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Merz will Ampel vorführen Der Taurus-Antrag ist legitim, aber letztlich nur Show

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CDU-Chef Merz will, dass der Bundestag den Bundeskanzler auffordert, der Ukraine die Marschflugkörper "endlich zu liefern".

CDU-Chef Merz will, dass der Bundestag den Bundeskanzler auffordert, der Ukraine die Marschflugkörper "endlich zu liefern".

(Foto: IMAGO/Political-Moments)

Die Union stellt im Bundestag den Antrag, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Grüne und FDP sind dafür, werden aber trotzdem nicht zustimmen. Ein Skandal? Nein, seit Jahrzehnten politische Praxis.

Seit Monaten bittet die Ukraine Deutschland um Marschflugkörper vom Typ Taurus. Mit ihnen könnte das von Russland angegriffene Land Ziele der Invasionstruppen weit hinter der Front angreifen und den russischen Nachschub empfindlich stören. Die CDU, einschließlich ihres Parteivorsitzenden Friedrich Merz, fordert die Lieferung, ebenso Grüne und FDP. Was fehlt, ist die Zustimmung von Bundeskanzler Olaf Scholz.

Im Bundestag will Merz die Abgeordneten der Ampel zwingen, Farbe zu bekennen. Am heutigen Mittwoch stellt die Unionsfraktion den Antrag, der Ukraine "endlich und unverzüglich" Taurus-Marschflugkörper "bereitzustellen und unmittelbar nachzubeschaffen".

Dies ist der einzige Punkt des Entschließungsantrags. Das Votum soll als namentliche Abstimmung stattfinden. Damit wäre klar ersichtlich, wie beispielsweise die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder der Grüne Anton Hofreiter abgestimmt haben - zwei Abgeordnete aus den Reihen der Koalition, die besonders vehement für nachhaltige Waffenlieferungen an die Ukraine werben und auch Taurus für die Ukraine fordern.

Hofreiter ist dafür, stimmt aber dagegen

Würden Union, FDP und Grüne zustimmen, hätte der Antrag eine Mehrheit. "Der Bundeskanzler würde dann durch das deutsche Parlament aufgefordert, dieses Waffensystem endlich zu liefern", sagte Merz am Dienstag. Passieren wird das nicht. Politiker von CDU und CSU, möglicherweise auch Medien, werden Grünen und Liberalen dann vermutlich vorwerfen, gegen ihre Überzeugung abgestimmt zu haben.

Auf den ersten Blick scheint das nachvollziehbar. "Im Antrag der Union steht viel Richtiges drin", sagt etwa Hofreiter ntv.de. Ablehnen will er den Antrag trotzdem. Der Grünen-Politiker bringt dafür zwar inhaltliche Gründe vor. Aber man darf wohl unterstellen, dass es auch, vielleicht sogar vor allem um etwas anderes geht.

Tatsächlich ist die Vorstellung abwegig, Abgeordnete würden einfach so gegen den eigenen Kanzler stimmen. Er hielte es für richtig, über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern zu sprechen, sagt FDP-Fraktionschef Christian Dürr ntv.de. "Die FDP hat dazu eine klare Haltung. Denn was die Ukraine zurzeit braucht, sind in erster Linie Waffen, um sich gegen Russland zu verteidigen - nicht mehr Geld." Dürr sagt aber auch: "In einer Koalition gibt es keine wechselnden Mehrheiten. Es ist legitim, dass die Union im Bundestag darüber abstimmen lässt. Aber genauso legitim ist es, dass die Koalition dem Antrag der Opposition nicht zustimmen wird. Das gehört zur Demokratie dazu."

Erinnerung an 2018

Dass es in einer Koalition keine wechselnden Mehrheiten gibt, ist sogar schriftlich festgelegt: "Im Deutschen Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab", heißt es im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien. "Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen." Seit Jahrzehnten steht diese Klausel exakt so in jedem Koalitionsvertrag - egal, welche Parteien an dem Bündnis beteiligt sind. Die Sätze bedeuten, dass ein uneinheitliches Votum ein Bruch der Koalition wäre.

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Ungeachtet des ernsten Hintergrunds und trotz der guten Gründe, die für eine Taurus-Lieferung sprechen, ist der Antrag der Union damit auch ein Stück politischer Folklore. Ein bisschen Show gehört halt dazu. Legendär ist der Satz des SPD-Politikers Hans Matthöfer von 1971: "Und wenn die unser Godesberger Programm vorlegen - was von der CDU kommt, wird abgelehnt."

Das alles weiß natürlich auch Friedrich Merz. Dass er die Abgeordneten von Grünen und FDP vorführen will, ist dennoch ebenfalls alles andere als skandalös, sondern genauso der Normalfall wie die Weigerung von Grünen und FDP, für den Antrag der Union zu stimmen. Auch die heutigen Regierungsparteien haben aus der Opposition heraus ähnliche Initiativen gestartet. Die FDP beispielsweise forderte 2018 im Bundestag die Abschaffung des Solidaritätszuschlags - eine Forderung, die CDU und CSU damals teilten. In einer namentlichen Abstimmung stimmte die Unionsfraktion trotzdem geschlossen gegen einen entsprechenden Antrag der Liberalen, denn ihr damaliger Koalitionspartner SPD war dagegen. Der damalige FDP-Fraktionsvize Christian Dürr sagte seinerzeit im Bundestag, die CDU müsse dem Antrag zustimmen, schließlich habe sie die Soli-Abschaffung gerade erst auf einem Parteitag beschlossen.

Quelle: ntv.de

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