis zu 90 Prozent Geimpften aus, aber das sind Schätzungen. Wir brauchen exakte Zahlen, allein für die Kontaktnachverfolgung." Zwar sei die Datenlage deutlich besser als zu Beginn der Pandemie. "Aber es stimmt, wir brauchen zum Beispiel ein nationales Impfregister."

Auch Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, forderte zuletzt ein zentrales Impfregister zumindest für medizinisch-pflegerische Berufe. Deutschland mache es Fälschern derzeit noch zu leicht. Zuvor war bekannt geworden, dass nach einem Corona-Ausbruch mit drei Todesfällen in einem Pflegeheim im niedersächsischen Hildesheim gegen eine frühere Mitarbeiterin der Einrichtung ermittelt wird. Der Verdacht: Die 44-Jährige habe womöglich mit einem gefälschten Impfpass im Heim gearbeitet, während sie Corona hatte, so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

"Ein zentrales Impfregister ist die einzige Möglichkeit, wie wir wirklich gesicherte Zahlen über das Impfgeschehen in Deutschland gewinnen können", sagte SPD-Gesundheitsexpertin Martina Stamm-Fibich. "Das Durcheinander um die Erfassung der Impfquote in Deutschland muss ein Ende haben". Zuletzt hatte es immer wieder Diskrepanzen zwischen der vom Robert-Koch-Institut (RKI) offiziell angegebenen Impfquote und den Ergebnissen von Umfragen in der Bevölkerung gegeben. Derzeit melden in Deutschland Ärzte und Impfzentren die anonymisierten Impfungen an das RKI. "Wenn wir über eine allgemeine Corona-Impfpflicht diskutieren wollen, dann müssen wir auch so ehrlich sein und sagen, dass wir diese ohne eine valide Datenbasis überhaupt nicht einführen und umsetzen können", sagte Stamm-Fibich. Sie verweis auf einen weiteren Vorteil, der mit einer Einführung verbunden sei: eine womöglich leichtere Erfassung von Nebenwirkungen.

Der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, verwies gegenüber der "Rheinischen Post" ebenfalls auf die unbefriedigende Datenlage und betonte: "Mit einer zentralen Impfdatenbank könnte die Bevölkerung gezielt zu weiteren Auffrischimpfungen eingeladen werden." Auch der Deutsche Ethikrat empfiehlt ein datensicheres nationales Impfregister.

Welche Argumente sprechen dagegen?

Einer der prominentesten Bedenkenträger ist Bundesjustizminister und FDP-Politiker Marco Buschmann - dessen Fraktion in der Debatte über eine allgemeine Impfpflicht ohnehin gespalten ist. Buschmann selbst ließ zuletzt offen, ob er sich bei der Abstimmung im Parlament für eine Verpflichtung zur Immunisierung aussprechen werde, steht der Einführung einer nationalen Datenbank jedoch skeptisch gegenüber. "Bei nationalen Registern, die Daten über die gesamte Bevölkerung speichern, bin ich stets zurückhaltend", sagte Buschmann der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Datenschützer befürchten hier den Einstieg in einen umfassenden Zugriff des Staates auf alle Gesundheitsdaten der Bürgerinnen und Bürger."

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber, bezeichnete die Einführung eines nationalen Impfregisters unterdessen als machbar. "Datenschutzrechtlich unmöglich ist ein nationales Impfregister nicht", sagte er der Funke-Mediengruppe. Allerdings müsse die Politik "dringend zuerst ganz konkret die Ziele benennen, die sie erreichen will, damit man beurteilen kann, ob dafür ein zentrales Impfregister notwendig ist oder andere Maßnahmen ausreichen oder sogar besser geeignet sind". Anschließend müssten "die dafür notwendigen Datenerhebungen und -verarbeitungen geklärt werden, zusammen mit den erforderlichen Schutzmaßnahmen".

Auch SPD-Generalsekretär Kühnert hat Sorge hinsichtlich des Datenschutzes. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er: "Auch wenn es auf die Daten der Corona-Impfung beschränkt ist, sehe ich die grundlegende Gefahr, dass mit einem solchen Schritt die Tür für den Zugriff auf weitere Daten geöffnet ist." Außerdem sei für ihn unklar, wie die "vollkommen überlasteten Gesundheitsämter das auch noch administrieren sollen".

Was das Argument einer effektiveren Kontrolle der möglichen Impfpflicht betrifft, sagte Buschmann: "Der Staat kann und soll gar nicht jeden und alles jederzeit kontrollieren." Er sprach sich für stichprobenartige Kontrollen von Nachweisen aus, wie es sie etwa jetzt auch bei der 3G-Regel im Bahnverkehr gebe. Ähnlich äußerte sich der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Helge Limburg, gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Weiterhin verbiete das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes, ein solches Register einzuführen, da es ohne Rechtfertigung massenhaft Daten sammle. Das Bundesverfassungsgericht könnte ein Impfregister kippen, warnt Limburg.

Mit Blick auf Zeit und Aufwand hat auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, noch Fragen. Die KBV hält "die zeitnahe Erstellung eines zentralen Registers zur Vorbereitung einer möglichen Corona-Impfpflicht für unrealistisch". Der Aufbau würde "Monate, vielleicht auch Jahre dauern", sagte Gassen der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Wie soll über die Frage entschieden werden?

Über eine allgemeine Impfpflicht soll Anfang des kommenden Jahres im Bundestag beraten werden. Abgestimmt werden soll dann ausschließlich nach dem Gewissen, nicht entlang der Fraktionszugehörigkeit. Dafür wird es Gruppenanträge geben, die auch die Einführung eines Impfregisters beinhalten können. Die Ampel-Koalition will keinen eigenen Gesetzentwurf vorlegen.

Quelle: ntv.de, mbe/dpa/AFP

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